Laver Cup 2023

Siegreiche Weltauswahl beim Laver Cup in Vancouver: Milos Raonic, Tommy Paul, Christopher Eubanks, Taylor Fritz, Frances Tiafoe, Felix Auger-Aliassime, Patrick McEnroe (Vizekapitän; Reihe oben v.l.n.r.), John McEnroe (Kapitän), Ben Shelton, Rod Laver (Namensgeber), Francisco Cerundolo (Reihe unten v.l.n.r.). ©Getty Images

Laver Cup: Der Cup der guten Hoffnung

Der Laver Cup klotzt, statt zu kleckern. Seit seiner Premiere im Jahr  2017 integriert das Event Weltklasse, um selbst Weltklasse auszustrahlen.

Erschienen in der tennis MAGAZIN-Ausgabe 11/2024
Text: Dietmar Gessner

John McEnroe liebt Druck. Er hat ihm oft standgehalten: Alleine im Einzel holte er sieben Grand Slam-Titel, war 170 Wochen lang die Nummer eins der Welt. Und er macht gerne Druck. Immer schon. Auf Gegner, auf Schiedsrichter, auf sich selbst. Und wenn der Druck dann abfällt, dann mag er es gerne laut, deutlich – und nicht so ganz druckreif. „Wir haben ihnen in den Hintern getreten“, ist deshalb die leicht angepasste Übersetzung von McEnroes Jubelgetöse, nachdem das Team World den Laver Cup 2023 gegen das Team Europe gewonnen hatte. McEnroe ist Kapitän des World-Teams, seit der Wettbewerb 2017 erstmals ausgetragen worden ist. Nun sitzt er in einem fensterlosen Raum in den Katakomben der Rogers-Arena von Vancouver und schmaucht eine mächtige Siegerzigarre. Mit 13:2 hatte seine Mannschaft triumphiert. Etwas zu deutlich, um echte Spannung zu erzeugen. 

Aber ist der Laver Cup überhaupt für Spannung zuständig? Oder eher für Entspannung? Diese Frage ist noch nicht beantwortet. Doch diese Beantwortung ist womöglich die Schlüsselfrage für die Perspektive und Attraktivität dieses Mannschaftswettbewerbes. 

Borg: „Laver Cup ist schönste Zeit des Jahres”

Bei der Auflage 2023 war in keinem der beiden Teams ein Grand Slam-Sieger vertreten. Aus den Top 10 der ATP-Weltrangliste waren nur Andrey Rublev (ATP-Rang sechs), Taylor Fritz (USA/ATP-Rang acht) und der Norweger Casper Ruud (ATP-Rang neun) dabei. Ein Grund: Der Laver Cup ist zwar ein ATP-Event, aber es werden bisher keine Weltranglistenpunkte ausgespielt. John McEnroe würde das gerne ändern:  „Der Laver Cup ist schon groß, aber er kann noch größer werden. Ich denke, es sollten Weltranglistenpunkte vergeben werden.“

John McEnroe

John McEnroe ist seit 2017 Kapitän von Team World im Laver Cup. ©Getty Images

Auch störte ihn im Gespräch mit tennis MAGAZIN, dass parallel zum Laver Cup weitere Turniere auf der ATP-Tour stattfinden: „Der Fokus sollte zur Zeit der Austragung ausschließlich auf dem Laver Cup liegen. Es ist nicht gut, wenn gleichzeitig andere Turniere angesetzt sind.“ 

So spielte zum Beispiel Olympiasieger Alexander Zverev nahezu gleichzeitig im chinesischen Chengdu sehr erfolgreich um Siege, Punkte und Preisgeld. Der Hamburger gewann dort das ATP-250er-Turnier, setzte sich im Finale gegen Roman Safiullin durch. Dabei hatte er gleichwohl weniger Schulterklopfer, als im Laver Cup üblich sind. Der Teamgedanke steht dort über allem. Bei den Partien sitzen die Teamkollegen im Halbkreis hinter dem Kapitän direkt an der Spielerbank. Bei jedem Bankaufenthalt des aktiven Spielers gibt es Interaktion, Kommunikation und eine gehörige Prise Motivation. 

 „Für mich ist die Zeit beim Laver Cup meine schönste Zeit des Jahres“, schwärmt Björn Borg (67). Die schwedische Ikone ist Kapitän vom Team Europe. Und so ist der Laver Cup auch die Verlängerung des geradezu tennis-historischen Duells von John McEnroe und Björn Borg.

Laver Cup: Ryder Cup als Vorbild

Der Laver Cup möchte wachsen und orientiert sich dabei an einem der prestigeträchtigsten Teamwettbewerbe der Sportwelt. „Unser Vorbild ist der Ryder Cup im Golf“, sagt McEnroe. Dieses Teamduell zwischen den USA und Europa – just Ende September/Anfang Oktober in Rom ausgetragen – ist über 100 Jahre alt. Für die besten Golfer der Welt ist ein Triumph im Ryder Cup einer der wichtigsten erreichbaren Siege überhaupt und hat die Bedeutung eines Masters-Erfolges.

