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Federer verliert und bleibt ein Gentleman

Erst geschlagene 125 Minuten nach dem ernüchternden K.o. im Nieselregen von Paris stellte sich Roger Federer den bohrenden Fragen nach dem Warum. Die türkisfarbene Baseballkappe hatte er tief ins Gesicht gezogen – die Enttäuschung war dem gescheiterten French-Open-Titelverteidiger bei der Analyse seiner ersten Grand-Slam-Viertelfinalpleite seit sechs Jahren deutlich anzumerken.

Doch auch in den Stunden der Depression erwies sich Federer wieder einmal als großer Gentleman des Tennissports. „Jetzt soll der Beste hier gewinnen. Und der Beste ist momentan Rafael Nadal„, sagte der Schweizer. Wohl wissend, dass er die Weltranglisten-Führung bei einem Turniersieg Nadals wieder an seinen spanischen Dauerrivalen verlieren würde.

In diesem Fall hätte Federer zunächst auch die Egalisierung der Bestmarke von Altmeister Pete Sampras (USA) verpasst, der insgesamt 286 Wochen an der Spitze stand. „Am meisten trifft es mich aber, dass ich meinen Titel nicht verteidigen kann“, meinte der 28-Jährige nach dem 6:3, 3:6, 5:7, 4:6 im Viertelfinale gegen Robin Söderling (Schweden).

„Viertelfinal-Serie ist ja noch intakt“

Trotz der Enttäuschung hatte Federer nach dem verpassten 24. Einzug in ein Grand-Slam-Halbfinale in Folge seinen Humor nicht verloren. „Die Viertelfinal-Serie ist ja noch intakt“, erklärte der Major-Rekordsieger schmunzelnd. Die L’Equipe titelte: „Federer am Boden“ und zeigte eine Karikatur, auf der eine Sandwelle mit schwedischer Flagge mittendrin den Maestro förmlich überrollt.

Die Entscheidung in Roland Garros wird Federer nicht mehr vor Ort verfolgen. Stattdessen bereitet er sich intensiv auf die Rasenplatzsaison vor, um für die Mission siebter Titelgewinn in seinem Wohnzimmer Wimbledon (ab 21. Juni) gerüstet zu sein. Es wäre Federers 17. Triumph bei einem Grand-Slam-Turnier. Seinen ersten Auftritt auf dem geliebten Gras-Belag hat der bislang erfolgreichste Tennisprofi der Geschichte in der kommenden Woche beim Turnier in Halle/Westfalen.

Die Sandplatzsaison musste Federer erstmals seit Jahren mit einer unbefriedigenden Bilanz beenden. Erst zum zweiten Mal in neun Jahren war der Vater eines Zwillingspärchens ohne einen einzigen Turniersieg auf der roten Asche nach Paris gereist. Seit seinem vierten Coup bei den Australian Open in Melbourne Ende Januar wartet „Fed-Express“ auf einen Erfolg.

Schweizer fühlt sich fitter denn je

Ein Grund dafür ist auch die Lungeninfektion, die Federer im Februar zu einer wochenlangen Pause gezwungen hatte. „Ich habe die Krankheit am Anfang wohl etwas unterschätzt und zu schnell wieder begonnen“, meinte der Schweizer, der schon knapp 56 Millionen Dollar Preisgeld gewonnen hat. Mittlerweile fühlt er sich aber dank der intensiven Betreuung von Physiotherapeuten insgesamt sogar fitter als in früheren Zeiten. Er gebe sich „noch viele gute Jahre“ auf der Tour, wenn er gesund bleibe.

In der Neuauflage des letztjährigen Endspiels gegen Söderling auf dem Court Philippe Chatrier fand Federer überraschenderweise kein Mittel gegen die Aufschlagstärke des Schweden, der teilweise mit 227 km/h servierte. Zudem konnte der Weltranglistenerste nur zwei von insgesamt sieben eigenen Breakchancen nutzen. „Das war frustrierend, die Möglichkeiten waren da. Ich war bis zu diesem Spiel eigentlich zufrieden mit meiner Leistung hier“, erklärte Federer ein wenig ratlos: „Aber jetzt muss ich das abhaken und nach vorne schauen.“

Eine große Sight-Seeing-Tour durch Paris war trotz des frühen Ausscheidens offenbar nicht geplant. Erst nach dem Ende seiner Karriere will Federer in all jene Städte zurückzukehren, in denen er einst spielte – und sich dann viel Zeit zum Anschauen der Sehenswürdigkeiten nehmen.

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