Australian Open 2025: Madison Keys und ihr Schlüssel zum Sieg
Im Juniorinnenalter galt Madison Keys als größte Verheißung im US-Damentennis, blieb aber hinter den riesigen Erwartungen zurück. Nun steht sie bei den Australian Open im Finale.
Es sind ihre ausladenden Schwünge, die eine derartige Wucht auf den Ball bringen, dass selbst quirlige Entfesselungskünstlerinnen wie Iga Swiatek manchmal einfach nur noch den auf über 150 Stundenkilometern beschleunigten Geschossen hinterherschauen können. Wenn die Frau der Schwünge, Madison Keys, in ihren Flow kommt, dann nagelt sie mit verblüffender Konstanz – egal, ob mit Vor- oder Rückhand – die Bälle hinten an die Grundlinie. Sobald die Gegnerin zu kurz wird, kommt der punktbringende Strahl.
Im Halbfinale der Australian Open 2025 gegen Iga Swiatek, das sich von Satz zu Satz steigerte und schließlich in einem fantastischen Match-Tiebreak mündete, schaffte es Keys zu Beginn des zweiten Satzes, in ihren durchaus gefürchteten Rhythmus zu kommen. Im ersten Durchgang sah das noch anders aus. Keys neigt dazu, manchmal zu schnell „Alles oder Nichts“ zu spielen – und macht dann haarsträubende Fehler. Mitunter fragt man sich, wie sie es überhaupt so weit bringen konnte, wenn sie ohne Not die Bälle meterweit ins Aus ballert. 17 leichte Fehler unterliefen ihr im ersten Satz.
🔓 She’s done it! @Madison_Keys wins four of the final five points of the super tiebreak to book her place in Saturday’s final!@wwos • @espn • @eurosport • @wowowtennis • #AusOpen • #AO2025 pic.twitter.com/k7gVLVtibZ
— #AusOpen (@AustralianOpen) January 23, 2025
Madison Keys: mit gut dosiertem Powerplay
Aber dann kam sie in Tritt. Sie wurde einen Tick geduldiger, was bei ihr nicht heißt, dass sie den Ball einfach nur langsam zurückspielt. Nein, das ist überhaupt nicht ihr Style. Sie lebt von ihrer Power und davon, die Ballwechsel zu bestimmen. Ein Tick geduldiger heißt bei ihr, dass sie nicht gleich auf den zweiten Ball voll draufgeht, sondern erst dann, wenn sich wirklich eine Option auf einen Winner auftut. Wenn Keys dieses gut dosierte Powerplay aufzieht, kann es für jede Gegnerin verdammt schwer werden.
In zweiten Durchgang bekam Swiatek das voll zu spüren, weil Keys sie regelrecht überpowerte. Der dritte Satz bot dann Dramatik, Monster-Rallys und ein amtliches Finish. Keys wehrte erst einen Matchball ab, nachdem sie zum 5:6 gebreakt wurde. Dann lag sie 7:8 im Match-Tiebreak hinten – und machte drei Punkte in Folge. Erst ein Ass, dann ein Service-Winner und schließlich ein Vorhandfehler von Swiatek. 5:7, 6:1, 7:6 (10:8) hieß es am Ende für Keys.
Huge congratulations. You played amazing. All the best 💪🏼👏🏼👏🏼
— Iga Świątek (@iga_swiatek) January 24, 2025
Madison Keys: „Fühlt sich schon anders an, am Ende zu gewinnen“
„Ich habe einen Matchball abgewehrt, oder?“, fragte sie beim On Court-Interview ungläubig. Tatsächlich verlor Swiatek erstmals ein Match auf der WTA-Tour, bei dem sie zuvor selbst einen Matchball gehabt hatte. Auf die Glasscheibe der Fernsehkamera am Spielfeldrand kritzelte Keys: „Oh mein Gott!“ Später sagte sie noch: „Bei 5:5 im dritten Satz gebreakt zu werden und im Tiebreak irgendwie dranzubleiben – fühlt sich schon anders an, diejenige zu sein, die am Ende gewinnt.“ Worauf sie anspielte: In der Vergangenheit hat sie diese engen Dinger zu oft verloren.
Siebenmal stand Keys auf Grand Slam-Niveau schon im Halbfinale – gegen Swiatek gelang ihr erst ihr zweiter Sieg. Eine bittere Niederlage kassierte sie im Halbfinale der US Open 2023, als sie 6:0, 6:7, 6:7 gegen ihre Melbourne-Finalgegnerin am Samstag, Aryna Sabalenka, verlor. „Ich wollte nicht in die gleiche Situation wie damals kommen, in der ich zurückblicke und denke: ‚Mann, ich hätte es versuchen sollen.‘ Ich wollte nicht bedauern, dass ich nicht alles gegeben habe“, sagte sie nun dem nach Erfolg gegen Swiatek.
In ihrem bislang einzigen Grand Slam-Finale 2017 bei den US Open in New York versagten ihr gegen Sloane Stephens die Nerven – 3:6, 0:6-Klatsche. Übrigens sind die siebeneinhalb Jahre die längste Zeitspanne, die zwischen den ersten beiden Grand-Slam-Endspielen einer Spielerin in der Open-Ära liegen. Amelie Mauresmo war die bisherige Rekordhalterin mit sieben Jahren zwischen den Australian Open 1999 und 2006.
