Khaled Ezzedine: Der Macher der Boris Becker Tennis Academy
Der Startschuss für die Boris Becker International Tennis Academy ist gefallen. 24 Millionen Euro werden investiert. Aber wer steckt eigentlich dahinter? tennis MAGAZIN hat den Hauptinvestor Khaled Ezzedine in seiner Firma in Mainz-Kastel besucht.
Erschienen in der tennis MAGAZIN-Ausgabe 8/2020
Text: Dietmar Gessner; Fotos: Thomas Niedermüller
Boris Becker kann sich 25 Jahre später an diese Szene nicht mehr erinnern. Khaled Ezzedine kann sie seit 25 Jahren nicht mehr vergessen. Irgendwann 1995. Becker hat längst dreimal Wimbledon gewonnen, ist ein Weltstar, die Nummer drei der Welt. Er fühlt sich bei seinen Reisen rund um den Globus in der First Class inzwischen weit mehr zuhause als in seinem Geburtsort Leimen. Ezzedine sucht zu der Zeit hingegen einen Job als Pilot, verdient zur Überbrückung sein Geld beim Bodenpersonal der Lufthansa. Immerhin gibt es auch dort einen knackigen Mitarbeiterrabatt. Und so gönnt sich Ezzedine für rund 500 Euro (damals 1.000 D-Mark) einen First-Class-Flug nach Miami.
„Ich war alleine in der First Class. Und plötzlich kam Herr Becker rein“, erinnert sich Khaled Ezzedine beim Termin mit tennis MAGAZIN. Becker habe freundlich gegrüßt und sich auf seinem Platz am anderen Ende der Kabine eingerichtet. „Boris Becker war mein absolutes Idol, aber ich hätte ihn niemals angesprochen“, sagt Ezzedine. Doch dann kam stattdessen Becker auf ihn zu: „Entschuldigen Sie, mein Name ist Becker. Würden Sie mir bitte einen Gefallen tun?“
Treffen in der First Class
Ezzedine antwortet: „Ja, sehr gerne, Herr Becker. Was kann ich für Sie tun?“ Becker sagt: „Ich möchte mich etwas hinlegen und schlafen. Würden Sie bitte darauf achten, dass mich in dieser Zeit niemand fotografiert?“„Selbstverständlich“, antwortet Ezzedine. Becker sollte ungestört schlafen. Kein Passagier, keine Stewardess fotografierte. Und bei Ezzedine brannte sich die Erkenntnis ein: Prominent sein ist nicht immer gut.
Zeitsprung. Ein Vierteljahrhundert später, nicht in 10.000 Meter Höhe, sondern auf sicherem Boden. Khaled Ezzedine hat seine dunkle Anzugjacke abgelegt. Er trägt ein blaues Hemd darunter. Gerade lässt er eine Drohne durch sein Oldtimer-Museum in Mainz-Kastel fliegen. Dorthin hat er tennis MAGAZIN eingeladen. Ezzedine landet die Drohne souverän. Ein erster Vorgeschmack von einem Mann, der Punktlandungen liebt. Einem ehrgeizigen Macher, der gerne die Dinge selbst in die Hand nimmt.
Corona-Zeit. Also knackiger Ellenbogen-Gruß statt Handschlag. Ezzedine lacht: „Herzlich willkommen. Was darf ich Ihnen zu trinken anbieten?“ Er nimmt Latte Macchiato und bittet zur Ledersessel-Sitzgruppe inmitten der Oldtimer. Zwei Stunden waren für das Gespräch abgemacht. Am Ende werden es fast fünf Stunden sein – inklusive Tischtennis-Einheit, die der emsige Immobilien-Unternehmer klar für sich entscheidet, aber dazu später mehr. Fünf Stunden, in denen Khaled Ezzedine immer akzentfrei, akzentuiert, akribisch und ansteckend positiv parliert. Kein Foto-Wunsch des Fotografen ist ihm zu viel. Auf der Academy-Baustelle, zu der er uns später chauffiert, kletterte er sogar im Anzug auf einen Bagger und lächelt gewinnend.
