Generali Open ATP, Tennis Herren 250 2024; Kitzbühel, 26.07.2024 Hendrik Jebens (GER, Deutschland) und Constantin Frantz

Pushen sich gegenseitig nach oben: Hendrik Jebens (li.) und Constantin Frantzen beim Turnier in Kitzbühel. Bild: IMAGO / Beautiful Sports

Doppelspezialisten Frantzen/Jebens: „Den Glücksfaktor klein halten“

Constantin Frantzen und Hendrik Jebens haben sich als zweitbestes deutsches Doppel im Profi-Circuit etabliert. Ein Gespräch über ihr erstes Jahr auf der großen Tour.

Der Video-Call startet mit einem Déjà-vu: Constantin Frantzen und Hendrik Jebens, die beiden deutschen Doppelspezialisten, sitzen an diesem Novembervormittag an dem gleichen Tisch, an dem sie auch vor gut einem Jahr Platz genommen hatten. Damals ging es um ihre beeindruckenden Erfolge als deutsches Doppel auf der Challenger-Tour. Dieses Mal dreht es sich um das „große Tennis“. Frantzen/Jebens sind mittlerweile auf der ATP-Tour angekommen und standen 2024 in zwei 250er-Endspielen (Kitzbühel, Hangzhou).

„Ja, wir sind wieder im gleichen Team-Hotel wie 2023“, bestätigt „Conni“ Frantzen und muss lachen. Frantzen/Jebens spielen nach dem Ende der regulären Saison wieder in der französischen Liga – für den TC Loon-Plage. 2023 wären sie fast französischer Mannschaftsmeister geworden, 2024 sorgen sie in der letzten Begegnung für den Klassenerhalt. Bevor das Team gemeinsam zu Mittag isst, nehmen sich Frantzen/Jebens eine gute Stunde Zeit für das Gespräch.

Wie blickt ihr auf eurer zweites gemeinsames Jahr auf der ATP-Tour zurück?
Jebens: Positiv! 2023 waren wir noch hauptsächlich auf der Challenger-Tour unterwegs. Erst zum Jahresende hin kamen wir auf die ATP-Tour. Insofern war 2024 vieles neu für uns. Wir konnten alle vier Grand Slam-Turniere und einige gut besetzte ATP-Events spielen. Unsere Gegner waren über die komplette Saison fast alle in den Top 100 platziert. Wir trafen auf viele Top-Duos – und haben sie auch öfter geschlagen. Am Ende haben wir uns in den Top 50 etabliert. Also: 2024 war vor allem lehrreich, aber auch erfolgreich für uns.

Zwischendurch hattet ihr aber auch Phasen, in denen ihr vier, fünf Matches in Folge verloren habt. Wie geht ihr als Doppel mit solchen Schwächeperioden um?
Jebens: Man muss solche Phasen einkalkulieren. Auch die Top-Teams auf der Tour gewinnen nicht ständig. Solche Ups und Downs gehören im Sport dazu. Wir ­hatten auch eine Serie mit sieben verlorenen Match-Tiebreaks hintereinander. Das ist natürlich extrem frustrierend. Aber wir sind immer drangeblieben. Zumal wir auch das Gefühl hatten, dass wir uns stets spielerisch weiterentwickeln.

Ihr spielt seit gut zwei Jahren konstant zusammen. Ist diese Beständigkeit ein Vorteil auf der Doppel-Tour?
Frantzen: Einige Top-Teams spielen auch schon länger zusammen. Insbesondere auf der Challenger-Tour und auch beim Übergang auf die große ATP-Tour ist es gegenüber vielen Zufallspaarungen aber ein Vorteil, wenn man mit jemandem spielt, der nicht nur spielerisch, sondern auch menschlich zu einem passt. Bei uns ist das zum Glück der Fall und das macht uns auch stark. Wir können uns blind vertrauen – etwa bei Lobs oder Bällen durch die Mitte.

Habt ihr dafür klare Absprachen?
Frantzen: Natürlich, das ist superwichtig. Wir haben an unserer Kommunikation im Sommer viel gearbeitet. In der Hinsicht sind wir im Vergleich zum Vorjahr noch professioneller geworden. Wir ­beschäftigen uns intensiv mit kleinen Details, die im Doppel aber eine Menge bewirken können. Daran arbeiten wir auch viel mit unseren Trainern.

Wer gehört alles zum Team bei euch?
Frantzen: Mein Coach Markus Wislsperger. Und unser gemeinsamer Athletiktrainer Christian Rauscher.
Jebens: Ich habe keinen festen Heimtrainer. Früher war ich fulltime in der Waske-Akademie, heute nicht mehr. Ich trainiere aber öfter noch bei Alexander Waske und er ist manchmal bei Turnieren dabei.