Madison Keys und das Tennisdress von Venus Williams
Hat Keys nun den Schlüssel zu jenem Level gefunden, das ihr seit Beginn ihrer Laufbahn prognostiziert wurde? Keys wuchs im mittleren Westen der USA auf, im US-Bundesstaat Illinois. Ihre Eltern sind Anwälte und haben insgesamt vier Töchter: Neben Madison noch Sydney, Montana und Hunter. Im Alter von vier Jahren sah Madison im Fernsehen, wie Venus Williams bis ins Viertelfinale von Wimbledon kam – und wollte unbedingt ihr Kleid haben. Ihr sportbegeisterter Vater bot ihr einen Deal an. Sie würde das Outfit bekommen, wenn sie selbst anfängt, Tennis zu spielen. Klein-Madison ließ sich darauf ein und fand so den Sport ihres Lebens.
Als Madison zehn Jahre alt war, zog Familie Keys nach Florida um, weil dort die Rahmenbedingungen für ein professionelleres Trainingsumfeld besser waren. Sie landete in der Akademie von US-Tennislegende Chris Evert, die von Beginn an große Stücke auf sie hielt. Aus jener Zeit ist ein Zitat überliefert, in dem Evert der jungen Madison Keys ein „erstaunliches All-Court-Game“ attestiert, was „in dem Alter äußerst selten“ sei. Seitdem haftet Keys das Attribut „Wunderkind“ an, woran sich heutzutage nicht mehr so viele erinnern.
In ihrer Teenagerzeit war das anders. Ihre wunderbare Technik, die so glatt und so clean ist, brachte ihr schon früh den Ruf ein, das „next big thing“ im US-Damentennis zu sein. Die legitime Serena Williams-Nachfolgerin, kleiner ging es nicht. Keys begann ihre Profkarriere im Alter von 14 Jahren, als sie für das WTA-Turnier in Ponte Vedra Beach eine Wildcrad bekam und die Top 100-Spielerin Alla Kudryavtseva schlug. Mit 18 Jahren stand sie in den Top 100. Mit 19 erreichte sie in Melbourne ihr erstes Grand Slam-Halbfinale.
Madison Keys: Plötzlich nur noch Mitläuferin auf der Tour
Aber dann kamen Verletzungen, vor allem an den Handgelenken. Sie hatte auch immer wieder Probleme, ihr Power-Game auf den Platz zu bringen. Schließlich zogen andere US-Girls an ihr vorbei. Aus Madison Keys wurde eine Mitläuferin auf der Tour. Eine, die zwar enorm gut spielen kann, der aber nur noch die Wenigsten einen echten Punch zutrauten.
2016, nachdem Keys das WTA-Rasenturnier in Birmingham gewann, meldete sich Chris Evert wieder zu Wort: „Ich weiß, dass wir alle versucht haben, Madison Keys zu großen Erfolgen zu drängen. Jetzt bin ich zu dem Schluss gekommen, dass sie zu ihrer eigenen Zeit einen Grand Slam-Titel gewinnen wird. Aber es muss zu ihren Bedingungen geschehen, sie muss alle Entscheidungen treffen. Körperlich bringt sie alles mit, ihr Aufschlag ist auf Serena Williams-Niveau. Jetzt muss sie nur noch im mentalen und emotionalen Bereich stabiler werden.“
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Nun hat sie als 29-Jährige tatsächlich die Gelegenheit, einen großen Titel zu holen. Und das hat sie vor allem ihren Ehemann zu verdanken. Keys ist seit November 2024 mit Bjorn Fratangelo verheiratet. Vieles verbindet die beiden. Auch Fratangelo galt mal für ein paar Jahre als künftiger US-Topspieler. Er gewann 2011 den Junioren-Titel in Roland Garros, wo er im Finale Dominic Thiem bezwang, aber im ATP-Ranking schaffte er es „nur“ bis auf Platz 99.
Fratangelo, der inzwischen vom Profitennis zurückgetreten ist, coacht seine Frau nun. Zunächst wollte er das nur übergangsweise machen, aber mittlerweile hat er den Job seit 18 Monaten inne. Die beiden haben gemerkt, dass die Konstellation sowohl ihm als auch ihr gut tut, was Fratangelo zu Beginn seiner Tätigkeit als Trainer der eigenen Frau komplett ausgeschlossen hatte. Aber aktuell gibt der Erfolg dem Ehepaar recht: Keys gewann das WTA-Turnier in Adelaide und steht nun im Finale von Melbourne. Elf Siege in Serie hat sie nun eingefahren.
Madison Keys vs. Aryna Sabalenka: Duell der Big-Hitter
Gegenüber dem US-Sportportal „The Athletic“ erklärte Fratangelo, was er seiner Gattin mit auf dem Weg gibt, damit sie nun auch mal so knappe Matches wie jenes gegen Iga Swiatek gewinnt: „Ich habe versucht, ihr beizubringen, dass Gewinnen und Verlieren keine Rolle spielen. Aber wie man verliert und wie man gewinnt, ist wichtig. Verliere nicht, wenn du passiv bist, denn das ist es nicht, was du bist. Lass einen Counterpuncher passiv verlieren, denn das ist es, was sie tun. Du verlierst, wenn du den Fuß auf dem Gaspedal hast, und das ist in Ordnung. Es wird passieren.“
Both players are riding 11-match win streaks 😤
But only 1 will be crowned the champ 🏆@SabalenkaA vs. @Madison_Keys #AO2025 pic.twitter.com/fNEYdUoyDH— wta (@WTA) January 24, 2025
Dieses Mindset trat in der Endphase des Halbfinals gegen Swiatek deutlich zu Tage. Keys spielte in der heißen Phase nicht zögerlich und vorsichtig, sondern gab weiter Gas. Wenn sie diese Einstellung auch gegen Aryna Sabalenka im Endspiel (ab 9:30 Samstagmorgen) abrufen kann, dann wird es ein offenes Match zweier „Big-Hitter“, auf das sich die Fans freuen können.