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charlotte schwagmeier Blindentennis

Charlotte Schwagmeier im Porträt: Blindes Verständnis

Charlotte Schwagmeier hat eine Sehkraft von nur acht Prozent. Dennoch spielt sie normales Tennis auf ordentlichem Kreisliganiveau. ­Zudem wurde sie im Blindentennis schon zweimal Weltmeisterin. Begegnung mit der ungewöhnlichsten Tennisspielerin Deutschlands.

(Diese Reportage erschien im Original in der tennis MAGAZIN-Ausgabe 11-12/2020)

Als Charlotte Schwagmeier die ersten Bälle druckvoll über das Netz drischt und sich ­dabei sicher auf der ­anderen Seite das Platzes bewegt, ohne zu zögern, ohne nach Anhaltspunkten für ihre Orientierung zu suchen, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Charlotte, von allen Lotty genannt, hat eine Sehkraft, die zwischen fünf und zehn Prozent liegt. Sie ist somit sehbehindert. Und doch kann die 20-Jährige Tennis spielen, wie jemand, der alles sieht. „Ich komme aus einer Tennis­familie, alle spielten: meine Eltern, meine ­Geschwister. Das wollte ich dann auch“, ­erzählt sie bei einer kurzen Pause am Netz.

Mit vier Jahren stand sie beim ostwestfälischen Löhner TC erstmals auf dem Platz und lernte Tennis wie jedes andere Kind. Seit zehn Jahren nimmt sie an Medenspielen teil, mittlerweile trainiert sie selbst kleine Kinder. Lotty wollte immer nur normal sein. So wird sie auch wahrgenommen – als Mädchen, das Tennis spielt, eine Regelschule besuchte und nun an der Uni Bielefeld Sport studiert.

Als Charlotte Schwagmeier aus ihrer Normalität ausbrach

Aus ihrer Normalität brach sie aus, als sie Blindentennis für sich entdeckte. Mit Behindertensport hatte sie eigentlich nie größere Berührungspunkte. Aber sie merkte schnell, dass sie im Blindentennis gegenüber ihren Gegnerinnen im Vorteil ist: „Ich komme vom normalen Tennis, meine Konkurrentinnen nicht. Die nehmen Blindentennis anders wahr als ich.“ Zweimal, 2017 und 2019, wurde sie Weltmeisterin in ihrer Sehklasse. „2018 konnte ich nicht, da musste ich mein Abi machen“, fügt sie fast entschuldigend hinzu.

Charlotte Schwagmeier Blindentennis

VORHANDTREFFER: Charlotte Schwagmeier, 20, spielt mit nur acht Prozent Sehkraft seit ihrem vierten Lebensjahr ­normales Tennis beim ­ostwestfälischen Löhner TC. Dort tritt sie für das ­Damenteam in der Kreisliga an.

Blindentennis ist eine junge Sportart, die Ende der 80er-Jahre in Japan entstand und erst vor vier Jahren ihren Weg nach Deutschland fand. Der Deutsche Tennis Bund (DTB) hat Blindentennis schnell als eigene Disziplin anerkannt. Mittlerweile gibt es acht Standorte, an denen sich Blindentennis-Trainingsgruppen regelmäßig treffen. Deutschlandweit zählt man zwischen 80 und 100 Blindentennisspieler, die man je nach Sehkraft in unterschiedliche Klassen einteilt (Details dazu am Ende des Textes weiter unten).

Lotty ist die bekannteste von ihnen. Sie sitzt jetzt im Clubhaus des Wilhelmshavener Tennis und Hockey-Clubs. In der benachbarten Tennishalle findet ein einwöchiger Blindentennis-Workshop für Spieler aus ganz Deutschland statt. Auf den drei Plätzen trainieren gerade die „Vollblinden“ aus der Klasse B1. So nennen sich jene Spieler, die gar nichts mehr sehen können.

Ein seltsames Rasseln erfüllt die Halle. Es stammt von den Schaumstoff-Bällen, die im Blindentennis verwendet werden und die bei jedem Kontakt mit dem Schläger oder dem Boden einen Laut von sich geben (auch dazu gibt es Details am Ende des Textes weiter unten). Blindentennisspieler können so den Ball lokalisieren. Zur Orientierung sind die Linien der verkleinerten Spielfelder auf dem Boden mit Kreppband abgeklebt. Die Spieler können sich daran mit Hilfe ihres Schlägers oder den Händen entlangtasten, wenn sie sich zurück zu ihrer Ausgangsposition bewegen. Vor jedem Ballwechsel ruft der Aufschläger „Ready?“. Der Returnspieler antwortet, wenn er so weit ist, mit „Yes!“. Dann erfolgt das letzte Kommando des Aufschlägers: „Play!“

Charlotte Schwagmeier Blindentennis

TIEF RUNTER FÜR DIE RÜCKHAND: Blindentennis spielt Schwagmeier seit vier Jahren. Seitdem wurde sie zweimal Weltmeisterin. Zuvor hatte sie nie viel mit Blindensport zu tun, weil sie sich in der Welt der Sehenden heimisch fühlt. Beim Blindentennis ist der Schläger kürzer und der Ball größer als im regulären Tennis.

