Dopingfall Simona Halep: Game Over für die Grand-Slam-Siegerin?
Simona Halep hofft auf eine Reduzierung ihre vierjährigen Dopingsperre. Sollte der CAS aber beim ursprünglichen Urteil bleiben, darf die Rumänin erst 2026 mit dann 35 Jahren wieder auf der WTA-Tour spielen. Warum die vorläufige Strafe für Halep so hart ausfällt.
(Der Text erschien zuerst in der tM-Printausgabe 11/2023 und wurde für die Online-Version optimiert!)
Den 29. August 2022 wird Simona Halep vermutlich nie mehr vergessen. Es war der erste Turniertag der US Open und Halep bekam es mit der Ukrainerin Daria Snigur zu tun, damals 20 Jahre alt und die Nummer 124 der Damen-Weltrangliste. Snigur hatte sich über die Qualifikation ins Hauptfeld gespielt. Für Halep, ehemalige Nummer eins der Welt und zweifache Grand Slam-Siegerin, sollte es ein lockerer Start ins letzte Majorturnier der Saison werden. Doch die Favoritin, an sieben gesetzt, verlor 2:6, 6:0, 4:6.
Es war eine sportliche Enttäuschung für die Rumänin, die im Vorfeld das WTA-1000er-Turnier in Kanada gewonnen hatte und dadurch gewisse Erwartungen auf einen möglichen Titelgewinn in Flushing Meadows geweckt hatte. Was diesen Tag aber wirklich verhängnisvoll für Halep machte, war eine Dopingprobe direkt nach dem Match. Vielleicht hat sie sich darüber gewundert, dass sie schon wieder getestet wurde, weil ihr letzter Dopingtest erst drei Tage zurücklag. Der Test vom 26. August war negativ, genauso wie alle anderen zuvor auch. Nur: Der Test vom 29. August war es nicht.
Mehr als ein Jahr später, am 12. September 2023, verkündete die International Tennis Integrity Agency (ITIA), dass Simona Halep für vier Jahre gesperrt wird. Es ist angesichts der Dauer der Sperre und der Prominenz der betroffenen Spielerin der aufsehenerregendste Dopingfall in der Tennisgeschichte. Er übertrifft selbst den Fall von Maria Sharapova, die 2016 für zwei Jahre gesperrt wurde, dagegen aber Einspruch erhob und letztlich 15 Monate nicht spielen durfte (s. Auflistung prominenter Dopingfälle im Tennis weiter unten). Außerdem geht es im Fall Halep um Blutdoping – und das gleich in doppelter Hinsicht. Das macht ihn besonders prekär.
Haleps Karriere in Zahlen
24 Turniersiege insgesamt
– 9 WTA-1000er-Titel
– 2 Grand Slam-Titel
(Paris 2018, Wimbledon 2019)
64 Wochen die Nummer 1
(Platz 12 der ewigen Bestliste)
2-mal die Nummer 1 zum Saisonende
(2017, 2018)
3-mal Lieblingsspielerin der WTA-Fans
(2017, 2018, 2019)
40 Millionen US-Dollar Preisgeld
Spielerinnen mit dem höchsten Karrierepreisgeld*
- Serena Williams 95 Mio. $
- Venus Williams 42,5 Mio. $
- Simona Halep 40 Mio. $
- Maria Sharapova 39 Mio. $
- Petra Kvitova 37 Mio. $
Zum einen wurde in dem positiven Dopingtest von den US Open 2022 die verbotene Substanz Roxadustat nachgewiesen, die in Medikamenten für Patienten mit Blutarmut vorkommt. Der Wirkstoff wird als „Blutdoping-Agent“ bezeichnet, was so viel heißt wie: Es hat eine ähnliche Wirkung wie das früher im Radrennsport weit verbreitete EPO, wird aber in Tablettenform verabreicht. Der Effekt: Roxadustat stimuliert künstlich die Produktion von Hämoglobin und roten Blutkörperchen, wodurch der Körper mehr Sauerstoff aufnehmen kann und dadurch ausdauernder wird.
