Familienaufstellung: Wie 6 „Hensmänner“ ein Team bilden
Eine Mannschaft, eine Familie, drei Generationen: Deutschlands ungewöhnlichstes Herrenteam startete in der Winterrunde für den TC RW Greven im Münsterland. Die sechs „Hensmänner“, vom Opa bis zum Enkel, kämpften gemeinsam um den Klassenerhalt in der Bezirksklasse. tennis MAGAZIN schaute beim Derby gegen Emsdetten zu.
Dieser Artikel erschien in seiner Originalfassung in der tennis MAGAZIN-Printausgabe 4/2019!
FOTOS: Thomas Strack
„Mensch, wo bleibst du denn? Ich hatte dir doch geschrieben, dass wir uns heute früher treffen – für die Fotos“, blafft Bernd Hensmann (48) seinen älteren Bruder Peter (52) an, der gerade mit dem Rad an der Tennishalle des TV Emsdetten angekommen ist. „Was denn für Fotos?“, fragt Peter. Bernd verdreht die Augen. „Na, für den Bericht. WhatsApp nicht gelesen?“, fragt er leicht genervt. Peter schüttelt den Kopf, geht dann Richtung Umkleide und sagt: „Ich ziehe mich schnell um.“ Ulrich Hensmann (80), Vater von Peter und Bernd, brummt: „Dass Peter auch ausgerechnet heute auf den allerletzten Drücker kommen muss.“
Willkommen bei den Hensmanns aus Greven im Münsterland, bei denen es so läuft wie in vielen anderen Familien auch: Einer kommt beim Familientreffen zu spät und muss sich die hämischen Kommentare der anderen gefallen lassen. Wobei: Ein gewöhnliches Familientreffen ist das hier an einem Sonntag im März nicht.
Tennisfamilie Hensmann
Familie Hensmann trifft sich zum Tennis spielen. Nicht untereinander. Nein, zusammen mit den drei Söhnen von Bernd – mit Max (18), Felix (25) und Jonas (22) – bildet sie eine Medenmannschaft in der Winterrunde. Sie tritt bei den Herren im Westfälischen Tennis-Verband an: Bezirksklasse Münsterland, Gruppe 13.
Tennis sei ein Sport für jedes Alter, heißt es oft recht schwärmerisch. Familie Hensmann lebt nach diesem Vorsatz. Vom 18-jährigen Enkel bis zum 80-jährigen Opa: Drei Generationen bilden die 1. Herrenmannschaft des TC Rot-Weiß Greven im Winter 2018/19 – es dürfte deutschlandweit eine einmalige Konstellation sein.
Peter kommt aus der Umkleide gehetzt. Wie seine Angehörigen trägt er ein schwarzes Shirt mit weißen Shorts. „Hensmann 2“ steht in Weiß auf seiner Brust. Bei den anderen prangt der Familienname mit der Spielposition ebenfalls auf dem Hemd. „Damit keiner der Gegner durcheinander kommt“, scherzt Mannschaftsführer Bernd, als sich die sechs „Hensmänner“ für das Team-Foto draußen vor der Halle in Stellung bringen. Dann wird es ernst: Das Lokalduell gegen Emsdetten II steht an. Zehn Autominuten trennen die Städte im Kreis Steinfurt.
Die Gegner kennt man natürlich. Man klatscht miteinander ab, fragt kurz die letzten Ergebnisse ab. Opa Ulrich nutzt die Zeit, um die Rivalität zwischen Greven und Emsdetten zu erläutern: „Also früher war da richtig Zunder drin, jetzt ist es eher freundschaftlich.“ Vater Bernd deutet auf einen muskulösen Spieler aus Emsdetten: „Das ist Philipp. Den hat mein Vater früher oft zusammen mit meinem Sohn Jonas zum Kreistraining gefahren.“ Es gibt zahlreiche Querverbindungen zwischen beiden Teams und den zwei Vereinen. Die örtliche Tennis-Community ist überschaubar.
Bernd trägt die Aufstellung in den Spielberichtsbogen ein. Viermal Hensmann. Max an eins, Peter an zwei, er selbst an drei, Felix an vier. „Später bei den Doppeln machen wir das auch so – nur ohne die Vornamen. Die tragen wir erst dann ein, wenn die Gegner ihre Doppelpaarungen reingeschrieben haben“, erzählt er. Kurze Kunstpause. Dann fällt der Groschen. War natürlich ein Scherz.