„Ich stelle es mir unglaublich schwierig vor, als Vollblinder, der so zur Welt gekommen ist, Tennis zu lernen“, sagt Lotty, deren aktuelle Sehkraft mit acht Prozent dafür sorgt, dass sie zur Klasse B3 zählt. Es liegen nur wenige Prozentpunkte zwischen ihr und den Vollblinden – und doch trennen beide Welten. Während sich bei den B1-Spielern, die den Klingel-Ball dreimal aufkommen lassen dürfen, nur selten längere Ballwechsel entwickeln, sieht man in den Matches der B3-Klasse, wo nur zwei Aufpraller erlaubt sind, schon längere Rallys.

Charlotte Schwagmeier: Das Idol im deutschen Blindentennis

Lotty ist bei dem Workshop als Trainerin dabei und alle wollen mal mit ihr spielen. Für die meisten hier ist sie ein Vorbild, eine Inspirations­quelle. Nicht nur aufgrund ihrer WM-Erfolge. Sie ist vor allem deshalb ein Idol für Menschen mit einer Sehbehinderung, weil sie es geschafft hat, ein selbstbestimmtes und fast uneingeschränktes Leben zu führen. Normal eben.

Von Geburt an hat Lotty eine seltene genetische Fehlbildung der Augen. Die Regenbogenhaut, genannt „Iris“, die den farbigen Teil des Auges rund um die schwarze Pupille ausmacht, fehlt bei ihr. Man spricht von einer „Aniridie“. „Es besteht nicht die Gefahr, dass ich noch weniger sehen werde. Ich habe einen guten Verlauf, andere Menschen ohne Iris sehen noch schlechter“, erklärt sie. Seit fünf Jahren trägt sie eine Brille. Ihre Sehkraft wird durch diese nicht erhöht, „aber sie gibt mir eine gewisse Sicherheit“, sagt Lotty, die auch beim Tennis immer eine Brille trägt.

Sie kann alles lesen, auch wenn sie sich Bücher oder das Handy dann dicht vor die Augen halten muss. Manchmal liest sie sogar ihren Eltern etwas Kleingedrucktes vor, das diese nicht mehr ­genau entziffern können. Blindenschrift kann sie nicht: „Die habe ich nie gelernt, weil ich nie in dieser Blinden-Blase drin war.“

Eine wie Lotty gab es noch nie bei der Blindentennis-WM

Entsprechend fremd war ihr zu Beginn das Blindentennis. Gleichzeitig stellte sie durch ihr selbstsicheres Auftreten und ihr spielerisches Können die Offiziellen bei ihrer ersten WM-Teilnahme in Spanien vor ein kleines Rätsel. Eine wie Lotty hatten sie dort noch nie gesehen. Es kamen Zweifel auf, ob ihre Sehkraft wirklich so gering war – obwohl vor dem Turnier durch eingereichte Dokumente und Tests vor Ort eine gewissenhafte Klassifizierung stattfand. Als Lotty dann durch das Tableau fegte, wuchs die Skepsis. „Die wollten mir nicht glauben, dass ich in die B3-Klasse gehöre, weil andere B3-Spielerinnen viel ängstlicher und vorsichtiger unterwegs sind“, erzählt sie. Schließlich ließen sich die Ärzte dann aber doch überzeugen.

Blindentennis ist für Lotty ein Zusatzsport. Ihr Schwerpunkt ist richtiges Tennis. Ihr größter Erfolg bei den Sehenden? „Als ich in der Bezirksklasse ein Einzel gewann, das war schon toll“, antwortet Lotty. Aktuell spielt sie mit der Damenmannschaft vom Löhner TC in der Kreisliga. 2020 lief es dort für Lotty nicht so gut, sie verlor alle Partien. „Manchmal denke ich schon, dass ich mit etwas mehr Sehvermögen das eine oder andere Punktspiel gewonnen hätte. Im Blinden­tennis wird das relativiert, weil ich da unter Meinesgleichen bin. Aber ich selbst fühle mich mehr zu den Sehenden zugehörig und da ist es dann schon schwerer, meine Nachteile zu akzeptieren“, räumt sie nachdenklich ein.