Dopingfall Simona Halep: Mehr als 8.000 Seiten Dokumente
Zum anderen gab die ITIA im Mai 2023 bekannt, dass es zusätzlich noch Unregelmäßigkeiten in Haleps Biologischem Athletenpass geben würde, weswegen nun ein zweites Verfahren gegen die Rumänin angelaufen sei. Der Vorwurf, den die ITIA in ihrem Urteil vom 12. September 2023 zum Ausdruck bringt, lautet: Halep hätte vorsätzlich gedopt. Die ITIA hatte sogar eine Sperre von sechs Jahren angestrebt, rückte davon aber ab.
Die Summe all dieser Aspekte macht den Fall einzigartig. Aufgrund seiner immensen Tragweite dauerte es auch entsprechend lang, bis ein Urteil überhaupt gefällt wurde. Mehr als 8.000 Seiten Dokumente musste das Schiedsgericht einsehen und bewerten.
Halep selbst beteuert in beiden Verfahren gegen sie ihre Unschuld und ist vor den CAS, den internationalen Sportgerichtshof, gezogen. Anfang Februar fand ihre dreitägige Anhörung in Lausanne statt. Danach gab sie sich zuversichtlich: „Mein Vertrauen in die Stärke der Wahrheit bleibt intakt. Ich freue mich darauf, auf die Tennisplätze zurückzukehren.“ Erfahrungsgemäß ist mit einem finalen Urteil in dem Dopingfall Halep etwa Ende März zu rechnen.
Zurück in den Tennissommer 2022: Simona Halep befindet sich in einem Wandlungsprozess, der ihrer Karriere einen neuen Spin geben soll. Die Saison 2021 war nicht gut für sie gelaufen: Aufgrund von Wadenproblemen hatte sie die meisten Sommerturniere verpasst und dachte offenbar an ihr Karriereende. So zumindest erzählt sie es 2022 in einem Videointerview. Im September 2021 trennte sich dann von ihrem Langzeitcoach Darren Cahill. Ein Besuch in der Akademie von Patrick Mouratoglou in Nizza soll neue Ambitionen in ihr geweckt haben.
Halep und Mouratoglou: Dream-Team oder Problembeziehung?
Halep und Mouratoglou machen im April 2022 ihre Zusammenarbeit offiziell. In der Zwischenzeit wird bekannt, dass Halep sich von allen Betreuern aus ihrem alten Team getrennt hat. Sie setzt nun voll auf das Know-how und das Personal der Mouratoglou-Akademie. Beim Wimbledonturnier 2022 kommt sie dann bis ins Halbfinale – ein erster Erfolg.
Beim „Hardcourt-Swing“ in Nordamerika klagt sie über Atembeschwerden. In Washington muss sie deswegen in der zweiten Runde aufgeben. Sie entscheidet sich endgültig, sich nach den US Open an der Nase operieren zu lassen, um besser Luft zu bekommen. Es ist nun Anfang August 2022 und genau dieser Zeitraum spielt für ihren positiven Dopingbefund eine entscheidende Rolle.
Was damals aus der Sicht von Simona Halep geschah, lässt sich in der 126-seitigen Urteilsbegründung der ITIA nachlesen. Es ist passagenweise ein schwer verständliches Konvolut, das sich seitenlang mit juristischen Spitzfindigkeiten und forensischer Methodik beschäftigt.
Aber: Laut den Aussagen von Halep sollen im August 2022 Frédéric Lefebvre, Athletik-Cheftrainer bei Mouratoglou, und Candice Gohier, eine Physiotherapeutin der Mouratoglou-Akademie, in Absprache mit Coach Mouratoglou vorgeschlagen haben, dass sie, Halep, ihre Nahrungsergänzungsmittel wechseln sollte. Gohier besorgte daraufhin drei neue Präparate: ein Elektrolytgetränk, einen Recovery-Drink sowie ein Kollagen-Keto-MCT-Pulver, das schnell Energie liefert.
Halep nimmt das Keto MTC-Pulver im Vorfeld der US Open 2022 ab dem 23. bis zum 28. August täglich ein (nur am trainingsfreien 24. 8. nicht). Am 29. August fällt ihr Dopingtest positiv aus.
