Eva Lys: Traumlauf beendet, aber jetzt kann die Karriere richtig starten
Eva Lys hatte zwar im Achtelfinale der Australian Open gegen Iga Swiatek keine Chance. Aber das Turnier könnte als Startschuss für ihren endgültigen Durchbruch dienen – auch dank neuer Management-Agentur.
Es war eines dieser Tennismärchen, das die Grand Slam-Turniere so besonders machen: Eva Lys hatte im Finale der Qualifikation verloren, rutschte aber als „Lucky Loser“ auf dem letzten Drücker noch ins Hauptfeld, gewann dort drei Matches und schied erst im Achtelfinale gegen Iga Swiatek aus. Auch wenn die 0:6, 1:6-Klatsche nach einer Stunde gegen die fünffache Grand Slam-Siegerin zunächst ein „Downer“ war: Unterm Strich hat Lys ein fantastisches Turnier gespielt und lieferte eine Story ab, die in der globalen Tennis-Bubble großen Anklang fand.
Ein Knackpunkt im Match gegen Swiatek war gleich das erste Aufschlagspiel der Polin, die schnell mit 15:40 zurücklag. Aber Lys konnte keinen der beiden Breakbälle nutzen, so dass es doch 0:1 stand. Danach machte die Deutsche im ersten Satz nur noch sieben Punkte und kassierte die Höchststrafe – 0:6. „Sie hat mich wie ein Zug überrannt“, urteilte Lys später.
Eva Lys war ohne Chance gegen Iga Swiatek
Klar: Ob der Gewinn des ersten Aufschlagspiels großartig etwas am späteren Gesamtergebnis geändert hätte, bleibt Spekulation. Aber zumindest wäre Lys besser ins Match gestartet und hätte es länger offenhalten können. Auch wenn ihr im zweiten Satz wenigstens ein Spielgewinn gelang und sie etwas besser ihren Rhythmus fand: Lys hatte keine Chance gegen Swiatek, die Polin dominierte nach Belieben.
From lucky loser to the fourth round ✨
An #AO2025 run to be incredibly proud of, @evalys_ 👏 pic.twitter.com/GyV4Z30ESJ
— #AusOpen (@AustralianOpen) January 20, 2025
Es war ein Duell der Gegensätze, auch wenn beide 23 Jahre alt sind. Vielmehr haben Lys und Swiatek (noch) nicht gemeinsam. Swiatek ist ein Superstar auf der Damentour, die Deutsche bekam in Australien den Spitznamen „Lucky Lys“ verpasst, was ihr nicht so besonders gut gefiel. Aber sie nahm es mit Humor und postete bei Instagram ein fiktives Comicbuchcover, auf dem dick „Lucky Lys“ prangte – in Anlehnung an den Comichelden Lucky Luke. Die Polin ist mit fünf Grand Slam-Titeln in dieser Disziplin die erfolgreichste aktive Einzelspielerin, Lys hat auf der WTA-Tour bisher noch keinen Turniersieg. Swiatek stand schon 125 Wochen auf Platz eins in der Weltrangliste, Lys wird nach den Australian Open erstmals zu den besten 100 Tennisspielerinnen der Welt zählen.
Eva Lys: „Auch gut, mal auf die Schnauze zu bekommen“
„Es ist ja auch gut, mal auf die Schnauze zu bekommen“, sagte Lys leicht schnoddrig nach dem Match. Es sei eine verrückte Woche gewesen, „die bislang beste meines Lebens“. „Darauf habe ich hingearbeitet in den letzten Jahren“, sagte sie. Natürlich sei das Ergebnis nicht toll. Aber sie konnte dem Match dennoch etwas Positives abgewinnen: „Ich habe gesehen, wie das ist, in so einem Stadion zu spielen – gegen jemanden, die den Platz so unter Kontrolle hat. Man merkt, woran man künftig noch arbeiten muss. Es motiviert mich also eher, das jetzt erlebt zu haben; man fragt sich ja manchmal: Wann ist es so weit?“
Vielleicht jetzt schon. Geht es nach ihrer neuen Management-Agentur, waren die Australian Open jedenfalls nur ein erstes Ausrufezeichen von Eva Lys auf ihrem Weg nach oben. Wie erst im Turnierverlauf bekannt wurde, wird Lys seit Jahresbeginn von der Agentur „Evolve“ vertreten. Lange war die Österreicherin Sandra Reichel (Agentur „MatchMaker“) ihre Managerin, nun ist es die Agentur von Naomi Osaka, die sich um die Belange von Eva Lys kümmern wird. Das klingt nach mehr Internationalität, vielleicht auch nach mehr Glamour.
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„Evolve“ (zu deutsch: „entwickeln“) ist ein Projekt vom ehemaligen IMG-Tennismanager Stu Duguid, der sich lange um Naomi Osaka gekümmert hat und sich 2022 mit seiner eigenen Agentur selbstständig machte. Der Clou: Er nahm Osaka als eine der besten IMG-Klientinnen überhaupt gleich mit und machte sie zu seiner Geschäftspartnerin. Duguid will das Tennis-Business mit einer neuen Denke verändern, wie er im Oktober 2024 in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung erklärte.