Wie gravierend ihre Nachteile im ­regulären Tennis sind, erläutert sie so: „Ich sehe zwar die Gegnerin, die meisten Linien und das Netz, aber den Ball eigentlich nicht.“ Und dann schiebt sie einen Satz hinterher, der nachhallt: „Ich habe das Hören der ­Bälle gelernt.“ Das ­fehlende Sehen gleicht sie mit ihrem Hörsinn und ihrer Antizipationsfähigkeit aus. „Das ist voll drin bei mir, ein Automatismus. ­Sehende Tennisspieler können an der Art der Bewegung des Gegners erahnen, was für ein Schlag als nächster kommt. Ich kann es am Klang des Zuschlagens hören.“

Diese außergewöhnliche Fähigkeit hat sie sich in etlichen Trainingsstunden ­angeeignet. Marc-René Walter, ihr Trainer in Löhne seitdem sie mit dem Tennisspielen begonnen hat, kann sich noch gut an diese Einheiten erinnern. Walter war es, der die kleine Lotty als Vierjährige in eine Trainingsgruppe mit ausschließlich sehenden Kindern steckte. Laufspiele, Ballgewöhnung – das machte sie mit wie alle anderen auch. Als es aber darum ging, richtig Tennis zu spielen, musste sich Walter etwas einfallen lassen. „Lotty musste sich damals auf die Grundlinie setzen und zum Zaun gucken. Ich ging auf die andere Seite, kloppte von dort unterschiedliche Schläge in ihre Hälfte. Ihre Aufgabe bestand darin, den richtigen Schlag zu erhören“, erzählt Walter am Telefon. Lotty habe so gelernt, dass Schläge unterschiedlich klingen – je nach Drall, Tempo und Richtung.

Schwagmeier Blindentennis

VORZEIGEATHLETIN: Im Rahmen des Challenger-Turniers in Hamburg 2019 zeigte Schwagmeier zusammen mit ihrem Coach Marc-René Walter (im Vordergrund) ihre Tenniskünste.

Walter ist in Sachen Blindentennis mittler­weile eine Instanz, bildet Trainer darin aus und hat in Löhne einen der größten Blindentennis-Standorte in Deutschland aufgebaut. „Dabei hatte ich anfangs keine Ahnung. Ich wusste ja nicht mal, dass es explizit Blindentennis gibt. Lotty wuchs bei uns wie jedes andere Kind auf – nur dass wir immer wieder diese Hör-Übung einstreuten.“

Schwagmeiers große Stärke: ihr Tennis-IQ

Durch die langjährige Arbeit mit ihrem Trainer kann Lotty im richtigen Tennis viele Nachteile kompensieren. Ihre größte Stärke ist, dass sie Tennis als Sport begriffen hat. „Ihr Tennis-IQ ist extrem hoch. Da ist ein blindes Verständnis für Tennis, weil sie so früh so viel gelernt hat“, behauptet Walter. Klar ist aber auch: Je länger ein Ballwechsel dauert, desto schlechter stehen die Chancen, dass Lotty ihn gewinnt. Mit der Zeit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie den Ball nicht mehr richtig lokalisieren kann. „Deshalb ­haben wir ihr Spiel auf Aufschlag und Return ausgerichtet, damit sie die Ballwechsel kurz halten kann“, erklärt der Trainer.

Was Lotty in ihrem Tennis-Umfeld erlebt, ist die perfekte Inklusion, weil sie komplett in der Welt der Sehenden integriert ist. Viele Mitglieder in ihrem Club wussten gar nicht, dass sie sehbehindert ist. Doch die Wahrnehmung änderte sich, als sie zum ersten Mal Blindentennis-Weltmeisterin wurde. Lokale Zeitungen und Webportale berichteten über die damals 17-Jährige. In ihrer Heimat wusste nun jeder Bescheid. Jetzt war es in der Öffentlichkeit, was man ihr im alltäglichen Umgang nicht anmerkt: ihre Sehbehinderung. Ihr ­haftete plötzlich ein Stigma an. „Sie hat ihrem Umfeld damals vorgeworfen, eine Behinderte aus ihr gemacht zu haben“, weiß Trainer Marc-René Walter noch. Verständnisvoll ergänzt er: „Wir alle – auch Lotty – mussten zu dieser Zeit lernen, wie einzigartig sie in der Tenniswelt ist, weil sie für uns so total normal war.“

Lotty hat diesen Zwiespalt längst für sich aufgelöst. Sie weiß, wie wichtig sie vor ­allem für andere Blindentennisspieler ist. Von ­ihnen erfährt sie eine so große ­Akzeptanz, dass sie den Schritt ins Blindentennis kein bisschen mehr bereut. Im Gegenteil: Sie will ihre Rolle dafür nutzen, möglichst viele ­Blinde und Sehbehinderte für diesen Sport zu gewinnen.

