Del Potro im Interview: „Nächstes Jahr greife ich die Spitze an!“
Am Wochenende wurde Juan Martin del Potro zu Argentinien Helden. Er führte sein Team zum ersten Davis Cup-Triumph überhaupt. Im Herbst trafen wir den „Turm aus Tandil“ zum Interview.
Ein Treffen mit dem „Comebacker“ des Jahres. Ja, so darf man Juan Martin del Potro bezeichnen – den Mann, der sich seit Anfang 2014 dreimal am linken Handgelenk operieren ließ, in zwei Jahren nur sechs Turniere bestritt und sich 2016 von Platz 1.045 in der Weltrangliste bis auf Position 66 zurückkämpfte. Der Spitzname „sanfter Riese“, so nennen viele den Argentinier, passt perfekt zum 1,98 Meter-Lulatsch. Sein Händedruck ist eher zart, der Blick aus seinen grünen Augen schüchtern, seine Stimme leise. Das Fazit am Ende des exakt zwölf Minuten dauernden Gesprächs: dieser Typ tut der Tour verdammt gut – und er ist wahnsinnig sympathisch!
Señor del Potro, wie häufig haben Sie in den letzten zweieinhalb Jahren darüber nachgedacht, Ihre Karriere zu beenden?
Um ehrlich zu sein: sehr oft! Vor meiner dritten Operation am linken Handgelenk, im Sommer 2015, war ich verdammt nah dran, alles hinzuschmeißen. Niemand konnte mir garantieren, dass ich eines Tages wieder auf dem Court stehen würde. Es funktionierte nichts, ich musste mich mehrfach anders behandeln lassen und war völlig frustriert. Es war die härteste Zeit meines Lebens. Am Ende habe ich nur weitergekämpft, weil meine Freunde und die Familie auf mich einredeten, dass es verrückt wäre, aufzugeben.
Die Fans freuen sich. Als Sie in New York gegen Stan Wawrinka spielten, wurden Sie minutenlang im Stadion gefeiert.
Es war ein großartiges Gefühl! Überhaupt: Dass ich nach drei Jahren wieder einmal bei den US Open starten konnte, dort, wo ich 2009 den größten Triumph meiner Karriere erlebte, bedeutet mir eine Menge. Als die Zuschauer im Stadion aufstanden, mir zujubelten und ich spürte, wie verrückt die Leute nach mir sind, hatte ich Tränen in den Augen. Aber wissen Sie, was mich besonders freut?
Erzählen Sie!
Es geht den Fans gar nicht nur darum, ob ich gewinne oder verliere. Sie wollen mich einfach spielen sehen. Als ich aus Rio in meine Heimat Tandil zurückkehrte, war der Empfang unglaublich. Nach meinem Titel bei den
US Open 2009 erlebte ich eine ähnliche Euphorie. Nur: Damals feierten die Menschen den Triumph. Diesmal ging es ihnen nicht um die Silbermedaille, sondern darum, dass ich die Rückkehr auf den Court geschafft hatte.
Sie leben noch immer in Ihrer Geburtsstadt – anders als die meisten Profis. Was macht Ihre Heimat Tandil so besonders?
Ich liebe diese Stadt. Ich habe immer darauf geachtet, nichts an meinem Privatleben zu verändern. Wenn ich in Tandil bin, sitze ich mit Freunden auf der Straße. Wir grillen im Park, treffen uns auf Bolzplätzen. Das sind die Momente, in denen ich meine Akkus wieder auflade, die Basis in meinem Leben, die mir Kraft gibt. Es ist wichtig, sich selbst treu zu bleiben und seine Wurzeln zu schätzen.
Sie haben Ihr Spiel verändert, agieren auf der Rückhand oft mit dem Slice. Eine Folge der drei Operationen am linken Handgelenk?
Ja, ich fühle mich im Match damit noch besser. Im Training ziehe ich die Rückhand schon wieder voll durch, so hart wie die Vorhand. Aber wenn man das Handgelenk so lange nicht richtig belastet hat, macht man sich Gedanken bei wichtigen Bällen. Der Slice gibt mir momentan noch mehr Sicherheit.
Aber er macht Sie auch angreifbar. Ist er Ihre größte Schwäche?
Manche sehen das so. Auf der anderen Seite: Ich spiele jetzt variabler als bisher. Ich streue häufiger Stoppbälle ein, rücke öfter ans Netz vor. Früher rechneten meine Gegner stets mit Gewaltschlägen von mir. Plötzlich agiere ich anders. Ich denke, dass mein neues Spiel auch für die anderen eine Umstellung ist. Meine Aufgabe wird es sein, die Variationen künftig nicht zu vernachlässigen. Und trotzdem freue ich mich, bald meine Rückhand wieder voll durchzuziehen. Ich brauche sie auf Dauer, um gegen die Großen zu bestehen.