Opa Ulrich ist wieder beim Städtevergleich. Emsdetten sei aktiver, Greven mehr eine Schlafstadt, die Nähe zur Großstadt Münster mache den Unterschied. Dann zitiert er einen alten Spruch: „Die größte Stadt in England ist London an der Thems, das schönste Dorf im Münsterland ist Greven an der Ems.“ Das Derby kann beginnen.
Peter, Grevens Nummer 2, bekommt es mit Philipp, knapp 30 Jahre jünger, zu tun, der ordentlich auf die Kugel drischt. Ganz anders Peter: Er spielt filigraner, setzt die Vorhand gerne als Slice ein. Auf dem Nebenplatz steht Bernds ältester Sohn Felix. Die Zuschauerbänke in der Halle füllen sich. Familienangehörige kommen, fiebern mit.
Peters Töchter, Elisa und Sophia, sind da. Die Freundin von Max feuert an. Die Oma klatscht begeistert, als Peter einen Punkt macht. Maria, Peters Frau, begrüßt alle und fragt aufgeregt, wie es denn ausschaut. „Noch nicht hoffnungslos“, antwortet Bernd. Eine Familie im Tennisrausch. „Andere Familien treffen sich sonntags zu Kaffee und Kuchen. Wir treffen uns auf dem Tennisplatz“, sagt Elisa. Sie bedauert das nicht. Im Gegenteil: Das ist normal, wenn man zu den Hensmanns gehört.
Die Leidenschaft für Tennis begann vor knapp 40 Jahren, als Ulrich Hensmann eher zufällig während einer Fahrt mit dem Kegelclub nach Mallorca auf einem Tennisplatz stand. „Ich hatte früher als Junge mit einem Speckbrett den Ball stundenlang gegen die Hauswand geballert, aber richtig Tennis habe ich eigentlich nie gespielt“, gibt er zu. Bis zu dem Duell auf Mallorca gegen seinen Kegelbruder, der von sich selbst behauptet hatte, ein guter Tennisspieler zu sein. Ulrich Hensmann gewann damals gegen ihn.
„Tja, was soll ich sagen, Naturtalent eben“, witzelt er, als er die Anekdote während eines Seitenwechsels seines Sohnes Peter erzählt. Sportlich war er immer, der Ulrich, das schon. Erst Speerwerfer („Da war ich sogar Kreismeister“), später Feldhandballspieler („Nix in der Halle, schön draußen, bei Wind und Wetter“). Ende der 70er Jahre wurde er Tennisspieler. Seine beiden Söhne, Peter und Bernd, wuchsen beim TC RW Greven auf.
„Damals war Tennis noch sehr elitär“, erinnert sich Bernd an die Anfänge. „Wir haben uns eigentlich alles selbst beigebracht – ohne Trainer. Die Zeit, die die Kinder heutzutage am Handy oder an der Konsole verbringen, haben wir auf dem Platz verbracht.“
Bernd gab das Tennisfieber an seine drei Söhne weiter. Als er 23 Jahre alt war, kam sein Erstgeborener, Felix, zur Welt. „Irgendwie war es klar, dass meine Kinder Tennis spielen würden“, sagt er. Felix war in der Jugend richtig gut, beteuert der Vater, hatte dann aber ein Intermezzo beim Fußball, um später zum Tennis zurückzukehren.
Max ist zu stark für die Bezirksklasse
Jonas und Max wurden anfangs vom älteren Bruder mitgerissen. Das größte Tennistalent der Familie ist Max, der jüngste Hensmann. „Ganz ehrlich: Für ihn ist diese Liga zu schwach. Er könnte viel höher spielen“, sagt Vater Bernd. Aber Max startet lieber mit seinen Brüdern, seinem Vater und seinem Opa in einem Team – zumindest im Winter. Im Sommer 2019 wird er für die erste Herrenmannschaft des heutigen Gegners in der Münsterlandliga auflaufen.
„Die Winterrunde macht tierisch Bock“, sagt Max. „Wer kann schon von sich behaupten, mit seinem Opa in einer Mannschaft gespielt zu haben?“ Vater Bernd ergänzt: „Opa ist da schon verdammt stolz darauf.“ Und er selbst natürlich auch.