Ein Projekt der Superlative
Ganz zum Schluss sagt er dann: „Ohne meine wunderbare Frau Andrea würde ich das alles gar nicht machen können. Sie kümmert sich die ganze Woche vorbildlich um unsere Kinder. Ich kann ihr gar nicht genug danken für ihren Einsatz. Sie hält mir perfekt den Rücken frei.“ Khaled Ezzedine braucht eine Menge Rückenfreiheit, denn er hat viel vor. Er ist der Visionär, der dem deutschen Tennis mit einem Mega-Projekt zu völlig neuen Möglichkeiten verhelfen will. So sieht er das. Scheitern ist in seiner Gedankenwelt nicht vorgesehen.
Ezzedines Büro liegt im ersten Stock seines Oldtimer-Museums namens Star-timer. Unter ihm blank poliert und akkurat platziert: alter Automobil-Adel. Edle Ferraris und mondäne Mercedes-Raritäten. Das Büro darüber ist mindestens genauso ungewöhnlich. Etwas dunkel. Ezzedines Schreibtisch ist aus einem alten Mercedes gefertigt. Drei Meter davor steht ein Billardtisch. Mit Mercedes-Stern. Denn auch der war mal ein Mercedes.
Vergangenheit. Auf dem roten Tuch liegen hingegen die Dokumente der Zukunft: die Baupläne für die Boris Becker International Tennis Academy. Khaled Ezzedine, der einstige First-Class-Schnäppchen-Ergatterer, heißt der Bauherr, der die Entwürfe stolz präsentiert, jedes Detail preisgibt. Der Namensgeber: Weltstar Becker, der einst für ungestörten Schlaf und das Erhalten seiner Privatsphäre im Flieger um Ezzedines Hilfe bat – obwohl der damals für ihn noch ein Fremder war.
Prominent sein ist oft auch sehr gut. Und so soll der Name Boris Becker nun helfen, die von Ezzedine erdachte Tennis Academy zu einem Erfolg zu machen. Es ist ein Projekt der Superlative. Mit 22 Hallenplätzen entsteht in Hochheim am Main, die größte Tennis-Indoor-Halle der Welt. Ezzedine sagt: „Ohne Stau liegt die Akademie keine 15 Fahrminuten vom Frankfurter Flughafen entfernt.“ 18 Außenplätze wird es geben. Dazu Hotel, Restaurant, Boris Becker-Museum, Top-Trainer und vieles mehr.
Lichtverhältnisse laut ATP-Regeln
Ezzedine und seine Mitinvestoren wenden über 24 Millionen Euro auf, um einen neuen Academy-Maßstab im Welttennis zu erschaffen. Ezzedine freut sich, dass „wir sogar die besten Licht-Verhältnisse nach den Regeln von ITF und ATP anbieten werden“. „Was das angeht“, schwärmt er, „könnte man hier sogar Grand Slam-Turniere veranstalten“. Khaled Ezzedine ist mit seinen Angestellten per Sie. Sie rufen ihn „Chef“. Er hat aber nichts Großspuriges an sich, wirkt in seiner Attitüde niveauvoll und höflich. Gleichwohl strahlt er das amerikanische „Think Big“ aus.
Schritt für Schritt verfolgt er emsig seine Ziele. Er studierte Medizin in den USA, in Atlanta, Georgia, brach ab wegen Ärzteschwemme. Dann machte er in Florida seinen Pilotenschein. Er kellnerte dafür am Abend und putzte Flugzeuge früh morgens ab 6 Uhr. Den Großteil seines Lebens finanzierten da noch seine Eltern. Dann flog er als Pilot für Gulf Air durch die ganze Welt und betrieb anschließend Restaurants. Zwei seiner drei Kinder trainieren in der renommierten Mouratoglou Tennis Academy in Südfrankreich. Jedes Wochenende fliegt der Vater und Ehemann per Lufthansa von Frankfurt an die Cote d‘Azur, um bei seiner Familie zu sein.
Das Nummernschild eines seiner Autos ziert die Kombination LH 787, die 787 ist das Kürzel des „Dreamliners“ – dem Flaggschiff der Flugzeugflotte von Boeing. Dabei hatte er 2013 sein Pilotendasein satt und kündigte bei Gulf Air. Inzwischen generiert er den Großteil seiner Einkünfte aus Immobiliengeschäften.
