Ein Tag mit Dominik Koepfer
Meistens bekommt man nur mit, was ein Spieler auf dem Platz abliefert. Welche Arbeit aber hinter der Leistung steckt, weiß kaum einer. tennis MAGAZIN hat Dominik Koepfer in Hamburg einen Tag begleitet und war angetan von seinem Pensum.
Erschienen in Ausgabe 09/2021.
Puh, es ist echt heiß“, sagt Dominik Koepfer, nachdem er die ersten Bälle auf Court Nummer vier am Hamburger Rothenbaum geschlagen hat. Eigentlich war für die Turnierwoche der Hamburg European Open Regen gemeldet. Mit 26 Grad und schwüler Hitze hatte der 27-Jährige deshalb nicht gerechnet.
Dominik Koepfer: Von Wimbledon über Mannheim nach Hamburg
Eine Woche zuvor spielte Koepfer noch im verregneten London. Die Zeit zwischen Wimbledon und Hamburg verbrachte er dann in Mannheim, wo er für den TK Grün-Weiß in der Bundesliga spielte. Erst am Sonntagabend um 23 Uhr, einen Tag vor Turnierbeginn am Rothenbaum, kam er mit Kumpel Constantin Schmitz in der Hansestadt an. Nach knapp fünf Stunden Autofahrt waren beide froh, als sie gegen Mitternacht endlich im Bett lagen. Aber an Ausschlafen war nicht zu denken, denn um Punkt fünf Uhr klopften die Doping-Kontrolleure an die Tür von Koepfer. „Danach konnte ich dann nicht mehr schlafen“, erzählt er im Gespräch mit tennis MAGAZIN.
Normalerweise steht Koepfer nicht so früh auf, denn Schlaf ist ihm sehr wichtig.Wie sich sein Tag gliedert, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Ist Turnier- oder Trainingswoche? Spielfrei oder Match-Day? Und vor allem: Wann steht das nächste Match an?
tennis MAGAZIN hat Dominik Koepfer begleitet und weiß jetzt, wie sich der 27-Jährige seine Zeit einteilt.
23:00 Uhr
Als der Bundesliga-Spieltag in Mannheim beendet ist, macht sich Koepfer mit Kumpel Constantin Schmitz auf den Weg nach Hamburg. Nach fünf Stunden Autofahrt erreichen sie spät abends das Hotel Grand Elysee in der Rothenbaumchaussee. Sie checken ein, räumen das Auto leer und gehen in ihre Hotelzimmer. „Im Stress haben wir vergessen, das Auto abzuschließen. Es stand die ganze Nacht offen“, erzählen beide am nächsten Tag lachend. Geklaut wurde aber nichts.
24:00 Uhr
Schlafenszeit. „Normalerweise brauche ich immer acht bis neun Stunden Schlaf“, sagt Koepfer.
5:00 Uhr
Ungebetener Gast: Morgens um fünf Uhr klopfen die Dopingkontrolleure an der Tür. Besonders nach der Einreise nach Deutschland stehen häufig Kontrollen an. Weiterschlafen kann der 27-Jährige dann nicht mehr, stattdessen greift er zu seinem Buch „Atomic Habits“ von US-Autor James Clear.
8:30 Uhr
Im Hotel trifft sich Koepfer mit Kumpel Constantin zum Frühstücken. „Da habe ich richtig reingehauen“, sagt er schmunzelnd. Es gibt Müsli, Haferflocken, Rührei und Brot.
9:00 Uhr
Trotz Impfung müssen die Spieler sich -einmal am Tag einem Corona-Test unter-ziehen. Am ersten Tag muss noch ein PCR-Test gemacht werden, an den folgenden Tagen reicht auch ein Schnelltest. Getestet werden sie im Hotel.