Die Sache mit dem Nahrungsergänzungsmittel
Dem Keto MTC-Pulver kommt eine zentrale Bedeutung in diesem Fall zu. Denn die Anwälte von Halep argumentieren, dass dieses Pulver verunreinigt gewesen sein muss – mit Roxadustat. Es ist die klassische Kontaminierungs-Verteidigungslinie, auf die Halep und ihr Team bauen. Was dabei problematisch ist: Halep hatte auf verschiedenen Formularen und auch bei Interviews mit dem unabhängigen ITIA-Gericht das Keto MTC-Pulver zunächst gar nicht angegeben oder erwähnt – selbst nach dem positiven Testergebnis nicht.
In dem Urteil steht, dass Halep in vorherigen Anhörungen nach eigener Aussage das neue Nahrungsergänzungsmittel schlicht „vergessen“ habe. Die ITIA kommentiert den Vorgang so: „Das war eindeutig nachlässig von ihr.“ Das komplette Verteidigungskonstrukt steht damit auf wackligen Füßen. Warum verschwieg sie die Einnahme eines neuen Nahrungsergänzungsmittel so lange, wenn es sie doch entlasten könnte?
Die Zweifel an der Argumentation des Halep-Lagers ließen sich nicht mehr aus dem Weg räumen, obwohl die zu Rate gezogenen Experten der Rumänin eine Menge Aufwand betrieben, um zu beweisen, dass das Keto MTC-Pulver kontaminiert war. Die französischen Toxikologen Pascal Kintz und Jean-Claude Alvarez führten mehrere Roxadustat-Vergleichsstudien durch und präsentierten die Ergebnisse von Haaranalysen.
Ein Beispiel: In der „Alvarez Control Study” vom Dezember 2022 nahm eine Freiwillige mit ähnlicher Statur wie Halep dasselbe Keto MTC-Pulver in der gleichen Dosierung ein. Tatsächlich fand sich in den Proben Roxadustat. Ein Indiz für die Kontaminierung des Pulvers? Womöglich.
Doch die ITIA hält fest, dass in Haleps Urin die Roxadustat-Konzentration „zwischen 46 und 85 Mal höher“ gewesen ist als bei der Vergleichsperson. Der amerikanische Doping-Experte Dr. Daniel Eichner, der auf Seiten der ITIA als Gutachter fungierte, erklärte, dass Halep die „900- bis 5.000-fache“ Menge des Nahrungsergänzungsmittels hätte nehmen müssen, um auf die Roxadustat-Konzentration in ihrem Urin zu kommen.
Das späte Schuldeingeständnis von Patrick Mouratoglou
Die Schlussfolgerung der ITIA: Die verbotene Substanz könne nur aus „einer anderen, nicht identifizierten Quelle“ stammen. Die Erklärung Haleps, dass das Roxadustat allein durch ein verunreinigtes Nahrungsergänzungsmittel in ihr Blut gekommen sein muss, schätzt die ITIA als „nicht realistisch möglich“ ein. Weil in Dopingverfahren die Beweislast umgekehrt ist und Halep darlegen muss, wie die verbotene Substanz in ihren Körper gelangte, dies aber nach Ansicht des Tribunals nicht schlüssig konnte, fällt die Strafe so strikt aus.