Hordorff: „Ezzedine ist ein Visionär”
Ein bunter Lebenslauf. Da darf man schon mal fragen: Wer ist dieser Mann? Das fragte sich auch der Deutsche Tennis Bund (DTB). Vizepräsident Dirk Hordorff führte früher als Präsident den hessischen Tennisverband (HTV). Er wohnt direkt in Ezzedines Nachbarschaft. Es gibt wenig deutsche Tennis-Funktionäre, die lokal, regional, national und international so breit vernetzt sind wie Hordorff. Aber Khaled Ezzedine, der zur Entspannung am liebsten Filme mit Fischen schaut („Fische im Fernsehen, dann bin ich glücklich“), war auch Hordorff, der einst Rainer Schüttler in die Weltspitze brachte, kein Begriff. Dann lernten sie sich kennen. Nun sagt Hordorff: „Herr Ezzezine ist seriös und ein Visionär. Es wäre großartig, wenn seine Pläne so umgesetzt werden. Das wäre ein Segen für das deutsche Tennis.“ Hordorff sieht reelle Chancen für den Erfolg der Akademie.
Damit befindet er sich illustrer Gesellschaft. Dirk Westedt, der Bürgermeister von Hochheim, gab sein Okay zur Bereitstellung des 48.000 Quadratmeter großen Areals (siehe Interview S. 92). Ob bei Politikern, Funktionären oder Unternehmern – Ezzedine gelang in den vergangenen zwei Jahren mit viel Überzeugungsarbeit, Menschen zu begeistern. So gewann er Peter Schmidt, den ehemaligen Präsidenten des Deutschen Arbeitgeberverbandes (DAV) und heutigen Ehrenpräsidenten, als Direktor der Akademie. Ezzedine selbst ist DAV-Vorstandsmitglied.
Interessant war die Reaktion von Becker, als Ezzedine ihm am Telefon seine Pläne vorstellte: „Auf so einen Anruf habe ich 20 Jahre gewartet“, habe Becker gesagt, erinnert sich Ezzedine. Becker hat nun den Ehrgeiz, das Konzept im sportlichen Bereich mitzubestimmen. Seine Expertise ist ausdrücklich erwünscht. Aber Ezzedine hat ihm gleichwohl bereits erklärt: Die Entscheidungen trifft Ezzedine, nicht Becker. Wie tennis MAGAZIN erfuhr, hat es auch schon geknallt zwischen den beiden Alphatieren, sogar ein Ende der Partnerschaft stand im Raum. Am Ende aber war wohl beiden klar, dass die Symbiose unschlagbar ist – Ezzedine braucht den Star als Galionsfigur, Becker braucht Ezzedine als finanziellen Taktgeber seines eigenen Traums.
Kinder trainieren in der Mouratoglou-Akademie
Denn Ezzedine bezahlt das Ganze. Und er hat früh gelernt, dass Arbeit, Entscheidungsfreude und Verantwortung einander bedingen. Ezzedines Eltern kamen 1969 als Wirtschaftsflüchtlinge aus dem Libanon ins Rhein-Main-Gebiet. „Mein Vater hat nie ein Arbeitsamt von innen gesehen. Er wollte sofort arbeiten“, sagt Ezzedine. Und Ezzedine senior schrieb eine Einwanderer-Erfolgsgeschichte. Im Automobilbereich etabliert er sich nachhaltig und erwirtschaftet für eine Familie Wohlstand und Sicherheit. Klein-Khaled wollte in seiner Jugend von Tennis noch nichts wissen. Er war und ist ein guter Fußballer. Von der F-Jugend bis in die 1. Herrenmannschaft kickte er für Kastel 06. Bis hoch in die Oberliga. In der A-Jugend gelangen ihm mal 49 Tore in einer Saison. Bruno Hübner, nun Sportdirektor bei Eintracht Frankfurt, war bei Kastel 06 einst sein Vereinskollege.
Tischtennis kann er auch. Im Museum steht eine Platte. Linkshänder Ezzedine bittet den Reporter zum Duell. Er gewinnt klar. Dabei bleibt dennoch der Eindruck haften, dass er seinen Gast und Gegner einigermaßen gut aussehen lassen wollte. Danke dafür. Und Tennis? Konsumiert er eher passiv, am Fernsehen. Da aber fanatisch. Von seinem aktuellen Akademie-Partner Boris Becker war er begeistert. Er liebte es, ihn beim Spielen zuzuschauen. Ezzedine selbst kam erst als Erwachsener zum Spiel mit Schläger und Filzkugel, bestritt schnell Medenspiele.
