Die 10 wichtigsten Fragen zur Davis Cup-Reform
Am morgigen Donnerstag wird über die große Davis Cup-Reform abgestimmt. David Haggerty, Präsident des Tennis-Weltverbandes, braucht für seine Pläne zwei Drittel der Stimmen. tennismagazin.de beantwortet die zehn wichtigsten Fragen zur Abstimmung.
1| Um was geht es eigentlich genau?
Um die Revolution des Davis Cups – nicht mehr und nicht weniger. Die Details: David Haggerty (61), ITF-Präsident, will den Traditionswettbewerb komplett umkrempeln. Herzstück seiner im Februar vorgestellten Davis Cup-Reformpläne ist eine Finalwoche am Ende der Saison an einem zentralen Ort mit 18 Teams. Gespielt werden dort pro Partie nur noch zwei Einzel und ein Doppel – jeweils mit zwei Gewinnsätzen.
Im April fügte er seiner Zukunftsvision eine Quali-Runde im Februar hinzu, bei der es noch Heim- und Auswärtsspiele und insgesamt fünf Matches mit ebenfalls zwei Gewinnsätzen (4 Einzel, 1 Doppel) pro Partie geben wird. Die zwölf Sieger dieser Runde dürfen dann an der Finalwoche teilnehmen (Details s. Grafik unten) und um 20 Millionen Dollar Preisgeld spielen. 2019 soll nach diesem Format bereits gespielt werden.
Um auf die 18 Teams für die Finalwoche zu kommen, qualifizieren sich die vier Halbfinalisten des Vorjahres automatisch; sie treten in der Qulai-Runde im Februar also gar nicht erst an. Außerdem werden zwei Nationen per Wildcard zu den Titelkämpfen von der ITF eingeladen.
2| Wie wird über die Pläne abgestimmt?
Während der jährlichen Generalversammlung des Tennis-Weltverbandes im Ritz Carlton-Hotel von Orlando (Florida) vom 13. bis 16. August findet die Abstimmung am letzten Tag statt – also am morgigen Donnerstag, den 16. August. Stimmberechtigt ist jede Nation, die dem ITF angeschlossen ist. Allerdings können nur jene nationalen Verbände abstimmen, die auch in Orlando vor Ort sind – und das sind nach aktuellem Stand 147. Die einzelnen Verbände haben unterschiedlich große Stimmenpakete.
Die vier Grand Slam-Nationen (USA, Frankreich, Australien, Großbritannien) und Deutschland verfügen mit zwölf Stimmen über den größten Einfluss. Danach folgen Länder mit neun Stimmen (z.B. Schweiz, Spanien), sieben Stimmen (z.B. Belgien) oder fünf Stimmen (z.B. Polen). Die kleinsten Staaten haben drei Stimmen (z.B. Finnland) oder sogar nur eine Stimme (z.B. Island) zur Verfügung. Jeder Verband kann nur mit seinen kompletten Stimmen für oder gegen die Reform votieren; sie dürfen also nicht aufgeteilt werden.
Die Abstimmung erfolgt geheim und elektronisch, das Endergebnis wird innerhalb weniger Sekunden angezeigt. Insgesamt wird damit gerechnet, dass am Wahltag 459 Stimmen abgegeben werden – je nachdem, wie viele Verbände tatsächlich anwesend sind. Da es sich bei der Abstimmung um eine Änderung der Davis Cup-Statuten handelt, bedarf die Reform einer Zweidrittelmehrheit seiner Mitglieder. Bei derzeit 459 zu vergebenen Stimmen würden somit 306 ausreichen, damit die Reform in Kraft tritt.
3| Welche Position vertritt der Deutsche Tennis Bund?
Er ist gegen die Reformpläne. „Der DTB sieht zwar einen gewissen Reformbedarf beim Davis Cup, spricht sich aber ganz klar gegen diese radikalen Pläne der ITF aus“, sagt DTB-Präsident Ulrich Klaus, der bei einem Treffen der europäischen Verbände im März in Budapest deutlich seine Bedenken vortrug. Spätestens seitdem ist der DTB eine Art „Oppositionsführer“ im Wahlkampf.
Was dem DTB besonders missfällt: der Wegfall von Heim- und Auswärtsspielen. „Sie sind wichtig, um als nationaler Verband seine Stars präsentieren zu können. Dabei geht es nicht ums Geld, sondern um das Event an sich“, erklärt Klaus, der sich von der nachträglich eingeführten Quali-Runde nicht umstimmen ließ. Bemängelt wird auch die Finanzierung des Konzepts.
Die ITF stellt die astronomische Summe von drei Milliarden Dollar – verteilt auf 25 Jahre – in Aussicht, liefert aber keine Details zur genauen Finanzierung. Feststeht nur: Die Investment-Gruppe Kosmos von Fußballstar Gerad Piqué und dem japanischen Milliardär Hiroshi Mikitani soll das Geld bringen. Wobei: Kosmos soll angeblich nur als Vermittler anderer Investoren agieren und kein eigenes Geld einbringen. „Ich bin bei der Finanzierung sehr skeptisch. Wir als DTB pochen darauf, dass der Tennis-Weltverband die finanziellen Mittel transparent macht. Aber das ist bislang nicht geschehen“, gibt Klaus zu bedenken.
4| Wie stehen die Chancen, dass die Davis Cup-Reform wirklich in Kraft tritt?