Koepfer: „Ich musste in den Beinen stärker werden“
10:00 Uhr
Per Shuttlerservice fährt Koepfer den kurzen Weg auf die Anlage am Rothenbaum. Bereits am Vorabend hatte er einen Trainingsplatz für elf Uhr reserviert. Bevor er allerdings den Schläger in die Hand nimmt, steht ein kurzes Warm-up im Gym auf dem Programm: 15 Minuten Fahrradfahren und ein paar Mobilisierungs- und Dehnübungen. „Vor dem Training soll man sich nicht so extrem dehnen. Da mache ich eher ein paar Kraftübungen, ein bisschen Bauch, Rücken und kleine Dehnübungen mit Bändern“, so Koepfer. Während einer Turnierwoche rückt Krafttraining eher in den Hintergrund. In spielfreien Wochen trainiert er bis zu viermal wöchentlich im Kraftraum. „Das Training ist dann hauptsächlich dynamisch, tennisspezifisch und mit wenigen Gewichten“, erklärt er. Zuletzt lag der Fokus hier auf den Beinen. „Bei den großen Turnieren mit Best-of-Five-Matches sind alle gleich fit. Mir hatte es noch ein bisschen daran gefehlt, dass ich in jedem Match gleich spielen konnte, deshalb musste ich in den Beinen stärker werden“, erklärt Koepfer. In Trainingswochen stehen zusätzlich noch Fitnesstraining mit Ausdauer-Einheiten sowie Intervall-Übungen auf dem Programm.
11:00 Uhr
Ab auf den Tennisplatz. Die Trainingsplätze am Rothenbaum liegen zwar mit direktem Blick auf das Stadion. Aber wie schon im vergangenen Jahr sind sie komplett abgeschirmt. Hinter dunklen Banden können die Spieler in Ruhe trainieren. Ziel des Trainings ist es, sich an die Plätze und Bälle zu gewöhnen. „Die Bälle sind andere, als die, die ich vergangene Woche in der Bundesliga gespielt habe. Wichtig ist jetzt erst mal, im Schlag zu bleiben“, sagt Koepfer.
Deshalb spielt er mit Freund Constantin zunächst lockere Bälle von der Grundlinie. Erst nach knapp zehn Minuten erhöhen beide das Tempo, die Beinarbeit wird beständiger. Vorhand, Rückhand, longline, cross – alles ist mit dabei. Kommt ein Ball zu kurz, geht Koepfer auf einen Gewinnschlag. Dann gibt er kurze Anweisungen an seinen Spielpartner: „Seiten tauschen“, „vor ans Netz“, „hohe Bälle“. Er übt auch Volleys, Überkopfbälle, Aufschläge und Returns. Beim Aufschlagen gibt Koepfer kurz an, wohin er serviert. Beim Returnieren weist er Constantin an, wohin der Schlag gehen soll: „Auf den Körper“, „durch die Mitte“, „jetzt einen zweiten Aufschlag“, schallen seine Kommandos über den Platz.
Nach knapp 45 Minuten sagt er schließlich: „So, reicht jetzt.“ Nachdem beide Spieler ihre Platzseiten abgezogen haben, muss Koepfer noch für ein kurzes Fotoshooting herhalten. Dann verlassen beide den Trainingsplatz.
11:50 Uhr
Auf dem Weg zurück zum Players-Bereich legt Koepfer einen kurzen Stop beim Bespanner ein und gibt zwei Schläger ab, die er am nächsten Tag abholen kann.
Koepfer: „Ich muss relativ viel rennen. In der Hinsicht bin ich nicht schlechter als andere Spieler.“
12:00 Uhr
Aber das Training ist noch nicht beendet. Als nächstes geht er wieder für 30 Minuten aufs Bike zum Cool-Down. Cardio-Training ist für Koepfer sehr wichtig. „Ich bin ja nicht so der Aufschläger, weil ich für einen Tennis-spieler relativ klein bin. Deshalb muss ich viel rennen“, beschreibt er seinen Spielstil. „Ich habe nie das Gefühl, dass ich in der Hinsicht schlechter bin als andere Spieler – es sei denn, ich spiele gegen Djokovic“, fügt er grinsend hinzu. Abschließend dehnt er sich. „Dehnen macht mir eigentlich gar keinen Spaß, genauso wie Cardio. Aber es muss sein, es gehört dazu, um Verletzungen vorzubeugen.“
12:30 Uhr
Ab unter die Dusche.
13 Uhr
Zeit für ein paar Medientermine.