Bei Peter und Felix sieht es indes nicht gut aus. Sie liegen in ihren Einzeln zurück. „Elisa“, ruft Bernd seiner Nichte zu, „setze dich mal bei Felix auf die Bank. Texte ihn richtig zu, damit er besser spielt.“
Es hilft nichts, Greven verliert beide Einzel der ersten Runde – 0:2. „Das kann passieren“, ordnet Opa Ulrich den Zwischenstand ein, „schließlich spielen wir heute gegen den Spitzenreiter in unserer Gruppe.“
Kaffeetafel für die Tennisfamilie
Bernd und Max sind jetzt dran. Während sie sich einspielen, werden im Restaurant der Tennishalle Tische zusammengerückt: Die Mitglieder der Familie, die gerade nicht auf dem Platz stehen müssen, kommen zur spontanen Kaffeetafel zusammen. Frisch geduscht setzt sich auch Peter dazu. „Philipp war heute zu gut, der ließ sich von meinen langsamen Bällen einfach nicht aus dem Konzept bringen“, analysiert er.
Mit einer ähnlichen Taktik will auch Bernd seinen mehr als 20 Jahre jüngeren Gegner Julian auskontern. „Die Jungs spielen heute alle Vollgas-Tennis. Wenn ich mitschieße, habe ich keine Chance. Also, viel Rückhand-Slice, viel ans Netz gehen – das kennen die nicht mehr.“
Neulich, beim Spiel in Westerkappeln, ging die Rechnung auf: Gegen einen 25 Jahre jüngeren Spieler mit besserer LK siegte Bernd 6:1, 7:6. Am Ende gewann Greven 4:2 – ein wichtiger Sieg, um die Klasse zu halten.
Gegen Emsdetten hat Bernd nicht seinen besten Tag erwischt und verliert glatt. „Lief nicht viel zusammen“, sagt er anschließend. Sein Sohn Max macht es an der Spitzenposition besser. Er mixt klug krachende Winner und gefühlvolle Grundschläge. Er ist tatsächlich zu stark für die Bezirksklasse und verkürzt mit einem 6:2, 6:0-Sieg auf 1:3.
Als Junior hatte Max nur Tennis im Kopf. Mit seinen besten Freunden, wie er Tennisspieler, stand er auf dem Platz, wann immer es ging. Er bekam Verbandstraining, startete bei nationalen Ranglistenturnieren. Mit der U18-Mannschaft aus Greven spielte er in der Westfalenliga, einmal wurde er Vize-Bezirksmeister im Einzel. Dann kamen die Verletzungen. Erst an den Handgelenken und am Rücken. Später kugelte er sich mitten im Match die Schulter aus – sechs Monate Zwangspause. Wie sehen jetzt seine Ziele aus? „Ich will meine Leistungsklasse verbessern. Derzeit bin ich bei LK 11, vielleicht komme ich mal auf LK 1 – das wäre cool.“
Opa Ulrich: „Max hat es immer verbockt“
Dann schnappt er sich seinen Opa und gemeinsam marschieren die beiden aufs Feld. Sie treten im zweiten Doppel an. Mit seinen 80 Jahren ist Opa Ulrich noch erstaunlich fit. Solange das Tempo moderat ist, kann er noch halbwegs mithalten. Max versucht, dass Spiel an sich zu reißen. Am Ende aber haben sie keine Chance, verlieren 2:6, 1:6.
„Ich hätte fast zweimal meinen Aufschlag durchgebracht. Aber dann hat es Max immer verbockt“, fasst Opa Ulrich das Match auf seine Art zusammen. Auch Bernd und Peter unterliegen im Doppel – 1:5 verliert Greven.
Die Stimmung der Hensmanns ist aber nicht im Keller. „Es war ein tolles Familienevent“, sagt Bernd. Ob sie nächsten Winter wieder so auflaufen werden? „Wenn Opa nochmal will – warum denn nicht!“
Edit: In der Wintersaison 2018/19 schafften die Hensmänner vom TC RW Greven mit zwei Siegen den Klassenerhalt in der Bezirksklasse.mens jordan shoes release dates | 1576 nike air jordan 1 grises y negras