Blindentennis in Deutschland: „eine spannende Community“

Das eint sie mit Niklas Höfken (27), der das Blindentennis in Deutschland eingeführt hat. Sein Traum ist es, dass irgendwann jeder mit eingeschränkter Sehkraft in einen Tennisclub in seiner Nähe gehen und dort blindentennis­gerecht trainieren kann. Das klingt wie eine ferne Illusion. Doch jeder, der ihn wie in ­Wilhelmshaven live auf einem Blindentennis-Workshop erlebt hat, wird von seiner positiven Energie förmlich angesteckt. Schon nach ein paar Minuten nimmt man ihm etwa ab, dass jeder gute Tennistrainer auch Blindentennis unterrichten kann: „Der Anspruch ­eines engagierten Trainers sollte es doch sein, jedem, der zu ihm kommt, Tennis beibringen zu wollen – also auch einem Blinden.“

Höfken, Absolvent der Deutschen Sporthochschule in Köln, ist der Herr der Inklusion im deutschen Tennis. Er ist DTB-Referent für Rollstuhltennis und Behindertensport ­sowie Koordinator des Programms „Tennis für Alle“ der Gold-Kraemer-Stiftung, die als gemeinnützige Stiftung unter anderem die sportliche Förderung geistig und körper­lich behinderter Menschen unterstützt. „Im Blindentennis erleben wir ­gerade, wie sich eine spannende Community ­immer ­stärker vernetzt und vergrößert“, sagt ­Höfken.
Er erzählt von blinden Tennisfans, die seit 30 Jahren jedes Grand Slam-Finale im TV ­hören. Die würden ihn dann fragen, was überhaupt ein Topspin sei, mit dem der ­Nadal in Paris immer alle platt macht. „Ich erkläre es ­ihnen und im besten Fall ­probieren sie es dann selbst mal aus.“

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TREFFEN IN WILHELMSHAVEN: tM-Redakteur Tim Böseler (li.) spielte und sprach mit „Lotty“ bei einem Blindentennis-Workshop.

Am Ende geht es ihm aber weniger um Topsin oder Slice, auch wenn er den Sehbehinderten ­natürlich ­Tennis beibringen will. „Viel wichtiger aber ist es, dass sie ihr Körpergefühl stärken und Mitglied einer Gemeinschaft werden. Sie treffen die anderen Spieler aus ihrer ­Trainingsgruppe und werden so zu einem Teil des Tenniswelt“, betont er.

Charlotte Schwagmeier hat in dieser Welt längst ihr zu Hause gefunden – egal, ob sie nun Tennis gegen Sehende oder gegen Sehbehinderte spielt.


Blindentennis im Selbstversuch: Wo ist denn der Ball?

Tennis spielen mit acht Prozent Sehkraft: tM-Redakteur Tim Böseler probierte es aus

Ich spitze die Ohren, konzentriere mich voll auf meinen Hörsinn und registriere das erste Aufkommen des Klingel-Balls. Ein Rasseln ertönt. Aber wie weit entfernt von mir? Da, ein zweites Rasseln. Jetzt müsste der Ball eigentlich in meiner Nähe sein. Ich hole aus für eine Vorhand – und schlage wieder daneben. Wo ist denn nur der Ball?

Ich wollte wie Lotty sehen und so Blindentennis spielen. Statt voller Sehkraft stehen mir nur etwa acht Prozent zur Verfügung. So will ich Lottys zugespielte Bälle zurückschlagen. Zuvor hat mir ihr Trainer eine Dunkelbrille aufs Gesicht gestülpt, die er an ein paar Stellen so bearbeitet hat, dass sie nun eine Sehkraft von unter zehn Prozent simuliert. Am Anfang erkenne ich – nichts. Mit der Zeit gewöhnen sich aber die Augen an die eingeschränkten Verhältnisse.