Wir haben in unseren vier Wimbledon-Matches nicht ein Break ­kassiert

Auf Rasen habt ihr 2024 eure größten Erfolge gefeiert. Warum?
Jebens: Unsere Aufschlagqualität kommt dort gut zur Geltung und wir hatten ­während der Rasensaison eine starke Phase: Halbfinale in Stuttgart und auf ­Mallorca, danach das Highlight mit dem ­Viertelfinale in Wimbledon. Wir haben in unseren vier Wimbledon-Matches nicht ein Break ­kassiert. Das war der Wahnsinn und kam noch nicht oft vor, wurde uns erzählt.

Frantzen/Jebens

„Wimbledon war der Wahninn!“ Ihren Saison-Höhepunkt erlebten Hendrik Jebens (li.) und Constantin Frantzen auf dem heiligen Rasen an den Church Road.Bild: IMAGO / Hasenkopf

In Stuttgart habt ihr die ­amtierenden Doppel-Weltmeister Krawietz/Pütz geschlagen. Wie war das für euch?
Frantzen: Das war verdammt cool für uns, klar. Wir hatten in dem Turnier eine Menge Druck, weil wir bis ins Halb­finale kommen mussten, um sicher ins Wimbledon-Hauptfeld einzuziehen. ­Deswegen war dieser Sieg auch eine große Erleichterung für uns.

War es auch eurer größter Sieg 2024?
Frantzen: Nicht unbedingt. In ­Wimbledon schlugen wir Bopanna/Ebden, die Australian Open-Champions. Und in Hamburg besiegten wir Peers/Ebden, die danach Olympiasieger wurden. Jetzt im Nach­hinein ist es aber etwas Besonderes, dass wir Kevin und Tim einmal bezwingen konnten. Unglaublich, dass die beiden nun die ATP-Finals gewannen. Das ist ein ­Riesending für Tennis-Deutschland. Und uns zeigt es gleichzeitig, dass wir ziemlich nah an den besten Teams der Welt dran sind.

Täuscht der Eindruck oder liegen die ­ersten 20 bis 25 besten Doppelteams nah zusammen? Es gibt kein Duo, das alles gewinnt wie früher die Bryan-Brüder.
Frantzen: Das können wir bestätigen. Ein Beispiel: Wir mussten in Basel in der Quali spielen und verloren das Quali-Finale im Match-Tiebreak gegen Murray/Peers. Und die gewannen schließlich das komplette Turnier. Auch bei den ATP-Finals war vieles von der Tagesform abhängig. Meistens entscheiden die „Deciding-Points“ beim No Ad und natürlich der Match-Tiebreak.

Wie hoch ist durch diese Regeln der Glücksfaktor im Doppel auf der Tour?
Jebens: Es geht darum, den Glücksfaktor so klein wie möglich zu halten. Heißt: Mit welchen Spielzügen haben wir ­prozentuell gesehen, die besten Chancen den Punkt zu gewinnen? Ein Beispiel: Der ­Aufschläger serviert volles Brett in den Körper des Gegners, der Netzspieler orientiert sich sofort zur Mitte, weil die Wahrscheinlichkeit am größten ist, dass kein scharfer Longline-Return zurückkommt. Wenn doch, dann muss es ein fantastischer Return ­gewesen sein, den man akzeptieren muss. Aber ­statistisch gesehen, gelingt den Gegnern so ein Schuss einmal in zehn Fällen.

Und wenn sie den ausgerechnet bei 8:8 im Match-Tiebreak treffen?
Jebens: Dann hat man eben mal Pech gehabt. Man kann eine Saison nicht nur auf einen Match-Tiebreak reduzieren. Die Statistiken zeigen, mit welchen ­Spielzügen wir auf Dauer erfolgreich sind, gerade in den engen Situationen. Und genau an der Stelle hilft es uns, dass wir so gut eingespielt sind. Jeder weiß dann, was er zu tun hat. Da ­greifen die Automatismen. ­Letztlich ist aber auch klar, dass man nicht jeden ­„Deciding-Point“ gewinnen kann – egal, wie gut man miteinander harmoniert.

Wenn man als Doppelspieler konstant in den Top 70 steht, dann lebt man ordentlich von den Preisgeldern

Ihr habt 2024 jeweils knapp 200.000 Dollar Preisgeld verdient. Könnt ihr jetzt behaupten, dass ihr vom Doppel gut leben könnt?
Frantzen: Ja, das können wir. Im Vergleich zu 2023 haben wir unser Preisgeld verdreifacht. Wir haben jetzt das Geld, um manchmal Trainer mit zu Turnieren zu nehmen, und können es in unsere Karriere investieren. Wenn man als Doppelspieler konstant unter den ersten 70 steht, dann lebt man ordentlich von den Preisgeldern. Der nächste Schritt für uns muss es nun sein, regelmäßig in die Masters-Felder zu kommen. Das sind neun große Chancen, um viele Ranglistenpunkte und gute Preisgelder zu holen. Aber wir sind jetzt erst einmal happy mit dem, was wir 2024 erreicht haben.

