Kiefer spielt sich in Hamburg zur Nummer eins
Es war ein langer Weg, zwölf Jahre hat er gedauert. Aber jetzt ist Nicolas Kiefer bei den deutschen Tennisfans angekommen. Beim ATP-Turnier in Hamburg wird der 30-Jährige bejubelt wie noch nie in seiner Laufbahn. Schon beim Davis Cup in Bremen hatte er die Fans bedingungslos hinter sich. Ein alter Bekannter, der sich plötzlich in die Herzen gespielt hat. „Es war Gänsehaut, ein Riesengefühl“, sagte er zu den Ovationen am Rothenbaum nach seinem großen Sieg gegen den Weltranglisten-Vierten Nikolai Dawydenko: „Am liebsten hätte ich bis Freitag da weitergestanden.“
Nach dem Einzug ins Viertelfinale beim wichtigsten deutschen Tennisturnier löst Kiefer ab Montag Philipp Kohlschreiber in der Weltrangliste als Deutschlands Nummer eins ab. Mindestens auf Platz 37 wird er dann notiert sein. Besser war er seit seinem Comeback im vergangenen Sommer noch nicht, als er bei 0 Punkten wieder ganz von unten beginnen musste. „Erfolg erreicht man durch Arbeit, Disziplin und Ehrgeiz“, sagt Kiefer: „Deshalb stehe ich wieder da, wo ich stehe.“
Charaktertyp „Kiwi“ ist Kult
Die neue Popularität kommt nicht allein vom sportlichen Erfolg, der ihm nun erstmals auf deutschem Boden gelungen ist. Er ist ein Charaktertyp geworden. Der Dreitagebart, das weiße Stirnband, echte Emotionen auf dem Platz – der einst so verschlossen wirkende Niedersachse nimmt die Leute mit. Da ist eine ganz andere Verbundenheit zu spüren als früher. „Kiwi“ ist plötzlich Kult.
Die lange Verletzungspause von Mai 2006 bis Juni 2007 hat den Menschen Kiefer verändert. Länger als ein Jahr und durch zwei Operationen quälte er sich, bis sein linkes Handgelenk wieder hielt. „Ich habe in dieser Zeit gemerkt, dass es auch anderes im Leben gibt als Tennis, mein Körper konnte sich richtig erholen, und ich bin wieder mit meiner Freundin Inga zusammengekommen“, sagt Kiefer: „Es war ein gutes Jahr.“
Jahrelang war er ein Spieler, der polarisierte. Wenige mochten ihn, im Schatten des Publikumslieblings Tommy Haas spielte Kiefer immer nur die zweite Geige. Er hielt nie mit seiner Meinung zurück, wirkte auf dem Platz manchmal unmotiviert, hatte oft eine negative Ausstrahlung und Körpersprache. Verbissen folgte er seinem Sport. „Er ist ein unverdienter Halbfinalist, übellaunig, schlecht erzogen und unflätig“, kommentierte die Australische Tageszeitung „The Age“ nach Kiefers größtem Erfolg bei den Australian Open 2006.
„Die neue Liebe“ macht Kiefer stark
Vorbei. Das soziale Engagement für die Aktion Kindertraum hat auch seine Perspektive verändert: „Wenn ich sehe, wie es diesen Kindern geht, dann weiß ich, dass meine Probleme gar nichts sind.“ Und so wacht er nun jeden Morgen dankbar dafür auf, dass er noch Tennis spielen kann. Inga schafft das solide private Fundament. „Die neue Liebe“, erklärte er öffentlich auf dem Centre Court, mache ihn so stark. Er meinte seine Freundin und spürte die Zuneigung der Fans.
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