14:30 Uhr
Mittagessen gibt es auf der Anlage am Rothenbaum. „Ich versuche, so gesund wie möglich zu essen, folge aber keiner bestimmten Diät“, sagt Koepfer. „Klar, ich verzichte während der Turniere auf Süßigkeiten, Cola, Spezi oder so. Wenn ich jetzt was Süßes essen würde, würde ich vermutlich nicht direkt eine negative Veränderung merken. Aber ab einem bestimmten Spiel-level kommt es eben auf Kleinigkeiten an“, erklärt er.
Was letztendlich auf den Teller kommt, richtet sich einerseits nach dem Angebot des jeweiligen Turniers, andererseits aber auch danach, wann das nächste Match ansteht. Grundsätzlich isst Koepfer drei Mahlzeiten am Tag. An einem Matchtag gibt es je nach Ansetzung auch mal ein viertes Essen. Diesmal isst er Reis mit Hähnchen.
15:00 Uhr
Nach dem Mittagessen steht ein Termin beim Physio an. „Während Corona ist es mit den Physios etwas schwieriger. Wenn man keinen eigenen Physio hat, muss man mit den Zuständigen vor dem Turnier einen Termin ausmachen. Ich mache das immer einen Tag vorher“, sagt Koepfer. In dieser Behandlung steht der Arm im Fokus. Da die Bälle schwer sind, zwickt es Koepfer im Arm ein bisschen. Knapp 40 Minuten lockert und mobilisiert der Physio die Muskeln. Zum Abschluss massierte er den Arm leicht. „Ich mag Massagen eigentlich gar nicht. Da fühle ich mich nie so toll“, gesteht Koepfer.
16:00 Uhr
Kurze Auszeit: Mittagsschlaf im Hotel.
17:00 Uhr
Am späten Nachmittag bleiben ein paar Stunden für Freizeitaktivitäten. Durch das Bubble-Leben bei den Turnieren gibt es diese in den letzten Monaten kaum. In Hamburg dürfen die Spieler sich frei bewegen. Koepfer verbringt die Zeit mit seiner Mutter und Freunden, die ihn in Hamburg besuchen. Mit im Programm: ein Spaziergang an der Alster, ein Besuch in der Elbphilharmonie, Karten spielen und Essen gehen.
19:00 Uhr
Zum Abendessen geht es diesmal zum Italiener. „Das ist wohl ein bisschen Aberglaube. Wenn ich abends in ein Restaurant gehe und am Tag danach gewinne, muss ich am nächsten Tag wieder dahin“, erzählt er und lacht. Am Abend vor dem Match gibt es Nudeln mit ein bisschen Fleisch für Koepfer. Übrigens: Kurz vor dem Match isst der 27-Jährige keine Nudeln. „Pasta ist vor dem Match nicht gut, weil die Energie schneller verbraucht wird als bei Reis. Am Anfang hat man richtig Energie und irgendwann lässt das nach. Wie bei Red Bull“, erklärt er.
20:00 Uhr
Es geht zurück ins Hotelzimmer. „Nach dem Sandmännchen gehe ich direkt schlafen“, scherzt er. Aber im Ernst: „Nach 24 Uhr gehe ich eigentlich nie ins Bett. Bei Turnieren versuche ich, so viel wie möglich zu schlafen. Acht bis neun Stunden Schlaf brauche ich schon.“
Bevor er aber die Augen zumacht, lässt er noch mal seinen Tag Revue passieren. Das ist eine Aufgabe, die ihm sein Mentaltrainer gegeben hat. Koepfer schreibt täglich seine Ziele auf und überlegt, was in den vergangenen 24 Stunden positiv gelaufen ist – „eine Art Tennis-Tagebuch“, nennt er es.
22:30 Uhr
Gegen 22:30 Uhr ist dann aber endgültig Schlafenszeit.
Vita Koepfer
Alter: 29 Jahre
Größe: 1,80 Meter
Geburtsort: Furtwangen, Deutschland
Schlaghand: Links, beidhändige Rückhand
Höchstes Ranking im Einzel: 50 (Mai 2021)
Höchstes Ranking im Doppel: 142
Größte Erfolge: Achtelfinale US Open 2019, Viertelfinale Masters Rom, Halbfinale Acapulco 2021