Du, Conni, bist im Sommer auch noch Deutscher Mannschaftsmeister mit dem TC Großhesselohe geworden – mit einer 7:0-Doppelbilanz, ganz ohne Hendrik.
Frantzen: Hendrik lief beim direkten Konkurrenten aus Essen auf. Ich habe in Großhesselohe mit drei unterschiedlichen Partnern gespielt, aber es lief immer gut.

Du sollst dort der Publikumsliebling gewesen sein.
Frantzen: Naja, ich komme aus der Region und kenne einige Leute in dem Club. Und ich war im ganzen Team der einzige Deutsche. Fast alle anderen deutschen Profis haben ja in Essen angeheuert … Aber im Ernst: Es herrschte bei den Heimspielen eine fantastische Stimmung dort und ich freue mich schon unheimlich auf die nächste Saison.

Wie wichtig ist die Bundesliga als Einnahmequelle für Doppelspieler?

Frantzen: Sehr wichtig. Aber zu den Beträgen darf ich nichts sagen.

 

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Ihr habt beim Spiel Großhesselohe gegen Essen sogar gegeneinander gespielt.
Frantzen: Das war ein sehr spezielles Match, weil Hendrik mit Alexander Erler gespielt hat, mit dem ich mir früher ein Zimmer im Internat geteilt habe. Insgesamt war es ein extrem spannendes Match. Hendrik und Alexander hatten schon Matchball, aber am Ende gewann ich mit meinem Partner Jozef Kovalik. Da war schon ein richtig gutes Level auf dem Platz, oder Hendrik?
Jebens: Ja, es war eine krasse Stimmung dort. Die komplette Clubterrasse war voll und es gab einige Highlight-Ballwechsel. Einer landete sogar im Instagram-Feed vom Tennis-Channel. Conni hat dann die Leute richtig heiß gemacht. So soll es doch laufen in der Bundesliga.

Lauft ihr 2025 zusammen in einem Bundesliga-Team auf?
Jebens: Das ist noch nicht final entschieden.

Ihr habt nun als Doppel die große weite Tenniswelt kennengelernt. Wo hat es euch besonders gut gefallen?
Jebens: Gleich zu Beginn der Saison waren wir in Hongkong, was mir unheimlich gut gefallen hat. Großartige Stadt. Das Turnier in Estoril war auch ein Highlight, herrliche Lage am Meer. Und dann natürlich die großen deutschen Turniere. Es war wunderbar, dort überall mal mitspielen zu dürfen.
Frantzen: Die Grand Slam-Turniere klammern wir an der Stelle mal aus, weil jedes für sich genommen unglaublich ist. Wenn man sich mit Ex-Profis unterhält, hört man oft den Satz: „Das Einzige, was ich noch vermisse, sind die Grand Slam-Turniere!“ Ich kann das jetzt, wo ich die Tour besser kennengelernt habe, schon nachvollziehen. Aber ich habe als Tour-Neuling auch Orte wie Hongkong gefeiert. Ich fand es auch spannend, in China zu spielen. Asien war mir bislang fremd, ich habe durch das Doppel nun erste Eindrücke dort sammeln können.

Frantzen/Jebens im Überblick:

Constantin Frantzen

26 Jahre, 1,93 Meter groß, lebt in Augsburg. Ging nach dem Abi zur Baylor University nach Texas, USA. Studierte BWL und machte seinen Master-Abschluss im Marketing. Konzentrierte sich 2022 voll aufs Doppel, erste Finalteilnahmen auf Challenger-Ebene. 6 Challenger-Titel (alle 2023), ATP-Finale in Metz (2023), Kitzbühel und Hangzhou (beide 2024). Doppelranking: 52. Verein 2024: TC Großhesselohe. Karrierepreisgeld: 275.300 US$. Hobby: Lesen.

Hendrik Jebens

29 Jahre, 1,96 Meter groß, lebt in Stuttgart. Studierte an der San Diego State University BWL, spielte dort Collegetennis und machte 2017 seinen Bachelor-Abschluss. Ende 2021 erste Doppelerfolge auf Challenger-Ebene. Danach Fokus aufs Doppel. 7 Challenger-Titel (alle 2023), ATP-Finale in Metz (2023), Kitzbühel und Hangzhou (beide 2024). Doppelranking: 52. Verein 2024: TC Essen-Bredeney. Karrierepreisgeld: 297.800 US$. Hobbys: Fitness, Vlogging.

Auf seiner Website https://hendrikjebens.com/ hält Hendrik Jebens eine Menge Tipps für ambitionierte Tennisspieler bereit. Es geht dabei vor allem um taktische Feinheiten und Fitnessübungen. Wer von einem Profi etwas lernen will, der seinen eigenen Weg in die erweiterte Weltspitze gegangen ist, sollte dort mal reinklicken!