Caroline Garcia

Nach ihrem Erstrundenaus bei den US Open machte Caroline Garcia Hassnachrichten an sie öffentlich. ©Imago

Hassnachrichten an Tennisprofis – Das ungelöste Problem

Caroline Garcia brachte bei den US Open das Thema Hassnachrichten gegenüber Tennisspielern mit einem emotionalen Statement wieder auf die Agenda. Statt es zu lösen, scheint das Problem immer schlimmer zu werden.

Und täglich grüßt das Murmeltier. Leider, muss man sagen. Immer wieder, wenn ein großes Tennisturnier, wie derzeit die US Open, ansteht, rückt dieses Thema ins öffentliche Bewusstsein. Ein Thema, das die Tennisprofis allerdings nicht nur bei Grand-Slam-Turnieren begleitet, sondern zu ihrem Alltag gehört: Hassnachrichten via Social Media.

Das Problem ist bekannt, doch Lösungen hierfür scheinen kaum in Sicht zu sein. Tatsächlich nimmt „Hatespeech” im Internet immer mehr zu, die abscheulichen Nachrichten mit Drohungen bis hin zu Mord werden immer schlimmer. Es ist ein globales Phänomen, von dem Tennisprofis extrem betroffen sind. Wer steckt hinter Hass und Hetze gegenüber Spieler und Spielerinnen? In den meisten Fällen sind es frustrierte Wetter.

Caroline Garcia veröffentlicht widerliche Hassnachrichten

Nach ihrer überraschenden Auftaktniederlage bei den US Open rückte Caroline Garcia das Thema Hassnachrichten wieder in den Fokus, indem sie einige Mitteilungen der letzten Wochen in den sozialen Medien öffentlich machte. So liest man diese widerlichen Sätze: „Du bist ein Stück Scheiße“, „Ein Clown gehört in den Zirkus“, „Ich hoffe, deine Mutter stirbt bald“, „Du solltest darüber nachdenken, dich zu erschießen.“ Zu den menschenverachtenden Sätzen gab Garcia, Siegerin der WTA-Finals von 2022, ein emotionales Statement ab.

„Dies sind einige der Nachrichten, die ich in letzter Zeit erhalten habe, nachdem ich einige Spiele verloren habe. Es gibt Hunderte. Und jetzt, da ich 30 Jahre alt bin, tun sie immer noch weh, denn am Ende des Tages bin ich nur ein normales Mädchen, das wirklich hart arbeitet und sein Bestes gibt. Ich habe Mittel und Maßnahmen ergriffen, um mich davor zu schützen. Aber so etwas ist weiterhin nicht in Ordnung. Es macht mir große Sorgen, wenn ich daran denke, dass jüngere Spieler das durchmachen müssen. Menschen, die sich als Mensch noch nicht vollständig entwickelt haben und von diesem Hass wirklich betroffen sein könnten. Vielleicht denken sich einige, dass uns das nicht verletzt. Aber es trifft uns. Wir sind Menschen. Manchmal sind wir nach einer harten Niederlage ohnehin emotional zerstört, wenn wir solche Nachrichten erhalten. Diese können Schaden anrichten, bereits sehr viel, bevor dieses Thema überhaupt zur Sprache gebracht haben. Seitdem haben wir keinen Fortschritt erzielt. Die Social-Media-Plattformen verhindern das nicht, obwohl Künstliche Intelligenz immer weiter voranschreitet“, schrieb die Französin.

Turniere verdienen mit Wettanbietern viel Geld

Das Hauptproblem liege laut Garcia an den Wettanbietern. Nach Fußball ist Tennis der umsatzstärkste Sport bei Wetten. Den Frust und die Enttäuschung nach einer verlorenen Wette laden zahlreiche Zocker an den Spielern und Spielerinnen mit üblen Beschimpfungen ab. „Turniere und der Sport arbeiten weiterhin mit Wettunternehmen zusammen, die immer wieder neue Menschen für ungesunde Wetten begeistern. Die Zeiten, in denen Zigarettenmarken Sport sponserten, sind lange vorbei. Dennoch fördern wir Wettunternehmen, die aktiv das Leben mancher Menschen zerstören“, sagt Garcia.

Ein völliges Verbot von Wetten auf Tennis möchte die Französin aber nicht sehen. „Ich sage nicht, dass sie verboten werden sollten, da es den Menschen freisteht, mit ihrem Geld zu machen, was sie wollen. Aber vielleicht sollten wir sie nicht fördern. Wenn sich jemand dafür entscheiden würde, mir diese Dinge in der Öffentlichkeit zu sagen, könnte er rechtliche Probleme bekommen. Also warum haben wir die Freiheit, online alles zu machen? Sollten wir die Anonymität online nicht hinterfragen?“, schrieb Garcia.

Das Problem mit den Wettanbietern: Diese finanzieren zum Teil als Sponsor viele Tennisturniere und sorgen damit auch direkt und indirekt für die Preisgelder der Spieler. Die Profis hingegen dürfen jedoch selbst keine Wetten auf Tennismatches in jeglicher Form vornehmen und dürfen auch keine Sponsorendeals mit Wettanbietern abschließen, gleichzeitig profitieren die Turniere davon, indem sie spielergenerierte Daten an Wettanbieter verkaufen. Nach ihrem Statement erhielt Garcia viel Zuspruch von ihren Kolleginnen. Die Weltranglistenerste Iga Swiatek schrieb: „Danke für deine Stimme!“. Ons Jabeur appellierte: „Lasst uns alle zusammenhalten, um diese Tragödie zu bekämpfen.“

Zverev über Hassnachrichten: „Das musst du weg ignorieren”

Hinter den Kulissen wird daran gearbeitet, um diese immer mehr ausufernde Problematik irgendwie halbwegs in den Griff zu bekommen. So boten die French Open im Vorjahr allen Spielern ein Tool an, um Hasskommentare herauszufiltern. Zum Aktivieren des Systems mussten die Spieler einen QR-Code vor der Verbindung zu ihren Social-Media-Kanälen scannen. Wirklich vorangekommen ist man beim Vorgehen gegen Hass und Hetze gegenüber Tennisprofis seitdem aber nicht. Es ist und bleibt ein ungelöstes Problem.

Jeder Spieler und Spielerin geht damit anders um. „Schaut euch mein Instagram an, wie viel ich da bekomme, wie oft meiner Mutter  oder mir der Tod gewünscht wird. Das musst du weg ignorieren. Was willst du da machen? Es gibt überall auf der Welt dumme Menschen“, sagte Alexander Zverev. Das Perfide ist sogar, dass die Profis selbst bei Siegen Beschimpfungen erhalten.

„Vermeiden lässt es nicht. Man gewinnt ein Match und bekommt trotzdem solche Nachrichten, was völlig absurd ist“, sagte Jule Niemeier. Caroline Garcia hat mit ihren emotionalen Statement einen Nerv bei  ihren Kollegen und Kolleginnen getroffen. Als Karen Khachanov in der ersten Runde nach 5:35 Stunden das längste Match in der Geschichte der US Open verloren hatte, obwohl er im fünften Satz mit 4:0, 40:15 führte, prasselte ebenfalls Hass auf ihn ein. Seine Botschaft: „Schlagt nicht auf einen Mann ein, wenn er am Boden liegt.“