Es wird schwer für David Haggerty, dass seine Pläne die erforderliche Zweidrittelmehrheit bekommen, es ist aber nicht unrealistisch. In den vergangenen Monaten betrieb der ITF-Präsident Lobbyarbeit in eigener Sache und besuchte zahlreiche Länder, um sie auf seine Seite zu bringen. Zum Teil mit Erfolg. Alle nationalen Verbände in Mittel- und Südamerika signalisierten bereits ihre volle Zustimmung. Ebenso einige afrikanische Staaten. Auch Nordamerika will die Reform. Australien ist dagegen. Wie die asiatischen Verbände abstimmen werden, ist noch nicht endgültig klar. Allerdings sprach sich die Asiatische Tennis Federation, also der Zusammenschluss aller nationalen Tennisverbände Asiens, gegen die Reform aus und empfahl ihren Mitgliedsländern, gegen sie zu stimmen.
Letztlich wird es aber vor allem auf Europa ankommen, weil dort die meisten Stimmen zu holen sind – nämlich knapp 50 Prozent. Bislang ist klar: Frankreich, Spanien, Portugal, Türkei und die Schweiz werden für die Reform stimmen; einige osteuropäische Verbände und Russland dagegen – genauso wie Deutschland und wohl auch Italien. Großbritannien und Österreich sollen noch uneins über ihr Votum sein. Feststeht allerdings: Der AELTC, Ausrichter des Wimbledon-Turniers, unterstützt die Pläne Haggertys. Ob sich auch der englische Verband LTA dieser Marschroute anschließt, entscheidet sich womöglich erst am Tag der Wahl.
Apropos Wimbledon: Während des Turniers 2018 fanden dort täglich Meetings zu dem Thema hinter den Kulissen statt, beide Lager brachten sich in Stellung. Noch herrscht Zuversicht auf beiden Seiten. Haggerty selbst wird stets mit frischen Daten seiner Analysten über den aktuellen Stand der Mehrheitsverhältnisse informiert und gibt sich optimistisch.
Allerdings bringt ihn ein dubioser Vorgang rund um den französischen Präsidenten Bernard Giudicelli kurz vor der Wahl in Bedrängnis. Giudicelli, ein enger Vertrauter Haggertys und Vorsitzender des Davis Cup-Komitees, wurde im vergangenen September von einem französischen Gericht wegen Verleumdung zur Zahlung einer Geldstrafe von 10.000 Euro verurteilt. Hintergrund: Er hatte dem Ex-Profi und heutigen Turnierdirektor von Lyon, Gilles Moretton, unterstellt, unerlaubte Deals mit Roland Garros-Tickets getätigt zu haben.
Zwar überstand Giudicelli im Sommer eine Art Misstrauensvotum in seinem Verband, aber mittlerweile wurde seine Verurteilung durch einen Brief des Tennis Europe-Präsidenten Vladimir Dmitriev vielen ahnungslosen Funktionären bekannt, die nun dessen Absetzung aus dem ITF-Board fordern. Denn: Laut ITF-Statuten darf ein Board-Mitglied nicht strafrechtlich verurteilt worden sein; es darf sein Amt also nicht weiterführen. Verleumdung ist zwar in den meisten Staaten eine zivilrechtliches Vergehen, in Frankreich aber ist es eine Straftat.
Haggerty will nun eine Satzungsänderung in Orlando für seinen Verbündeten Giudicelli durchboxen, damit dieser weiter im Amt bleiben kann. Bis dahin allerdings hat der Franzose nicht mehr die vollwertigen Privilegien eines Board-Mitglieds, er besitzt etwa keine Stimm-Rechte mehr. Dass Frankreich am Donnerstag dennoch für die Pläne Haggertys stimmen wird, gilt aber als sicher. Haggerty selbst sagte jüngst der New York Times zum Fall Giudicelli: „Das Thema wurde aufgebauscht, um das Momentum für die Davis Cup-Reform zu stören.“
5| Welche Meinung haben die Profis?
Gerade die Topspieler wie Rafael Nadal, Novak Djokovic, Andy Murray und Roger Federer forderten in der Vergangenheit zum Teil vehement eine Änderung des Davis Cup-Formats. Ihr Kritikpunkt: Vier Wochen Davis Cup pro Jahr für die beiden Teams, die es bis ins Finale schaffen, sind zu viel. Die ITF will gerade ihnen mit der Reform entgegenkommen, weil sie dem „alten“ Davis Cup immer häufiger fern bleiben, der Traditionswettbewerb aber ohne ihre Teilnahme mehr und mehr an Bedeutung verliert.
Doch die „Big Names“ halten sich nun, da die Pläne auf dem Tisch liegen, auffällig zurück. Viel mehr als ein „das könnte so klappen“ (Nadal) oder „ich bin für das neue Format“ (Djokovic) war von ihnen nicht zu hören. Aber auch Reformgegner wie der Franzose Lucas Pouille äußern sich mittlerweile eher moderat und drohen nicht mehr mit einem Boykott.
Die Australier allerdings – Spieler, Ex-Profis, Trainer, Funktionäre – haben sich lautstark gegen die Reform in Stellung gebracht. „Der Wettbewerb, den sie vorschlagen, ist nicht der Davis Cup“, sagte etwa Australiens Davis-Cup-Kapitän Lleyton Hewitt. Und der legendäre Rod Laver forderte, es müsse sichergestellt werden, dass die „großartige Tradition des Davis Cups erhalten bleibt“.
Beitragsbild: Paul Zimmer