Ich nehme Lottys Umrisse auf der anderen Seite des Netzes wahr. Aber den Ball sehe ich nicht, keine Chance. „Du musst ihn hören“, ruft Lotty rüber. In meinen gut 40 Jahren auf dem Tennisplatz habe ich schon alles mögliche ausprobiert, aber diese Challenge überfordert mich. Nächster Versuch: wieder nichts. Ich höre nun noch genauer hin. Nach einem Dutzend zugespielter Bälle glaube ich, ein „Klangmuster“ lokalisiert zu haben. Und dann: ein Rahmentreffer. Immerhin. Schließlich erwische ich tatsächlich den Ball mit der Vorhand. Lotty lobt mich.

Danach haue ich aber wieder daneben. Pause. Ich nehme die Dunkelbrille ab. „Irre, wie schwer das ist“, stöhne ich. „Und dabei kannst du ja etwas sehen“, entgegnet Lotty. „Stell dir mal vor, du siehst gar nichts mehr.“ Auch das probiere ich aus und setze mir nun eine Dunkelbrille auf, die mich auf null Prozent Sehkraft runterdimmt. Nach wenigen Schritten habe ich die Orientierung verloren. Mit dem Schläger erfühle ich die T-Linie, platziere mich dort. Die Bälle rasseln auf mich zu und irgendwann lande ich einen Volltreffer. Es sollte der einzige als „Vollblinder“ an diesem Nachmittag bleiben.


Gut zu wissen, Teil 1: Die Blindentennis-Regeln

Eine Frage des Sehens – Blindentennisspieler werden nach ihrer Sehkraft klassifiziert

Im Blindentennis gibt es vier verschiedene Spielklassen (B1, B2, B3, B4), die sich an der bestmöglichen Sehschärfe der Spieler orientieren. Die Kriterien dazu hat der Internationale Blindentennis-Verband (IBTA) ausgearbeitet.

B1: weniger als 1 Prozent Sehstärke
B2: zwischen 1 und 4 Prozent Sehstärke
B3: zwischen 5 und 8 Prozent Sehstärke
B4: zwischen 9 und 10 Prozent Sehstärke

Spieler aus der Kategorie B1 gelten als vollblind, sie sehen also gar nichts mehr. Alle B1-Spieler müssen eine Dunkelbrille tragen, weil einige von ihnen noch grobe Schatten wahrnehmen. Die Dunkelbrille soll Wettbewerbsgleichheit herstellen. B1-Spieler dürfen den Ball bis zu dreimal springen lassen und spielen mit einem 23er Junior-Racket (Schlägerlange: ca. 58 cm). Sie nutzen das Kleinfeld mit einer Netzhöhe in der Mitte von 83 cm.

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DUELL IM DUNKELN: Vollblinde Spieler müssen ­Dunkelbrillen tragen, um mögliche Schatten- oder Lichtwahrnehmungen komplett ausschließen zu können.

Spieler aus den ­Kategorien B2 und B3 benutzen längere Jugendschläger (25er mit einer Länge von 63,5 cm) und spielen im ­sogenannten „Mid-Court“. Das heißt: Ihre Grundlinie befindet sich zwischen T-Linie und regulärer Grund­linie. Hier liegt die Netzhöhe in der Mitte bei 90 cm – also fast wie im normalen Tennis. B2-Spieler dürfen den Ball auch dreimal aufkommen lassen, B3-Spieler aber nur noch zweimal. Die B4-Klasse spielt ebenfalls im „Mid-Court“, darf den Ball aber nur noch einmal springen lassen. B4-Spieler können normale Erwachsenenschläger (Länge: ca. 68 cm) benutzen.


Gut zu wissen, Teil 2: Der Blindentennis-Ball

Klingelingeling – im Blindentennis macht der Ball die Musik. Das Besondere an ihm: Er besteht aus Schaumstoff, ist größer (Durchmesser: ca. 9 cm) als ein normaler Tennisball (ca. 6,5 cm) und er rasselt, wenn er geschlagen wird oder wenn er aufkommt. Dafür sind kleine Metallstäbe im Inneren des Balls verantwortlich. Aufgrund des Klingel-Balls wird Blindentennis auch „Soundtennis“ genannt. Blinden­tennisbälle gibt es in gelb und schwarz. Die Farbe ist bei Spielern mit Restsehstärke wichtig und wird je nach Beschaffenheit des Platzes ausgewählt.

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DEUTLICHER UNTERSCHIED: Blindentennisbälle (gelb oder schwarz) sind aus Schaumstoff und größer als reguläre Tennisbälle. In ihrem Inneren steckt ein hohler Kunststoffball, in dem sich Metallstäbe ­befinden.

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