Bethanie Mattek-Sands: Punk auf dem Platz

am 10. Januar 2017 um 13:30

Es wird viel gelacht, wenn sich Justin und Bethanie unterhalten. Die beiden haben einige gemeinsame Hobbys gefunden. Neben ihrem Hund sind es Autos und Waffen – klischeebehafteter geht es eigentlich kaum. Sie besitzen drei PS-gewaltige Schlitten, nehmen Schießunterricht bei einem Profischützen. „Ich bin gern auf dem Schießstand, um da durch die Gegend zu ballern“, bekennt Mattek-Sands. Eine halbe Stunde dauert das Gespräch mit ihr jetzt schon. In ein paar Minuten hat sie einen Massagetermin. „Komm doch einfach mit“, schlägt sie vor. Aber ein Ordner in den Katakomben des Arthur Ashe-Stadions erlaubt es nicht – falsche Akkreditierung. „Schade, tut mir leid“, sagt Mattek-Sands. Bevor sie verschwindet, will sie aber noch erzählen, was vor gut einem Jahr bei ihr passierte.

2012: Absturz bis auf Platz 240 im Ranking

Winter 2012: Zu Hause in Phoenix blickt Mattek-Sands auf ein übles Jahr zurück. Absturz bis auf Platz 240 im Ranking, viele Verletzungen an Rücken, Hüfte und Füßen, dazu bleierne Müdigkeit. Nach einem Comebackversuch, der mit einer frühen Pleite bei einem unterklassigen ITF-Turnier endet, will sie alles hinschmeißen.

NUMBER ONE: Seit dem Titel in Brisbane mit Sania Mirza am vergangenen Wochenende führt Mattek-Sands die Weltrangliste im Damendoppel an.

„Killerbiene“ lautete ihr alter Spitzname, an den ein Tattoo mit kleinen Bienen an der Innenseite ihres rechten Handgelenks erinnert. Als aufstrebender Teenager, der schon mit 14 Jahren erste Profiturniere spielte, wurde sie so genannt – wegen ihrer aggressiven und „zustechenden“ Spielweise. Im November 2012 geht von der Killerbiene keine Gefahr mehr aus. Im Gegenteil: Mattek-Sands weiß nicht, wie es mit ihrer Karriere weitergehen soll. Ihr Arzt Malcom Conway, den sie als „Magier“ bezeichnet, bringt ihr die Kraft zurück. Durch eine spezielle Elektrotherapie erholt sich ihr Körper. Dann erfährt sie dank einer Blutprobe, dass sie auf 26 Lebensmittel allergisch reagiert.

Geburtstagstorte mit neuem Rezept

„Das war der Grund, warum ich mich so schlapp fühlte“, ist sich Mattek-Sands heute sicher. Sie „macht den Djokovic“, stellt also ihre Ernährung komplett um und verbannt Gluten aus ihrem Essen. Es geht aber auch um ziemlich gewöhnliche Zutaten: Tomaten, Avocados, Ananas, Kaffee, Milch, ja sogar Knoblauch und Ingwer – all das ist plötzlich tabu. „Meine Mahlzeiten sind sehr überschaubar geworden“, scherzt sie. Hühnchen mit Reis, Steak mit Kartoffeln, solche Sachen. In Restaurants seziert sie jedes Menü akribisch auf dessen Bestandteile.

Die Mühen lohnen sich. Weil auch ihr Umfeld sie voll unterstützt. Mutter Heidi stellte aufgrund der neuen Ernährungsgewohnheiten ihrer Tochter sogar ein traditionelles Rezept für die Geburtstagstorte um. „Es mag übertrieben klingen, aber ich bin ein anderer Mensch geworden“, behauptet Mattek-Sands.

GOLDMEDAILLE IN RIO: Mattek-Sands gewann mit Jack Sock im Mixed.

In der ersten Jahreshälfte 2013 spielt sie so stark wie schon lange nicht mehr. Beim Porsche Grand Prix in Stuttgart spult sie elf Matches in sieben Tagen ab – inklusive Qualifikation und Doppel. „So ein Programm hätte ich früher nie durchgehalten“, räumt sie ein. Sie verliert erst im Halbfinale gegen Na Li, kurz danach schlägt sie die Chinesin bei den French Open – der größte Erfolg ihrer Karriere. Beflügelt von den Leistungen im Einzel beschließt sie, nicht mehr im Doppel anzutreten, obwohl sie dort zwölf Titel gewann.

Im September 2013 dann ein Schock: Mattek-Sands verletzt sich am Knie in Quebec, beendet die Saison. Später gibt sie per E-Mail Entwarnung: „Alles nicht so schlimm, bin in der Vorbereitung für 2014.“ Und kündigt an: „Ich werde nächstes Jahr mein Racket sprechen lassen.“ Zusammen mit bunten Haaren, kniehohen Strümpfen und knalligen Klamotten.