King Richard: Der Oscar-Film mit Will Smith
Richard Williams hat die Karriere seiner Töchter Serena und Venus auf dem Reißbrett geplant. Der Film „King Richard” setzt dem schillernden Tennisvater ein Denkmal. tennis MAGAZIN hat den Streifen gesehen – und war beeindruckt.
Eins vorweg: Sollten Sie der englischen Sprache mächtig sein, sehen Sie sich „King Richard“ im Original an. Wenn auch der Ghetto-Slang von Titelheld und Kinostar Will Smith am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig klingt – es lohnt sich. Gerade weil die Sprache Teil der Story ist. Hier die Sprache der unterpriviligierten Schwarzen, dort das gepflegte American English der weißen Oberschicht, die Welt, in die die Williams eindringen. Falls das Zuhören schwerfällt – zur Not gibt es ja noch Untertitel.
Es war Zeit, dass die Geschichte um den Aufstieg des Williams-Clans verfilmt wurde. Es ist bester Hollywoodstoff. Und es passt in die Zeit, in der das Thema Rassismus immer wieder die Schlagzeilen bestimmt. Verfilmte „Märchen“ können schnell kitschig wirken. Rosamunde Pilcher und das ZDF lassen grüßen. Im Fall von „King Richard“ muss man attestieren: Von zu viel Zuckerguss keine Spur. Der Film ist ein Meisterwerk, authentisch und echt. Das liegt zum einen an der Klasse von Will Smith, der als Richard Williams in jeder Passage begeistert. Das liegt auch an den perfekten Tennisszenen. Wie ärgerlich es ist, wenn Vor- und Rückhand dilletantisch aussehen, hat man gerade erst im Boris Becker-Film bei RTL gesehen.
Die Karriere der Williams-Schwestern im Voraus geplant
Stark, wie die Schauspielerinnen Saniyya Sidney alias Venus und Demi Singleton alias Serena auf die Kugeln dreschen. Dennoch: Die späteren Superstars stehen in dem 140 Minuten langen Streifen in der zweiten Reihe. Die Präsenz von Williams senior – hochgezogene weiße Socken, knallenge rote Shorts, Trainingsjacke, Sneakers, groß, bärtig, müde Augen – ist massiv.
In der Anfangssequenz in einem der reichen Clubs in L.A. sammelt er Bälle aus der Mülltonne und drückt jedem, der nicht schnell genug weglaufen kann, eine Broschüre mit dem Titel „Vom Wunderkind zum Profi“ in die Hand. Auf 78 Seiten hat er alles notiert. Der Weg war skizziert, bevor Serena und Venus auf der Welt waren. „Wir müssen noch zwei Kinder machen“, sagte er seiner Frau Oracene ‚Brandy‘ (großartig gespielt von Aunjanue Ellis), ganz wie im wahren Leben. Dass er ihr angeblich die Antibaby-Pille geklaut hat, wird im Film allerdings nicht erwähnt.
Williams tut alles, damit aus den Letztgeborenen von fünf Töchtern Stars werden. Er schiebt Nachtschichten als Sicherheitsmann. Tagsüber kutschiert er sie im T2-VW-Bus zu ramponierten Courts im Ghetto, lässt sie mit vollgesogenen Bällen im Regen trainieren, legt sich mit jugendlichen Schlägern an und wird verprügelt.
King Richard hat zwei Trümpfe in der Hand
In einer Szene hat er es satt, sich erniedrigen zu lassen. Im Affekt fährt er dem Clan hinterher, zieht seine Waffe und will den Rädelsführer erschießen. Doch ein Mitglied einer verfeindeten Bande kommt ihm zuvor und erschießt den Williams-Peiniger. Ob es in der Realtiät auch so war? Egal, dramaturgisch, noch untermalt von den Polizei-Sirenen, die nach dem Schuss durch die Straßen hallen, passt es bestens in die Williams-Rolle.
Sie entwickelt sich vom Autodidakten mit damals revolutionären Visionen – „Open Stance“, offene Schrittstellung, ruft er den weißen Tennisspielern im vornehmen Pacific Palisades-Club zu – zum Bestimmer. Egal, ob McEnroe-Coach Paul Cohen oder Trainerlegende Rick Macci – sie alle müssen sich der Williamschen Autorität beugen. Denn „King Richard“ hält die Trümpfe in der Hand: Venus und Serena Williams.
