Bethanie Mattek-Sands: Punk auf dem Platz
Das ist der zweite rote Faden, der sich durch ihr Leben zieht: totale Selbstbestimmtheit, Freiheit um jeden Preis. Sie passt nicht zum glattpolierten Mainstream auf der WTA-Tour, zu den vielen niedlichen Girlies, die von PR-Agenten umschwirrt werden, damit bloß kein falsches Wort oder kein unpassendes Foto in Umlauf gerät. „Ich würde verrückt werden, wenn ich von solchen Leuten umgeben wäre“, sagt Mattek-Sands. Ihr Vater Tim hat einmal der US-Website ESPN.com anvertraut, dass seine Tochter – das älteste von insgesamt vier Kindern – schon mit drei Jahren einen ungeheuren Drang zur Eigenständigkeit besaß. Sie sei schon immer „sehr entschlossen“ gewesen und habe früh ihren eigenen Willen gehabt.
Als kleines Mädchen probierte Bethanie viele Sportarten aus: Basketball, Volleyball, Leichtathletik – und Tennis. Das gefiel ihr am besten, schnell kamen die ersten Erfolge. Mit zwölf Jahren zog die sechsköpfige Familie vom US-Bundesstaat Minnesota nach Florida in den warmen Süden, damit Bethanie die Tennis-Akademie von Chris Evert besuchen konnte.
Mit 14 Jahren ist sie Beste weltweit
„Das war ein Riesenschritt“, sagt Mattek-Sands rückblickend. „Meine Familie musste alles hinter sich lassen, weil ich in die Akademie wollte, um besser zu werden.“ 1999, Bethanie war 14 Jahre alt, gewann sie als vorerst letzte Amerikanerin beim „Les Petits As“ im französischen Tarbes, einem der wichtigsten Nachwuchsturniere weltweit. Im gleichen Jahr holte sie auch den Doppeltitel bei der Orange Bowl, der inoffiziellen Junioren-WM.
„Mit 14 war ich weltweit die Nummer 1“, sagt Mattek-Sands am Rande der US Open 2013, als sie von ihrer Anfängen erzählt. Neben ihr steht Justin, ihr Gatte, ein Footballspieler und ein Bär von einem Kerl. Die beiden liefen sich 2008 zufällig beim Fitnesstraining in Phoenix, Arizona, über den Weg, wo das Paar heute zusammen mit der 70 Kilogramm schweren Bauerndogge Ruger lebt. „Ich sah Justin – und dachte, dass Brett Favre vor mir steht“, erinnert sie sich. Favre war der beste Quarterback ihres Lieblings-Footballteams, den Green Bay Packers aus Wisconsin.
Tiefenentspanntes, saucooles Paar
„Als Teenie hatte ich keine Boygroup-Poster in meinem Zimmer hängen. Meine Wände waren voll mit Brett Favre-Plakaten und Green Bay Packers-Wappen“, erzählt sie. „Ich war nie sehr mädchenhaft.“ Drei Dates reichten ihr und Justin, dann heirateten sie. Es gab eine Trauung am Strand, Mattek-Sands hüllte sich in ein schwarzes Kleid. Die Eltern wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. „Wir fanden das nicht so toll, aber Bethanie hat ein gutes Händchen, richtige Entscheidungen zu treffen“, sagte Vater Tim zu ESPN.com.
Inzwischen ist Justin der Manager seiner Ehefrau und begleitet sie zu fast jedem Turnier. Sein Versicherungsgeschäft wickelt er unterwegs nebenbei ab. Es ist ein seltsames Bündnis: Verheiratete Profispielerinnen, die mit ihrem Mann von Event zu Event jetten, sind selten. Die Chinesin Na Li und ihr Gatte Jiang Shan sind noch so ein Gespann – aber sonst?
„Justin und Bethanie sind einfach saucool“, sagt Frederic Schölzel, der während der letzten Saison als Sparringspartner mit dem Duo unterwegs war. Schölzel kommt aus Gevelsberg in Nordrhein-Westfalen, bekam ein Stipendium an der Grand Canyon University von Phoenix und lernte dort Justin kennen. „Die beiden sind tiefenentspannt. Sie buchen bei Turnieren immer Appartements, in denen wir alle zusammen wohnen. Das ist sehr lustig.“