Karolina Pliskova: Tschechiens Ice-Queen
Für Kristyna ist es nicht leicht zu verkraften, dass die Karrierewege auseinandergingen. In Melbourne im Januar wurde sie gefragt, ob sie deshalb frustriert sei: „Das werde ich nicht beantworten. Nächste Frage!“ Ob sie das US-Open-Finale geguckt habe, während sie beim kleinen WTA-Event in Dalian aufschlug? „Ich war in China, also habe ich geschlafen. Ich hatte mein eigenes Turnier, also achte ich nicht richtig darauf, was sie zur gleichen Zeit tut.“ Karolina fühlt sich als bessere Schwester manchmal schlecht. Zumal Kristyna ständig mit ihr verwechselt wird: „Wenn ich gewinne und sie verliert, sagen die Leute ‚Herzlichen Glückwunsch‘ zu ihr. Das ist kein schönes Gefühl. Das macht sie sauer.“
Lange spielten sie gemeinsam Doppel. Als sie den ersten ihrer drei Titel in Linz 2013 holten, wurden sie das erste Zwillingspaar auf der WTA-Tour überhaupt, dem das gelang. Und die neunten Schwestern – die ersten waren Chris und Jeanne Evert 1973. Im Herrentennis gab es bereits erfolgreiche Zwillinge: Tim Gullikson (beste Platzierung im Einzel: 15) und Tom (34) und natürlich Bob (116) und Mike Bryan (246). „Genie“ Bouchard hat übrigens auch eine Zwillingsschwester: Beatrice. Ihre gemeinsame Tenniszeit war aber kurz. „Meine Schwester begann mit mir, als wir fünf waren. Und sie beendete ihre Karriere mit sechs“, erzählte Bouchard einmal.
Trainer bringt Familie nach Deutschland
Die „Pliskova-Twins“ aus Laun in Böhmen fingen schon als Vierjährige mit Tennis an. Die ebenfalls großgewachsenen Eltern Radek und Martina, die inzwischen getrennt sind, taten alles für die Karrieren ihrer Töchter. Karolina und Kristyna hatten als Zehnjährige in den Sommerferien bei einem Coach namens Petr Vrchotka Training, der das restliche Jahr in Deutschland beim TC Fallersleben unterrichtete. Der strenge, aber mit seinen Töchtern sehr enge Vater zog kurzerhand mit der ganzen Familie nach Fallersleben, weil er die Trainingsbedingungen dort für besser hielt.
Und so lebten die Pliskovas bis sie zwölf waren zwei Jahre in Niedersachsen, sie gingen dort in die Orientierungsstufe (sprachen damals auch schon ganz gut Deutsch), nahmen am Bezirkstraining teil und machten hunderte Sparrings mit den Damen und angehenden Herrenspielern. Der damalige Trainer Vrchotka sagte dem tennis MAGAZIN: „Das waren zwei Supermädchen und sie waren schon immer ein Herz und eine Seele.“ Er erinnert sich auch an ein Beispiel dafür, dass Kristyna die Dominantere war. Bei einem Qualifikationsturnier für die tschechische U14-Meisterschaft – die Schwestern waren eigentlich noch U12 und spielten eine Altersklasse höher – schieden beide im Halbfinale aus. Nur einer der Drittplatzierten durfte an der Meisterschaft teilnehmen. Der Vater und der Trainer entschieden, dass die Zwillinge das unter sich ausmachen sollen. „Nach fünf Minuten kam Karolina zu uns und sagte, dass sie sich für Kristyna entschieden hätten.“
Karolina war laut Vrchotka extrem wissbegierig, was Tennis anging. Schon als Elfjährige schrieb sie ihre eigenen täglichen Trainingspläne und wollte genau wissen, weshalb sie welche Übung machte. Der 43-Jährige, der später lange bei Grün-Gold Wolfsburg war und heute als Trainer in der Schweiz arbeitet, hat noch alle Trainingshefte mit ihrer Kinderhandschrift zu Hause. Er betont, dass Karolina nicht nur einen harten Aufschlag und peitschende Grundschläge habe: „Sie ist sehr vielseitig. Sie kann kurz-cross spielen, sie kann Stopps, sie kann Serve-and-Volley. Sie hat einen sehr hohen Tennis-IQ.“