„Die gängige Art im Sport ist so, dass versucht wird, für seinen Athleten schnell Deals rauszuholen, Verträge abzuschließen, die rasch zu Kommissionen führen. Wir haben natürlich auch einige solcher Deals abgeschlossen, sie tragen uns im Alltag. Wir aber wollen mit und für die Athleten etwas über die lange Strecke aufbauen. In Firmen investieren. Höhere Risiken mal eingehen, die hoffentlich zu größeren Erfolgen führen“, führte Duguid aus. Was besonders spannend ist, sind die „Evolve“-Auswahlkriterien – frei nach dem Motto: „Wir nehmen nicht jeden!“ Duguid: „Der typische Evolve-Profi ist einer, der sich nicht nur in der Tenniswelt bewegt, sondern zwischen populären Kulturen. Das meinen wir auch mit unserem Slogan Grenzen aufbrechen.“
Eva Lys in einem erlesenen Kreis
Entsprechend erlesen sind die Spieler und Spielerinnen, die inzwischen bei „Evolve“ unter Vertrag stehen: Neben Naomi Osaka sind es Aryna Sabalenka, Anna Kalinskaya, Ons Jabeur, Nick Kyrgios – und eben Eva Lys. Hinzukommen noch einige Juniors.
Was Eva Lys aus Sicht ihres neuen Managements so spannend macht, ist ihre Meinungsstärke und ihr Drang, auf Missstände in ihrem Sport hinzuweisen. Dabei zeichnet sie eine gewisse Beharrlichkeit und eine große Eloquenz aus. Als Lys etwa im Sommer 2024 ins Halbfinale von Budapest eingezogen war und der übertragende Sender Sky auf X den sportlichen Fahrplan für das Wochenende postete, in dem ausschließlich auf Herrensport-Events hingewiesen wurde, meldete sie sich folgendermaßen zu Wort: „Und was ist mit dem WTA-250er in Budapest? Wir Frauen geben uns genauso viel Mühe.“
Schon mehrfach ging Lys gegen Beschimpfungen und übelste Beleidigungen im Internet vor, indem sie die Hassbotschaften – teilweise mit den Klarnamen – im Web veröffentlichte. Lys: „Ich werde niemals schweigen. Keiner verdient es, so behandelt zu werden.“ Einmal teilte Lys den Screenshot einer Nachricht eines offenbaren enttäuschten Sport-Wetters und verlinkte dessen mutmaßliche Frau: „Warum beleidigt dein Mann eine 22-Jährige auf Instagram?“ Die Aktion brachte ihr unter Profikolleginnen eine Menge Lob ein.
Als der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine 2022 begann, kritisierte Lys, die in Kiew geboren ist und deren Familie teilweise noch in der Ukraine lebt, russische Profi-Kolleginnen bei einem ITF-Turnier in Kasachstan. „Viele russische Spielerinnen, die hier sind, verhalten sich respektlos gegenüber denjenigen, die vom Ukraine-Krieg betroffen sind. Sie lachen darüber, machen sich lustig. Einige ziehen demonstrativ einen Trainingsanzug in den russischen Nationalfarben an.“ Lys reagierte, indem sie mit einem gelb-blauen Ukraine-Outfit auf den Platz ging.
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Eva Lys: „Niemand schreibt mir vor, wie ich zu sein habe“
„Niemand schreibt mir vor, wie ich zu sein habe“, lautete nun die Überschrift eines Interviews mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, das Lys Ende 2024 gab. Darin macht sie deutlich, was sie antreibt. Themen wie „Equal Pay“ im Sport, mentale Gesundheit von Leistungssportlerinnen, Gewalt gegen Frauen, Abtreibung und natürlich auch „Hate Speech“.
Lys: „Für mich ist es immer die Aufgabe gewesen, laut zu sein. Ich habe einen starken Gerechtigkeitsdrang. Aber ich merke, dass es vielen Leuten nicht gefällt, wenn man laut ist. Weil dann Themen angesprochen werden, die unangenehm sind. Ich merke, dass viele Leute sehr leise werden, wenn diese Themen angesprochen werden. Wenn ich auf Instagram meinen Trainingsalltag poste, habe ich viel Support. Wenn ich ein Thema anspreche, das mir am Herzen liegt, kommt oft nichts.“
Eva Lys passt nicht so recht in das Schema einer Tennisspielerin, die außerhalb ihres Sports keine Interessen und kein Engagement zeigt. Sie hat keine Angst davor, mit ihrer Meinungsstärke anzuecken und sich dadurch womöglich Perspektiven zu verbauen. Es ist sicherlich einer der Gründe, warum sie nun bei „Evolve“ gelandet ist.
Der Hauptgrund aber ist: Ihr wird zugetraut, künftig eine mitbestimmende Rolle im Damentennis zu übernehmen – und zwar auf dem Platz. Die Australian Open 2025 waren ein erster Vorgeschmack dafür.