Als Cohen zwei schmierige Manager anschleppt, die die aufstrebende Venus unter Vertrag nehmen wollen, bringt Williams alias Smith seinen ganzen Unmut zum Ausdruck, in dem er – nun ja – flatuliert. Als Macci vor dem erstem WTA-Turnier der inzwischen 14-jährigen Venus Williams in Stanford, Kalifornien, einen Nike-Manager (gespielt von Mad Men-Star Rich Sommer) in eine Suite bestellt, wird er düpiert, weil der Williams-Clan einen Sponsorenvertrag über drei Millionen Dollar ablehnt.
Viel Liebe zum Detail
Was den Film so eindrucksvoll macht, sind Szenen wie diese, die sich in der Realtiät ja tatsächlich so oder so ähnlich abgespielt haben. Spaß macht auch die Liebe zum Detail wie anfangs die alten Ballkörbe und Rackets im T2-Bulli. Als die Williams-Familie im luxoriösem Wohnmobil von Kalifornien durch die karge Wüstenlandschaft nach Florida fährt, hat der Aufstieg längst begonnen. Ziel: die Rick Macci-Akademie, ein Paradies unter Palmen, in dem das Plopp-plopp auf den grünen Aschenplätzen zum verheißungsvollen Soundtrack der künftigen Karriere wird.
In Florida logieren die Williams in einer tollen Villa (bezahlt von Macci). Einmal fetzen sich die Eltern Richard und Oracene – ein Vorgeschmack auf die spätere Trennug im realen Leben. Es ist der Moment, in dem der Kino-Zuschauer spätestens realisiert, dass die Figur Williams vielschichtiger ist. Er ist nicht nur Superdaddy und Architekt der Laufbahn seiner Töchter, der Mann, der sie immer wieder mit Sprüchen wie „If you fail to plan, you plan to fall“ (Wer nicht plant, plant den Absturz) motiviert. Nein, er entpuppt sich auch als Egomane, der alles bestimmen will, von eigenen Auftritten in den Medien bis zu den Turnieren, die er Venus verbietet zu spielen.
Dass seine Frau wahrscheinlich mindestens ein so guter Coach ist wie er, sieht er nicht. Während Richard Venus im Nobelclub begleitet, trainiert Oracene Serena auf unscheinbaren Plätzen und formt sie en passant zum nächsten Champion.
Einer der besten Tennisfilme, der je gedreht wurde
Was den Machern von „King Richard“ wunderbar gelingt: Sie schaffen es spielerisch leicht, drei Themen zu verbinden: die klassische amerikanische „Vom Tellerwäscher zum Millionär“-Aufsteigergeschichte (wobei Venus und Serena im Film keine Teller waschen, sondern Telefonbücher in der Nachbarschaft verteilen), den Rassenkonflikt zwischen der schwarzen Unter- und der weißen Oberschicht sowie die späteren Abstürze gehypter Wunderkinder.
Richard Williams isst gerade einen Burger mit Pommes im Clubhaus von Macci, als die Story von der wegen Drogen-Besitzes verhafteten Jennifer Capriati über den Fernseher flimmert. Am Ende setzt sich Venus gegen den Helikopter-Vater doch durch, als sie mit 14 ihr Profidebüt gibt. Mit der Zweitrundenniederlage gegen die Weltranglistenzweite Arantxa Sanchez Vicario 1994 in Stanford endet einer der besten Tennisfilme, der je gedreht wurde.
Infos King Richard
Filmstart: 24. Februar 2022 in Deutschland
Dauer: 140 Minuten
Genre: Biopic, Drama, Sportfilm
Schauspieler: Will Smith (Richard Williams), Saniyya Sidney (Venus Williams), Demi Singleton (Serena Williams)
Preise: Nominierung in fünf Oscar-Kategorien, u.a. als bester Film. Will Smith bekam den Oscar sowie den Golden Globe als bester Hauptdarstellermens jordan shoes release dates | off white nike presto white aa3830 100