Hamburg Open 2024: „Natürlich hätten wir Nadal gerne bei uns gehabt“
2024 wird das Rothenbaum-Turnier in Hamburg erstmals von der spanischen Agentur Tennium veranstaltet. Den ganz großen Namen können die Organisatoren nicht präsentieren.
Als im Herbst 2022 bekannt wurde, dass das ruhmreiche Herrenturnier in Hamburg ab 2024 einen neuen Ausrichter bekommt, war die Erwartungshaltung groß. Der Deutsche Tennis Bund als Inhaber der Turnierlizenz hatte sich mit der spanischen Agentur Tennium auf einen neuen Vertrag mit fünf Jahren Laufzeit verständigt. Der Tennium-Chef, Kristoff Puelinckx aus Belgien, kündigte dann auch vollmundig an, „dieses traditionsreiche Turnier auf die nächste Stufe zu heben“. Er umriss sein zentrales Anliegen mit den Worten, Tennium wolle „die besten Spieler der Welt nach Hamburg bringen“.
Hamburg Open 2024: Der große Knall blieb aus
Als nun am Dienstag im „Oval Office“ des Grand Elysée-Hotels in Hamburg die mit Spannung erwartete Teilnehmerliste für die Hamburg Open 2024 (Gesamtprteisgeld: 2.047.730 Euro) auf einer Pressekonferenz präsentiert wurde, blieb der große Knall aber aus. Oder anders formuliert: Einen echten „Big Name“ konnten Puelinckx und Turnierdirektor Enric Molina nicht aus dem Hut zaubern.
Dass Alexander Zverev (ATP #4) und Holger Rune (ATP #15) in Hamburg antreten werden, war schon lange bekannt. Aus den Top 20 kommt aber nur noch ein Spieler hinzu: Sebastian Baez (ATP #19) aus Argentinien. Heißt: Drei Top 20-Profis sind für ein ATP 500er-Turnier eher wenig. Klar, Gael Monfils begeistert natürlich jedes Publikum und der italienische Ästhet Lorenzo Musetti, der in Hamburg 2022 gewann, ist live ein wunderbares Erlebnis.
„Official Player Acceptance List“ für die @hamburgopenatp 2024 pic.twitter.com/qWgmylhzj7
— tennis MAGAZIN (@tennismagazin) June 18, 2024
Im Vergleich sind aber die parallel laufenden ATP 250er-Turniere in Bastad (Schweden) und Gstaad (Schweiz) besser besetzt. In Bastad treten Jannik Sinner, Casper Ruud, Andrey Rublev und sogar Rafael Nadal an. Für Gstaad haben mit Alex de Minaur, Stefanos Tsitsipas, Hubert Hurkacz, Tommy Paul, Felix Auger-Aliassime, Ugo Humbert und Nicolas Jarry gleich sieben Top 20-Profis zugesagt. Hinzu kommen dort noch Stan Wawrinka, Matteo Berrettini sowie die beiden Deutschen Jan-Lennard Struff und Yannick Hanfmann.
Hamburg Open 2024: „Der Beginn einer neuen Ära“
Angesichts dieser direkten Konkurrenz wirkt das Hamburger Tennium-Motto „Der Beginn einer neuen Ära“ leicht überzogen. Man muss den neuen Machern allerdings auch zu Gute halten, dass es sich um ihr erstes Jahr am Rothenbaum handelt und dass die Terminierung zwischen Wimbledon und den Olympischen Spielen in Paris nicht einfach ist.
Und so dreht sich am Ende alles um eine Person: Titelverteidiger Alexander Zverev. „Das Gesicht des Turniers ist Sascha Zverev. Er ist derzeit der heiße Spieler auf der Tour“, unterstrich Puelinckx, der mit seinem Team vor allem den Erlebnischarakter des Rothenbaumturniers in den Vordergrund rückt. So wird es ein großes VIP-Zelt und eine neue Fan-Zone geben.
Hamburg Open 2024: Wildcard für Dominik Koepfer
Neben Zverev sollen auch weitere deutsche Profis für Stimmung auf den Rängen sorgen. Weil allerdings der Cut des Feldes bei Weltranglistenplatz 60 liegt, brauchen die deutschen Starter Wildcards. Eine davon geht an Dominik Koepfer. DTB-Präsident Dietloff von Arnim bekräftigte, dass auch die restlichen drei Wildcards an deutsche Spieler vergeben werden.
Zufrieden ist Turnierdirektor Molina mit dem bisherigen Ticketverkauf: „Wir sind am Final-Wochenende schon so gut wie ausverkauft!“ Bedeutet: Am Freitag, Samstag und Sonntag sind für das 11.000 Zuschauer fassende Rothenbaum-Stadion nur noch Restkarten erhältlich. Während der ersten Turniertage gibt es auch „Groundtickets“ für 20 Euro, mit denen man zu den Nebenplätzen gelangt.