Ob das ziemlich spät erfolgte Schuldeingeständnis von Halep-Coach Patrick Mourtaglou an diesem Sachverhalt etwas ändern wird, ist unwahrscheinlich. Mourtaglou jedenfalls sagte im November 2023: „Ich fühle mich verantwortlich für das, was passiert ist, weil es mein Team ist. Wir haben ihr vorgeschlagen, Kollagen zu nehmen, und wir haben ihr das Kollagen besorgt. Dieses Kollagen war zufällig kontaminiert, das konnte man nicht wissen.“
Und schließlich schwenkt er voll auf die Halep-Linie, obwohl zu diesem Zeitpunkt längst feststand, dass die ITIA die Erklärung der Rumänin nicht akzeptierte: „Es hat mir die Augen geöffnet, dass jeder Sportler schon morgen kontaminiert sein kann, denn das passiert offenbar immer häufiger. Wir reden hier über extrem niedrige Mengen von etwas. Es hat keinerlei Auswirkungen, aber man hat zufällig etwas in seinem Körper, das dort nicht hingehört.“
Für Simona Halep kamen die Statements von Mouratoglou zu spät. „Ich hätte mir gewünscht, er hätte das ein wenig früher gesagt“, erklärte sie. „Es war schwierig für mich, weil ich meinen Teams und den Leuten, mit denen ich gearbeitet habe, immer vertraut habe. Ich hatte immer dieses Vertrauen. Und mein Vertrauen ist jetzt ein wenig erschüttert.“ Kurz nach ihrer CAS-Anhörung verklagte sie schließlich das kanadische Unternehmen Quantum Nutrition, das für die Produktion des vermeintlich kontaminierten Nahrungsergänzungsmittels verantwortlich ist, auf einen Schadensersatz in Höhe von zehn Millionen Dollar.
In der Klageschrift, die beim obersten Gerichtshof des Staates New York einging, heißt es unter anderem: Quantum Nutrition habe „nachlässig und fahrlässig“ gehandelt. Für „vergangene und zukünftige Schmerzen, Leiden und Demütigungen“ sowie für den „Verlust der Lebensfreude“, so begründen es Haleps Anwälte, soll ihre Klientin entschädigt werden.
Der Gründer von Quantum Nutrition, John Koveos, bestritt mögliche Produktionsfehler in einem Interview mit der kanadischen Tageszeitung The Globe and Mail bereits im Oktober 2023. Schon damals hatten Medienberichte das Unternehmen mit dem Dopingfall Halep in Verbindung gebracht. „Sie brauchen jemanden, dem sie die Schuld geben können“, behauptet Koveos.
Die verdächtigen Blutproben
Sein Unternehmen liefere Produkte an „Hunderte von Athleten“, darunter auch Olympioniken, und hätte eine „100-prozentig saubere Bilanz für alle Athleten, die regelmäßig getestet werden.“ Koveos beteuert, dass Halep „nicht die einzige Spielerin war, die dieses bestimmte Produkt an diesem bestimmten Tag“ bei den US Open 2022 verwendet hat. Er verriet aber keine anderen Namen.
Auch im zweiten Verfahren rund um ihren Biologischen Athletenpass (ABP) sprechen die Fakten eher gegen Halep. Ausschlaggebend sind Blutproben, die 2022 bei ihr entnommen wurden, unter anderem am 22. September 2022. „Probe 48“ (die im ABP hinterlegten Proben werden einfach durchnummeriert) stufte Doping-Fachmann Jakob Mørkeberg aus Dänemark als „verdächtig“ ein. Dabei war ihm nicht bekannt, um welchen Athleten es sich handelte.
Was genau ist der Biologische Athletenpass (ABP)?
Oft wird dieses elektronische Dokument einfach nur „Blutpass“ genannt. Doch im Biologischen Athletenpass (ABP) werden alle relevanten Daten von Urin- und Blutproben bei Trainings- und Wettkampfkontrollen zusammengeführt. Anhand der Werte können Experten im zeitlichen Verlauf erkennen, dass eventuell eine Manipulation vorliegt – insbesondere im Bereich „Blutdoping“. Die Sportverbände haben Grenzwerte für bestimmte Blutparameter eingeführt, um den Missbrauch von EPO und anderen EPO-analogen Präparaten, die zur Verbesserung des Sauerstofftransports dienen, zu bekämpfen. Seit 2009 können Verlaufskontrollen von Blutwerten auch als Dopingnachweis verwendet werden. Der Tennis-Weltverband führte den Biologischen Athletenpass 2013 ein, nachdem ihn unter anderem Roger Federer und Andy Murray vehement gefordert hatten.
