Deutscher Hitting-Partner: Wie Novak Djokovic seinen Melbourne-Titel einfädelte
Als Novak Djokovic am Sonntag seinen siebten Australian Open-Titel gewann, hatte daran auch ein 18-jähriger deutscher Nachwuchsspieler einen kleinen Anteil: Mike Loccisano aus Duisburg.
Das Herrenfinale in Melbourne hatte gerade angefangen, da erkannte Mike Loccisano einige Spielzüge wieder, die er zuvor selbst in der Rod Laver Arena mit Novak Djokovic durchgespielt hatte. Loccisano ist Linkshänder, 1,94 Meter groß, kommt aus Duisburg und entwickelte sich während der Australian Open zu einem begehrten Hitting-Partner – vor allem für die Gegner von Rafael Nadal. Stefanos Tsitsipas, Lucas Pouille und schließlich Novak Djokovic: Sie alle buchten den aufschlagstarken Loccisano, um sich auf ihr Match gegen Linkshänder Nadal vorzubereiten.
Loccisano wärmte Djokovic unmittelbar vor dem Endspiel gegen Nadal 45 Minuten auf. Am Samstag, als das Damenfinale ausgetragen wurde, stand er mit der Nummer 1 der Welt sogar zwei Stunden auf dem Platz. Das Training fand in der Rod Laver-Arena statt. 8.000 Fans, die sich schon zum Showdown zwischen Naomi Osaka und Petra Kvitova in dem Stadion eingefunden hatten, schauten aufmerksam zu. Der beste Moment? „Als ich ein Ass serviere, Djokovic den Daumen hebt und mir die Fans zujubeln“, erinnert sich Loccisano sofort.
Immer wieder auf der Vorhand festnageln
Djokovic übte vor allem einen Spielzug immer wieder: Er nagelte Loccisano auf dessen Vorhandseite fest, mit der Präzision eines Uhrwerks. Die Rückhand spielte er nur dann an, wenn er davon ausgehen konnte, dass der Deutsche keine Zeit mehr hatte, um seine Rückhand zu umlaufen. Genau das ist einer von Nadals Lieblingsschlägen und eine oftmals tödliche Waffe: die Vorhand-Inside-Out aus der Rückhandecke.
Als nun das Finale lief, konnte Loccisano sehen, wie Djokovic eisern seinen zuvor mit ihm einstudierten Matchplan gegen Nadal durchzog – mit Erfolg. Er neutralisierte die gefürchtete Vorhand-Inside-Out größtenteils und gewann überraschend problemlos gegen seinen ewigen Widersacher. Der deutsche Nachwuchsspieler verfolgte das Geschehen von der Tribüne aus: Er hatte von Djokovic zwei Finaltickets geschenkt bekommen und saß unmittelbar hinter der Box des Serben.
„Es waren die schönsten Tage meines Lebens“, sagte Loccisano im Anschluss. Er habe soviel gelernt während der Trainingseinheiten mit den Größten der Branche. „Das Tempo und die Genauigkeit der Schläge von den Top-Profis ist unglaublich“, staunte er. Noch verblüffter war er allerdings vom Umgang mit den Stars: „Die sind alle unheimlich nett und kein bisschen arrogant.“
Mike Loccisano: „Wahnsinn, wie entspannt Novak war!“
Besonders angetan war er von Novak Djokovic, der mit ihm nach dem Training noch in der Kabine und im Gym über Gott und die Welt plauderte. „Wahnsinn, wie entspannt der vor so einem Riesen-Match war“, berichtet Loccisano. Beeindruckend auch: Wie vehement Djokovic seine Position direkt an der Grundlinie verteidigt. „Der Ball kommt sofort wieder zurück und du hast keine Zeit zum Atmen“, beschreibt Loccisano den präzisen Dauerbeschuss von Djokovic.
Aber wie wird man überhaupt Hitting-Partner der besten Spieler der Welt in Melbourne? „Das ist kein offizieller Job bei den Australian Open, vieles läuft über Kontakte und Empfehlungen“, weiß Vater Rocky Loccisano, gebürtiger Australier, der über ein großes Netzwerk im australischen Tennis verfügt und früher Coach von Pat Cash war. Das große Plus seines Sohns Mike: Er ist Linkshänder. „Davon gibt es nicht so viele“, erklärt der Vater. Mike Loccisano schlug einige Topspieler schon beim Show-Turnier vor den Australian Open in Kooyong warm und erntete dabei viel Lob. Das machte seinen Einstand beim ersten Major der Saison einfacher.
Dass Mike Loccisano derzeit nicht im ATP-Ranking steht und bisher „nur“ auf kleinen Future-Events erste Profi-Erfahrungen sammelt, ist dabei zweitrangig. Es geht nicht allein um die Spielstärke, sonder darum, dass ein Hitting-Partner die Bedürfnisse der Stars zu deren Zufriedenheit erfüllt. „Und das hat er gut hinbekommen, sonst wäre er nicht weiter empfohlen worden“, ist sich der Vater sicher.
Von Duisburg in die weite Tenniswelt
Lebensmittelpunkt der Familie Loccisano ist Duisburg. Vor 30 Jahren zog Vater Rocky der Liebe wegen mitten in den Ruhrpott. Seine vier Söhne sind alle tennisverrückt – positiv natürlich. Niclas, 25, ist Tenniscoach wie der Vater. Sie arbeiten gemeinsam im Deutschen Sportclub Düsseldorf. Benjamin, 21, spielt derzeit für ein US-College auf Hawaii. Mike, 18, hat 2018 sein Abi gemacht und will es nun zwei oder drei Jahre lang probieren, sich als Profi nach oben zu arbeiten. Und David, mit 14 Jahren der jüngste Spross, geht noch zur Schule, wurde aber schon Bezirksmeister. „Ich habe unheimlich viel Zeit mit den Jungs auf dem Court verbracht“, erzählt Rocky. „Und es hat sich gelohnt.“
Sohn Mike dürfte das ähnlich sehen. Nach seinen ersten Erfahrungen als Hitting-Partner brennt er noch mehr für seine angestrebte Profikarriere. Er war nie ein Überflieger oder herausragender Jugendspieler. Zu seinen besten Zeiten gehörte er in seiner Altersklasse zu den Top 20 in Deutschland. Vater Rocky sieht dennoch sein Potenzial: „Er ist ein Spätentwickler, der es noch weit bringen kann.“
Auch Novak Djokovic und Stefanos Tsitsipas haben ihn in seinem Glauben an sich selbst bestärkt. Und sie haben sich seine Nummer geben lassen. Für den Fall, dass sie demnächst in Europa wieder einen Linkshänder als Hitting-Partner brauchen.
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