Hamburg Open 2024: Interview mit Turnierdirektor Molina
Im Anschluss an die Pressekonferenz beantwortete Turnierdirektor Enric Molina noch exklusiv einige Fragen von tennis MAGAZIN. Hier das komplette Interview:
Señor Molina, die deutschen Tennisfans hatten große Hoffnungen, dass Rafael Nadal 2024 in Hamburg aufschlägt, weil er keine Rasenturniere spielen wird und die Olympischen Spiele in Paris als sein großes Ziel ausgibt. Das Turnier am Rothenbaum direkt vor dem olympischen Tennisturnier wäre ideal zur Vorbereitung für ihn gewesen. Aber stattdessen tritt er nun beim Sandplatzturnier im schwedischen Bastad an. Sind Sie auch enttäuscht, dass Nadal nicht bei Ihnen spielen wird?
Natürlich hätten wir Nadal gerne bei uns gehabt. Aber man muss seine Entscheidung respektieren, dass er nun im schwedischen Bastad antreten wird. Er wird seine Gründe dafür haben. Einer ist sicherlich der, dass es in Bastad nur ein 28er-Feld gibt. Das heißt: Die besten vier Spieler haben in der ersten Runde ein Freilos, so dass Nadal als Ungesetzter nicht in der ersten Runde auf sie treffen kann. Er will so viele Matches wie möglich im Vorfeld der Olympischen Spiele auf Sand haben. Bei uns in Hamburg gibt es ein 32er-Feld ohne Freilose. Dadurch könnte er in der ersten Runde zum Beispiel wieder auf Alexander Zverev treffen – wie in Roland Garros. In Bastad ist das Risiko für Nadal einfach kleiner, gleich zu Beginn auf einen Top-Gegner zu treffen.
In Bastad ist das Risiko für Nadal kleiner, gleich zu Beginn auf einen Top-Gegner zu treffen.
Haben Sie denn noch Hoffnungen, dass ein echter „Big Name“ zum Rothenbaum kommt? Tennium ist eine spanische Agentur, da müsste doch der Draht zu den spanischen Profis erstklassig sein, zum Beispiel zu Carlos Alcaraz.
Wir sind gut vernetzt, nicht nur in Spanien, sondern in der kompletten Tenniswelt. Was Carlos Alcaraz betrifft: Er hat sich bislang noch für kein Turnier im Anschluss an Wimbledon entschieden. Vermutlich wird er einen möglichen Start – wo auch immer – von seinem Abschneiden in Wimbledon abhängig machen. Sollte er früh ausscheiden, steigen die Chancen natürlich, dass er kurzfristig vor dem olympischen Turnier noch ein Sandplatzevent in seinen Turnierplan einbaut. Allerdings wissen wir auch, dass Carlos wenig bis gar keine Matches braucht, um sich optimal auf neue Bedingungen einzustellen. Im direkten Vorfeld von Roland Garros verzichtete er wegen seiner Armprobleme auf Starts bei den gängigen Sandplatzevents und gewann am Ende das Grand Slam-Turnier in Paris.
Was ist mit Novak Djokovic? Er musste in Roland Garros verletzungsbedingt rausziehen, ließ sich gleich an seinem lädierten Knie operieren und nun sieht man auf Social Media-Plattformen, dass er schon wieder Rad fährt und tennisspezifische Übungen macht.
Bei ihm gibt es viele Unwägbarkeiten. Wie gut geht es seinem operierten Knie? Kann er in Wimbledon spielen? Wenn ja: Wie weit wird er dort kommen? Das muss man alles abwarten. Um es klar zu sagen: Wir wären logischerweise über einen Superstar froh, der bei uns antritt, aber unsere Grundausrichtung ist eine andere.
Deshalb spielt Struff nicht bei den Hamburg Open 2024
Nämlich?
Wir wollen eine gute Mischung aus Top-Spielern wie Alexander Zverev und Holger Rune, Publikumslieblingen wie Gael Monfils, Next Gen-Youngstern wie Arthur Fils und Profis anbieten, die aktuell in überragender Form sind – zum Beispiel die starken Argentinier Francisco Cerundolo und Sebastian Baez. Darüber hinaus wollen wir die deutschen Profis unterstützen. Nur Alexander Zverev kam direkt ins Hauptfeld, weil der Cut mit Weltranglistenplatz 60 relativ hoch liegt. Die vier Wildcards gehen an DTB-Profis. Dominik Koepfer erhält eine davon.
Jan-Lennard Struff hätte auch direkt ins Hauptfeld von Hamburg kommen können …
… aber er hat sich für einen Start beim Parallelturnier in Gstaad entschieden. Die Höhenlage von knapp 1.000 Metern kommt seinem Spiel vermutlich besser entgegen. Auch das ist eine Entscheidung, die wir natürlich respektieren.
Wie beurteilen Sie das aktuelle deutsche Herrentennis?