Die ABP-Daten sind anonymisiert, wenn sie von Experten eingesehen werden. Mørkeberg sah sich auch die nächsten Proben an, die alle noch 2022 entnommen wurden. Sein Urteil: „Wahrscheinlich Doping“. Zu dem gleichen Schluss kamen zwei weitere Experten, die von der ITIA hinzugezogen wurden.
Am 12. Januar 2023 wurde dem Trio mitgeteilt, dass bei dem Athleten eine Dopingkontrolle positiv ausfiel. Auch die entdeckte Substanz, Roxadustat, wurde erwähnt. Jetzt dürfte den Experten klar gewesen sein, um wen es sich handelte: Simona Halep. Bis zum 3. März 2023 wurde Halep fünfmal im laufenden Jahr zum Bluttest gebeten. Jeden neuen Datensatz interpretierten die Fachleute als „wahrscheinlich Doping“. Am 23. Juni kam das Experten-Gremium zu dem Schluss, dass „die hämatologischen Anomalien mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine unerlaubte Blutmanipulation zurückzuführen sind“.
ITIA sieht „starke Verdachtsmomente“
Konkret heißt das: Entweder eine verbotene Substanz oder eine verbotene Methode muss zum Einsatz gekommen sein. Die ITIA folgte dieser Argumentation und sieht darüber hinaus auch „starke Verdachtsmomente“ dafür, dass Halep beim Wimbledonturnier 2022 Blutdoping betrieben hätte. Weil aber keine Bluttests zwischen April und September 2022 bei Halep durchgeführt wurden, sieht das Schiedsgericht diesen Vorwurf als „nicht zufriedenstellend belegt“ an. Deswegen forderte es nicht die Höchstsperre für Blutdoping über vier Jahre, die laut der weltweiten Anti-Doping-Bestimmungen gelten, sondern „nur“ eine Sperre von zwei Jahren.
Haleps Anwälte und Experten stuften die ABP-Daten indes anders ein. Sie würden sich im „normalen Rahmen“ bewegen und wären nicht weiter „auffällig“. Es gäbe zwar gewisse Abweichungen, die aber nicht die Grenzwerte überschritten hätten. Ein Grund dafür soll Haleps Nasen-OP im September 2022 gewesen sein, bei der sie Blut verloren haben soll.
Allerdings kreuzte Halep im Dopingkontrollformular beim Bluttest vom 22. September 2022 bei der Frage, ob sie Blut in den zurückliegenden drei Monaten verloren hätte, die Antwortmöglichkeit „Nein“ an. Ein zweiter Grund, der angeführt wurde: Weil Halep nach ihrer Nasen-OP eine Trainingspause bis zum 7. November 2022 eingelegt hatte, hätten sich ihre Blutparameter verändert. Für das Schiedsgericht waren die angegebenen Gründe „keine Faktoren, die die Werte in den ABP-Blutproben des Athleten signifikant beeinflussen“.
„Im Tennis braucht man keinen Sauerstoff“
Weil es in beiden Verfahren gegen Halep (positiver Dopingtest, höchst verdächtige ABP-Daten) um Blutdoping geht, dessen Ziel darin besteht, den Körper aufnahmefähiger für Sauerstoff zu machen, argumentierte der Halep-Vertraute Jean-Claude Alvarez schließlich mit der Brechstange. Alvarez behauptete nämlich: „Im Tennis braucht man keinen Sauerstoff.“ Ein Totschlagargument – frei nach dem Motto: Der immense Aufwand der Verfahren gegen seine Klientin sei eigentlich überflüssig.
Aus dem Halep-Lager ist zu hören, dass angeblich zwei der drei Experten, die mit der Analyse der ABP-Daten betraut waren, erst dann die fraglichen Werte als „wahrscheinlich Doping“ einstuften, als sie von der Identität des Athleten erfuhren. Sollte das stimmen, wäre es Korruption. Allerdings ist es schwer vorstellbar, dass hochdekorierte Wissenschaftler ihren Ruf aufs Spiel setzen, um einer Tennisspielerin die Karriere zu ruinieren.
