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Kiefer: „Es gibt nicht viele Freunde“

Tennisstar Nicolas Kiefer steht vor seinem Comeback. Nach einem Jahr Zwangspause spricht der 30-Jährige im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (sid) über seine Verletzung und die Freundschaften, die er als Profi-Sportler geschlossen hat.

sid: Nicolas Kiefer, vor zwei Jahren haben Sie in Melbourne mit dem Erreichen des Halbfinals einen der größten Erfolge Ihrer Karriere gefeiert. Freuen Sie sich deshalb besonders, nach einem Jahr Zwangspause wieder bei den Australian Open antreten zu können?

Nicolas Kiefer: „Ja, Melbourne ist eines meiner Lieblingsturniere. Nicht nur, weil ich da zuletzt sehr erfolgreich war. Australien ist immer eine Reise wert. Das Wetter ist immer gut und das sachkundige und faire Publikum auch. Es ist schon was anderes, wenn die Sonne scheint und es warm ist.“

sid: Gab es während Ihrer Zwangspause Kontakte zu Davis-Cup-Kapitän Patrik Kühnen oder Spielerkollegen? Haben die sich bei Ihnen erkundigt, wie es geht?

Kiefer: „Ich habe mit Rainer Schüttler öfter gesprochen, Andre Agassi hat angerufen, auch Bob Brett. Sonst hat sich keiner gemeldet. Aber ich habe das auch nicht vermisst. Das hat mir nur nochmal gezeigt, was für eine Welt das ist. Boris Becker hat mal gesagt, die Szene ist ein Haifischbecken. Fressen und gefressen werden. So ist das.“

sid: Freunde in der Tennisszene gibt es also nicht?

Kiefer: „Nein, es gibt nicht viele Freunde. Fußball-Nationalspieler Per Mertesacker ist einer. Wir haben uns mal bei der Reha kennengelernt. Er ist auch Hochleistungssportler und kann sich in meine Situation reinfühlen, wie es ist, in der Öffentlichkeit zu stehen und Leistung zu bringen, wie man mit Verletzungen umgeht.“

sid: Ihre Saison-Vorbereitung in Pattaya begann mit einem Schreck, als Sie Anfang Dezember im Training umknickten. Dann mussten Sie letzte Woche beim Turnier in Doha aufgeben. Wie geht es Ihnen jetzt?

Kiefer: „Zum Glück war im rechten Sprunggelenk nur ein Band angerissen. Die Erfahrungen aus der langen Verletzungspause haben mir dabei sehr geholfen. Ich weiß, dass es immer weitergeht. Doha war Training unter Wettkampfbedingungen, als ich Schmerzen hatte, habe ich deshalb als Vorsichtsmaßnahme sofort aufgegeben.“

sid: Sind Sie selbst ein wenig überrascht, dass Sie zum Jahresbeginn nach nur sechs Monaten schon wieder auf Platz 49 der Weltrangliste gelandet sind?

Kiefer: „Ja, toi, toi, toi. Es hat alles gut geklappt. Ich hatte zu Beginn meines Comebacks gehofft, unter die Top 100 zu kommen, damit ich in Melbourne das Hauptfeld schaffe. Ich hatte mit dem Protected Ranking neun Monate und acht Turniere Zeit. Das war auch Druck, da musste ich gut spielen. Insgesamt ist es aber ein Geschenk, wieder dabeizusein.“

sid: Gab es in der langen Zeit auch Momente voller Angst und Zweifel, dass es nicht mehr klappt mit dem Comeback?

Kiefer: „Die hatte ich nie. Ich habe gelernt, mir Zeit und Ruhe zu geben. Immerhin konnte sich der ganze Körper mal über längere Zeit richtig erholen. Mit der Hand war es aber Mist. Ich bin zum Teil nachts von den Schmerzen aufgewacht. Nach der OP tägliche Physiotherapie. Das ist ja alles vernarbt. Das waren unglaubliche Schmerzen, ich konnte nicht am Stück durchschlafen und musste wieder lernen, jeden Finger zu bewegen.“

sid: Haben Sie in dieser Zeit darüber nachgedacht, welche Alternativen Sie zum Profitennis haben?

Kiefer: „Ehrlich, ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht. Wenn ich mich damit befasse, bin ich nicht mehr hundertprozentig beim Sport. Ich habe im Hintergrund ja mein Sportmanagement-Studium. Die sechs schriftlichen Prüfungen habe ich schon bestanden. Nur die Endprüfung steht noch aus. Bisher hat mir einfach die Zeit gefehlt, das zu beenden. Ich habe auch guten Kontakt zu Ralf und Gerry Weber, habe Freunde bei Hannover 96 und kenne den 96-Präsidenten Martin Kind ganz gut.“

sid: Wie lange haben Sie noch vor, auf der Tour zu spielen?

Kiefer: „30 ist kein Alter. Ich habe noch viel vor mir. Mein Ziel ist 2012. Es wäre schön, in London zum vierten Mal an Olympischen Spielen teilzunehmen. Ich bin mit 30 ja noch jung.“

sid: Im Februar steht der Davis Cup an, ist das ein Thema für Sie?

Kiefer: „Der Davis Cup steht auf meinem Turnierplan. Wenn ich dabei sein kann, freue ich mich. Aber das liegt nicht in meiner Hand sondern ist die Entscheidung von Patrik Kühnen.“

sid: Ihr Davis-Cup-Kollege Tommy Haas hat schon mehrfach mit ehemaligen Trainern von Ihnen erfolgreich zusammengearbeitet. Befürchten Sie, dass er Ihnen nun Sascha Nensel abwirbt?

Kiefer: „Wahrscheinlich bin ich ein gutes Vorbild für Haas bei der Trainerwahl. Nein, im Ernst: ich habe mit Sascha gesprochen, wir haben noch viel vor und unsere Zusammenarbeit langfristig geplant.“

sid: Sie engagieren sich für viele soziale Projekte, vor allem für die Aktion Kindertraum. Wie kam es dazu und was bedeutet Ihnen das Engagement?

Kiefer: „Den Kontakt gibt es seit 1999/2000. Ich habe damals einen Schaukampf in Hannover gemacht, zugunsten eines 16 Jahre alten Jungen, der an Muskelschwund litt und den Traum hatte, in Amerika mal ein Indianerreservat zu besuchen. Auch sein kleiner Bruder, 12, 13 Jahre alt, hatte die gleiche Krankheit. Der Große saß schon im Rollstuhl. Zwei Wochen vor der geplanten Abreise ist er gestorben. Der Kleine braucht inzwischen auch einen Rollstuhl. Da sieht man erst, wieviel Glück man hat im Leben. Ich hatte nur eine Handgelenkverletzung, na und?“

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