Alexander Zverev ist ein Spieler, den jedes Land gerne hätte. Nach ihm gibt es eine kleinere Lücke, aber die kann sich jederzeit auch wieder schließen. Außerdem hat Deutschland einige erstklassige U16-Talente, die an unserem Final-Wochenende im Rahmen des „European Summer Cups“ zu sehen sein werden. Ich kann jedem Tennisfan nur empfehlen, sich diese Jungs mal anzuschauen.
Ab 2025 wird es für uns einfacher, der Place to be der City zu sein.
Drei Jahre lang gab es am Hamburger Rothenbaum ein „Combined Event“. Im Zuge des Veranstalterwechsels werden 2024 die Damen nun nicht mehr dabei sein. Ist das ein Verlust für den Turnierstandort Hamburg? Oder ist es aus Ihrer Sicht besser, dass man sich nun wieder voll auf die Herren konzentriert?
Tennium veranstaltet neun WTA-Turniere auf der ganzen Welt. Wir lieben Damentennis genauso wie Herrentennis. Hier in Hamburg ist die Konstellation nun so, dass nicht zwei verschiedene Veranstalter auf der gleichen Anlage zum gleichen Zeitpunkt ein Herren- und ein Damenturnier ausrichten können. Natürlich ist es schade, dass das Damenturnier in diesem Jahr nun ausfällt und stattdessen in Rumänien stattfindet. Wir standen mit den Ausrichtern (die Agentur MatchPoint von Sandra und Peter-Michael Reichel, Anm. d. Red.) in Kontakt, um ihnen zu helfen bei ihren Problemen, die sich an ihrem geplanten Ausrichtungsort im Hamburger Stadtpark ergaben. Leider gab es keine Lösung. Ich würde es mir wünschen, wenn das Damenturnier 2025 nach Hamburg zurückkehrt.
2025 ändert sich Ihr Turniertermin: Statt im Juli werden die Hamburg Open im Mai vor Roland Garros stattfinden. Ist das der bessere Termin?
Ja, davon bin ich überzeugt. Es gibt dafür mehrere Gründe. Grundsätzlich ist es im Spätsommer nach Wimbledon und vor dem US-Hardcourt-Swing schwierig, sich als Sandplatztunier in Europa zu behaupten. Mitte Juli sind in Hamburg meistens Schulferien, viele sind also verreist. Im Mai aber sind die meisten Hamburger in der Stadt. Das macht es für uns einfacher, dann zum „Place to be“ der City zu werden. Insgesamt erwarte ich also für den Mai-Termin noch bessere Felder und noch mehr Zuschauer. Das Wetter könnte uns eventuell einen Strich durch die Rechnung machen, aber wir haben ja zum Glück das Dach.
Enric Molina: „Dieses Element wird dem Tennis künftig verloren gehen“
Sie waren ein sehr erfahrener Stuhlschiedsrichter. Wie beurteilen Sie die aktuelle Entwicklung in Sachen Hawkeye und die Abschaffung der Linienrichter ab 2025 auf der Profitour?
Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust, ehrlich gesagt. Ich bin ein Befürworter des technischen Fortschritts und war früher in viele Testphasen des Hawkeye-Systems involviert. Ich habe mich immer stark dafür gemacht, diese Technologie im modernen Tennis zu nutzen. Gleichzeitig ist mir aber auch die menschliche Komponente im Schiedsrichterwesen wichtig. Und diese kommt mittlerweile zu kurz und wird bald fast komplett verschwinden. Das finde ich schade. Ich glaube auch, dass das Level der heutigen Schiedsrichter runtergegangen ist, weil sie sich zu sehr auf die moderne Technik verlassen. Das kann man ihnen nicht zum Vorwurf machen, weil das einfach der Lauf der Dinge ist. Mir ist aber der Schritt zu krass, ab 2025 komplett auf das „electronic Line-Calling“ zu setzen.
Welche Lösung hätten Sie bevorzugt?
Ein Mix wäre mir am liebsten gewesen, so wie es lange Zeit gehandhabt wurde: Stuhlschiedsrichter und Linienrichter bleiben die erste Instanz auf dem Platz und die Spieler haben eine begrenzte Anzahl an Hawkeye-Challenges pro Satz, die sie bei engen Entscheidungen einsetzen können. Ich befürchte, dass sich ab 2025 auch der Austausch zwischen den Offiziellen und den Profis auf Minimum reduzieren wird, weil eben die Technik alles entscheidet. Zu meiner aktiven Zeit gab es eine Reihe von starken Persönlichkeiten wie Goran Ivanisevic, Marat Safin oder Andy Roddick, mit denen es zum Teil heftige Kontroversen auf dem Platz gab. Das war nicht immer schön für mich, aber es war ein Teil des Sports, der auch die Fans fesselte. Dieses Element wird dem Tennis künftig verloren gehen.