Wie geht es nun weiter? Momentan ist Halep noch bis zum 6. Oktober 2026 gesperrt. Natürlich könnte der CAS ihre Sperre verkürzen, was er in der Vergangenheit auch bei einigen in Dopingverfahren involvierten Tennisprofis tat. 2021 war beispielsweise Dayana Yastremska erfolgreich mit ihrem Einspruch beim CAS und ihre vorläufige Suspendierung durch die ITF wurde aufgehoben.
Wie funktioniert der Internationale Sportsgerichthof (CAS)?
Der Internationale Sportsgerichthof, im Englischen „Court of Arbitration for Sport“ (abgekürzt CAS), mit Sitz in Lausanne (Schweiz) ist ein unabhängiges Schiedsgericht. Es fungiert als letzte Instanz für alle Sportverbände und Nationalen Olympischen Komitees bei Streitfragen zum Sportrecht. Insbesondere Urteile von Dopingverfahren landen oft vor dem CAS. Etwa 300 Richter aus 87 Nationen entscheiden am CAS. Bei den Verfahren sucht sich jede Partei (also der Sportler und der Sportverband) einen Richter aus dem bestehenden Pool aus. Die beiden Auserwählten bestimmen dann den dritten Richter, der als Vorsitzender das Tribunal leitet.
Wann das CAS-Urteil im Fall von Halep feststeht, ist ungewiss. „Die Parteien wurden davon in Kenntnis gesetzt, dass das mit der Angelegenheit befasste CAS-Panel nun beraten und den Schiedsspruch mit seiner Entscheidung und Begründung vorbereiten wird. Es wurde kein bestimmtes Datum für die Bekanntgabe der endgültigen Entscheidung genannt“, heißt es in einer Pressemitteilung vom 9. Februar, die der CAS nach der dreitägigen Anhörung von Simona Halep veröffentlichte.
Bleibt die Sperre bestehen, wäre Halep bei ihrer Rückkehr 35 Jahre alt. In den Top 100 der WTA-Tour gibt es momentan (Stand: 1. März 2025) drei Spielerinnen in dieser „Altersklasse“: Tatjana Maria, Laura Siegemund und Sara Errani. Halep aber gibt sich kämpferisch: „Ich werde nicht nachgeben. Ich kann es kaum erwarten, meinen Namen reinzuwaschen und wieder auf den Platz zu kommen.“
An den 29. August 2022 will sie sich irgendwann nicht mehr erinnern müssen.
EDIT: Am 5. März 2024 hat der CAS die Dopingsperre von Simona Halep von vier Jahren auf neun Monate reduziert. Weil Halep diese Strafe bereits verbüßt hatte, durfte sie umgehend wieder Profitennis spielen. Sie trat Mitte März in Miami an und verlor dort in der ersten Runde gegen Paula Badosa.
Koks & Co – die prominentesten Dopingfälle im Tennissport
1995
Mats Wilander und der Tscheche Karel Novacek werden bei den French Open positiv auf Kokain getestet. Jeweils drei Monate Sperre.
1997
Andre Agassi gibt 2009 in seiner Biografie „Open“ zu, 1997 Crystal Meth (Methamphetamin) genommen zu haben. Nach einem positiven Dopingtest lügt er die ATP an, die Spielerorganisation entscheidet sich gegen eine Sperre.
1998
Der Tscheche Petr Korda wird in Wimbledon positiv auf Nandrolon getestet und später für ein Jahr gesperrt.
2001-2005
Die Argentinier Juan Ignacio Chela, Guillermo Coria, Guillermo Cañas und Mariano Puerta werden wegen verschiedener Vergehen gesperrt.
2003
Bei Greg Rusedski wird Nandrolon gefunden. Grund sollen verunreinigte Lebensmittel gewesen sein. Freispruch.
2005
Sesil Karatantcheva aus Bulgarien wird für zwei Jahre gesperrt. Sie wurde während der French Open positiv auf das Dopingmittel Nandrolon getestet.
2007
In Wimbledon wird die frühere Nummer eins Martina Hingis positiv auf Kokain getestet und für zwei Jahre gesperrt.
2009
Nach einem positiven Kokainbefund wird der Franzose Richard Gasquet für zweieinhalb Monate suspendiert.
