Antonia Lottner: Aufstieg aus der Versenkung
Sie galt lange Zeit als Top-Talent der deutschen Juniorinnen – Antonia Lottner. Langwierige Verletzungen und zu viel Druck warfen sie zurück. Bei den US Open steht die 20-Jährige nun zum ersten Mal im Hauptfeld eines Grand Slam-Turniers.
Man hatte Antonia Lottner lange nicht mehr auf dem Zettel – schon gar nicht auf Grand Slam-Ebene. Bei den US Open dürfte sich dies nun ändern. Heute, am Dienstag, trifft die 20-Jährige bei ihrer Premiere in einem Major-Hauptfeld auf Vania King. Drei Qualifikationsmatches überstand die Düsseldorferin in New York, besiegte drei besser platzierte Gegnerinnen und qualifizierte sich erstmals für die ganz große Bühne.
She’s made it! Germany’s Antonia Lottner crowns a successful ITF summer with her first GS MD appearance! pic.twitter.com/ahjsoerlbj
— Jimmie48 Photography (@JJlovesTennis) August 26, 2016
In den vergangenen zwei, drei Jahren war es still geworden um Lottner, die als die vielleicht größte Versprechung im deutschen Damen-Nachwuchs überhaupt galt. 2013, als die 1,85 Meter-Frau bei den Juniorinnen in Roland Garros das Endspiel erreichte und erst gegen Belinda Bencic verlor, galt ihr Durchbruch in den Damenbereich als eine Frage der Zeit, eine Platzierung zumindest in den Top 30 mittelfristig als nahezu garantiert.
Zweifel an der Profikarriere
Doch statt eines rasanten Aufstiegs wie bei ihrer „besten Freundin“ Bencic, die weltweit Experten begeistert und als kommende Nummer eins gehandelt wird, erlebte Lottner knapp drei Jahre lang „eine echt schlechte Phase“. Sie zweifelte, ob die Profikarriere überhaupt der richtige Weg sei, hatte mit langwierigen Verletzungen und immer neuen Wehwehchen zu kämpfen – insbesondere Entzündungen beider Fußballen zwangen sie zu bitteren Pausen. Eine gefühlte Ewigkeit konnte sie sich nur mit Krücken fortbewegen, ans Bälle schlagen war nicht zu denken. Sie beendete in dieser Phase die Zusammenarbeit mit ihrem langjährigen Coach Robert Orlik, die Suche nach einem neuen Trainer gestaltete sich schwierig – weil Lottner extrem wählerisch sei, sagen einige Insider der Szene. Weil sie sich schwer tat, einem Coach zu vertrauen, sagt Lottner selbst. 2014 wechselte sie in die European Tennis Base nach Salzburg, seitdem wird sie dort hauptsächlich von Gerald Mild und gelegentlich auch von Ulf Fischer, Ex-Coach von Tommy Haas, betreut. Große Erfolge blieben dennoch aus – zunächst.
Anfang Juli dann plötzlich der große Wurf! Lottner siegt überraschend beim ITF-Turnier in Versmold und zwei Wochen später beim 75.000er-Event in Prag, wo sie als 259. Der Weltrangliste mit Mona Barthel und Carina Witthöft zwei Top 100-Spielerinnen bezwingt. Sie klettert bis auf Platz 175, ihr bestes Ranking, schafft damit den Sprung in die US Open-Quali. Der Rest ist bekannt.
Neue Leidenschaften – Fotografie und Backen
Lottner sitzt jetzt auf einem Holzstuhl im Players Garden, trinkt einen Tee mit Zitrone und plaudert erfrischend locker und natürlich über vergangene harte Zeiten und ihre neu gewonnene Stärke. Während ihrer Verletzungsmisere habe sie bereits über Alternativen zur Tenniskarriere nachgedacht, erzählt sie. „Ich hatte überlegt Sport zu studieren. Auch Physiotherapie finde ich total interessant.“ Sie entdeckte eine neue Leidenschaft, die Fotografie und belegte Kochkurse. „Ich backe wahnsinnig gern. Meine Spezialität ist gesundes Bananenbrot“, sagt sie und grinst.
Neben ihrer Neuorientierung schuftete Lottner in ihrer sportlichen Heimat Salzburg immer weiter auf und neben dem Court – mit einer veränderten Einstellung. „Ich habe plötzlich begriffen, dass ich Tennis spiele, weil ich es liebe. Es geht mir inzwischen nicht mehr darum, es anderen Menschen zu beweisen“, sagt sie. Die Bürde des Supertalents lastete in der Vergangenheit tonnenschwer auf ihren Schultern. „Ich habe mir einen riesigen Druck gemacht, die Erwartungen von außen waren so groß.“ Die steile Karriere ihrer Freundin Bencic, mit der sie sich lange vergleichen durfte und die sogar noch ein halbes Jahr jünger ist als Lottner, machte es ihr nicht leichter.