Als sein Sohn Hani-Luke, heute 13, sechs Jahre alt war, schaute er erstmals beim Tennistraining für Kinder zu. Ezzedine senior war sofort motiviert. Seitdem spielt auch er. Seine Tochter Sophie-Louise (12) begann als Neunjährige. Seit zwei Jahren sind die beiden Kinder, begleitet von ihrer Mutter Andrea, auf der Akademie von Patrick Mouratoglu, dem Trainer von Serena Williams. Sobald die Boris Becker Academy fertig ist, zieht die Familie wieder in Mainz-Kastel zusammen. Anders gesagt: Der Unternehmer Ezzedine hat auch als Papa allen Grund zur Vorfreude auf das Gelingen des Projektes.
Ezzedine sieht sich nicht als Hasadeur
Wird es klappen? Skeptiker erinnert Hordorff gerne an die Anfänge der Gerry Weber-Open. Der Vergleich mag ein wenig hinken. Aber auch dort entstand eine Säule des deutschen Tennis mit internationaler Strahlkraft aus dem Antrieb eines ehrgeizigen Unternehmers. Verkürzt war es so: Weil der Textil-Unternehmer Gerhard Weber verlässliche Platz-Verfügbarkeit zum Spielen für sich und seine Freunde brauchte, baute er kurzerhand eine Halle. Aus dieser Keimzelle entstand das Turnier, das als Gerry Weber Open Weltstars in die ostwestfälische Provinz lockte.
„Der Standort der Academy ist sogar besser“, sagt Hordorff. Ezzedine hat dem DTB schon angeboten, dort Turniere, Trainingslager und Seminare zu veranstalten. Um Missverständisse zu vermeiden: Der DTB gehört nicht zu den Geldgebern des Projektes, nimmt keinen Einfluß. Aber beim DTB werden Entstehen und Ausrichtung der Academy sehr genau beobachtet. Und das nicht nur, weil Namensgeber Boris Becker – und hier schließt sich der Kreis – beim DTB Head of Men‘s Tennis ist.
„In der Umgebung unserer Academy sind in den vergangenen Jahren sehr viele Tennishallen geschlossen worden und viele Plätze verloren gegangen“, sagt Ezzedine. Auch der dadurch entstandene Mangel sei ein Trumpf für das Projekt. Ezzedine sieht sich nicht als Hasadeur, unnötiges Risiko lehnt er ab. So wie einst als Pilot. Da brannte zwischen Wien und Budapest einst das rechte Triebwerk. Ezzedine entschied sich für die Notlandung in Wien – weil dort die Standards in Sachen Technik und Sicherheit höher waren. Ezzedine glaubt fest an die Bedeutung von Qualität. Und daher soll in der Boris Becker International Academy alles so sein wie dort, wo sich Becker und Ezzedine erstmals begegneten: First Class.
Fakten Boris Becker International Tennis Academy
Kosten: 24 Millionen Euro
Größe des Academy-Areals: 48 000 qm
Anzahl Courts: 22 in der Halle plus Fitnesscourt (größte Indoor-Tennishalle der Welt), 18 Außenplätze
Beläge: Hartplatz (Rebound Ace), Sand
Zuschauerkapazität Center Court: 3.000 (ausbaubar)
Anzahl Trainer: 30
Baubeginn: Juni 2020
Fertigstellung erster Bauabschnitt (acht Hallenplätze): Herbst 2020
Geplante Eröffnung: Ende Sommer 2021 (Schuljahresbeginn)
Aufnahme-Kapazität der Jugend-Akademie: bis zu 270 Kinder und Jugendliche zwischen 11 und 19 Jahren
Aufnahmestart: bereits erfolgt
Schulische Begleitung: Dr. Obermayr-Schule, 5. Klasse bis zum Abitur (13. Klasse/G9)
Unterrichtssprache: Englisch
Klassengröße: 10 – 15 Kinder
Unterbringung der Schüler: Boarding House mit 270 Betten
Hotel & Unterbringung: Dorint Hotel 4 Sterne Superior 110 Zimmer (Bauabschnitt 2: plus weitere 160 Zimmer); separate Wohneinheiten/Appartements für Eltern von Academy-Absolventen/VIPs/Profis
Gastronomie: Restaurant mit internationaler Küche, 160 Innenplätze, 100 Außenplätze
Service-Angebote: Tennispoint Pro Shop, Fitness-Studio
Welt-Neuheit: Boris Becker-Museum
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