2009
Yanina Wickmayer und Xavier Malisse aus Belgien werden wegen Verstößen gegen die Meldeauflagen der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA für ein Jahr gesperrt. Einen Monat später werden die Sperren aufgehoben.
2012
Bei der Tschechin Barbora Strycova wird die verbotene Substanz Sibutramin gefunden. Ein halbes Jahr Sperre.
2013
In München wird der Kroate Marin Cilic positiv auf das Stimulansmittel Nikethamid getestet. Neun Monate Sperre, der CAS reduziert später auf vier Monate.
2013
Viktor Troicki verweigert einen Bluttest. Der Serbe soll zunächst für 18 Monate nicht spielen dürfen, der CAS verringert die Sperre auf zwölf Monate.
2015
Wegen mehrfacher Dopingvergehen wird US-Profi Wayne Odesnik für 15 Jahre gesperrt.
2016
Die fünfmalige Grand Slam-Siegerin Maria Sharapova wird positiv auf die verbotene Substanz Meldonium getestet. Sie wird erst für zwei Jahre gesperrt, erhebt dagegen aber Einspruch und der CAS reduziert die Sperre auf 15 Monate. Comeback im April 2017 in Stuttgart.
2017
Sara Errani, Finalistin von Roland Garros 2012, wird positiv auf Letrozol getestet und von der ITF für zwei Monate gesperrt. Man glaubte der Italienerin ihre Begründung, dass sie versehentlich mit einem Brustkrebsmedikament ihrer Mutter kontaminierte Pasta gegessen hatte. 2018 revidiert der CAS das Urteil: zehn Monate Sperre.
2017
Zwölf Monate Sperre für Daniel Evans wegen Kokain-Konsums.
2017
Thomaz Bellucci wird positiv auf ein verbotenes Diuretikum getestet – fünf Monate Sperre.
2019
Bei Beatriz Haddad Maia werden zwei Anabolika nachgewiesen – zehn Monate Sperre.
2019
Abigail Spears, Doppelspezialistin aus der USA, wird bei den US Open positiv auf Testosteron und Prasteron getestet – 22 Monate Sperre.
2019
Nicolas Jarry wird im November positiv auf die Substanzen Ligandrol und Stanozol getestet – elf Monate Spielverbot.
2020
Bei Robert Farah, zweimaliger Grand Slam-Sieger im Doppel, wird Boldenon, ein in der Bodybuildingszene gängiges Steroid, im Blut gefunden. Farah kann aber glaubhaft versichern, dass die Substanz durch den Konsum von Fleisch in seinen Körper gelangt war und kommt straffrei davon.
2020
Dayana Yastremska aus der Ukraine wird positiv auf Mesterolon getestet und vorläufig gesperrt. Nach sechs Monaten aber kasssiert der CAS ihre Suspendierung. Begründung: Die nachgewiesene Substanz sei ohne Yastremkas Verschulden und unwissentlich in ihren Körper gelangt.
2022
Simona Halep wird positiv auf Roxadustat getestet und weist Unregelmäßigkeiten im Blutpass auf – vier Jahre Sperre.
2022
Wegen mehrerer positiver Dopingtests wird Kamil Majcharzak aus Polen für 13 Monate gesperrt.
2022
Weil er vergessen hatte, eine Ausnahmegenehmigung für sein ADHS-Medikament zu verlängern, wird Fernando Verdasco für zwei Monate gesperrt. Der Wirkstoff Methylphenidat seines Präparats wurde bei ihm in einem Dopingtest gefunden. Die ITIA teilt mit, dass Verdasco nie die Absicht hatte zu betrügen.
2023
Jenson Brooksby verstößt gegen die Meldeauflagen („whereabouts“) der WADA und verpasst drei Dopingtest innerhalb von 18 Monaten – vorläufige Sperre.
2023
Auch Mikael Ymer wird dreimal in 18 Monaten nicht von den Dopingkontrolleuren dort angetroffen, wo er sich angeblich befinden sollte – 18 Monate Sperre. Der Schwede beendet daraufhin seine Profikarriere im Alter von 24 Jahren.