Björn Borg

Björn Borg gewann mit Team Europe die ersten vier Ausgaben des Laver Cups. ©Getty Images

Das hieße übersetzt auf Tennis: Ein Laver Cup-Sieg steht auf einer Stufe mit einem Grand Slam-Titel. Von diesem Standing ist der Laver Cup weit entfernt. Aber für McEnroe steht außer Zweifel, dass ein ähnlicher Anspruch das Ziel sein muss: „Wir haben Rod Laver, wir haben Roger Federer. Legenden. Und es ist eine Menge Geld im Spiel.“

Der Laver Cup klotzt, statt zu kleckern. Vor allem im sogenannten Rocket Club. „Rocket” ist bis heute der Spitzname von Rod Laver. Der Rocket Club ist der VIP-Bereich beim Laver Cup. In Vancouver umfasste dieser 1.200 sehr edel gestaltete Quadratmeter und bot Platz für 650 Gäste. Ein Ort zum Sehen und Gesehen-werden. Hier treffen sich Multiplikatoren bei ausgewählten Speisen und erlesenen Getränken. 

Laver Cup: 18 Millionen Euro für die Premiere in Prag

Steve Zacks ist der CEO des Laver Cups. Der drahtige 62-jährige US-Amerikaner war ständig im Rocket Club unterwegs. Stimmung ausloten, Kontakte pflegen, Kontakte knüpfen. Er weiß, dass der Laver Cup als eigene Marke wahrnehmbar sein muss. „Der Laver Cup ist ein ‘bucket list event’“, sagt Zacks. So wünscht er es sich vor allem. Zacks arbeitet dafür, dass für Spieler, Sponsoren, Zuschauer und potenzielle Gastgeber-Städte der Laver Cup immer attraktiver wird. 

Steve Zacks – Laver Cup

Topstars in Deutschland: Steve Zacks (re.), der CEO vom Laver Cup, freut sich auf das Gastspiel in Berlin. ©Getty Images

Über die Höhe der Kosten wird offiziell nicht gesprochen. Aber die Investitionen sind erheblich. Für das erste Laver Cup-Wochenende, 2017 in Prag, wurden angeblich etwa 18 Millionen Euro aufgewendet. 

Dabei wird im Laver Cup sehr viel Wert auf die Art der Präsentation gelegt. So ist nur beim Laver Cup der Court schwarz. Es ist das Alleinstellungsmerkmal es Teamwettbewerbes, bei keinem anderen ATP-Turnier ist das der Fall. 

Das Team Europe trägt grundsätzlich blaue Kleidung (angelehnt an die blaue Europa-Flagge), das Team Welt ist in Rot eingekleidet. Eine aufwändige Lichtshow taucht die Arena in blaues und rotes Licht. So entsteht eine sehr stimmungsvolle Atmosphäre. Die Besucher in Vancouver waren begeistert. Per QR-Code konnten sich interessierte Zuschauer sogar als Zuhörer zu den Gesprächen auf den Teambänken zuschalten. Das schafft Nähe.

Laver Cup integriert Weltklasse, um als Event selbst Weltklasse auszustrahlen

Auch Tribünengäste von Weltrang werteten den Laver Cup auf. Chris Martin, der Sänger von Coldplay, schaute zwischen zwei Konzerten in Vancouver vorbei. Die deutsche Basketball-Ikone Dirk Nowitzki war ebenfalls da. Beim Gala-Dinner war festliche Kleidung Pflicht. Zur Eröffnung hatte der Rockschnulzen-Dauerbrenner Richard Marx seinen Auftritt. Moderiert wurde der Abend vom Kanadier David Foster. Der ist nicht nur Schwiegervater von Tommy Haas. Vor allem im amerikanischen Unterhaltungsbusiness ist Foster eine Gigant. Er hat 16 Grammys (der „Musik-Oscar“) gewonnen, für Weltstars wie Whitney Houston und Celine Dion komponiert. Kurzum: Der Laver Cup integriert Weltklasse, um als Event selbst Weltklasse auszustrahlen. 

Dabei arbeiten die Macher um Roger Federer, sein Manager Tony Godsick und Steve Zacks eng mit den Tennisverbänden der USA und von Australien (Heimat von Rod Laver) zusammen.

Ben Shelton, Frances Tiafoe

Geschafft! Ben Shelton und Frances Tiafoe machten in Vancouver beim Auftaktdoppel am letzten Tag den Gesamtsieg für Team World perfekt. ©Getty Images

Hingegen hat der Tennis-Weltverband ITF nichts mit dem Laver Cup zu tun. „Mit der ITF gibt es bezüglich des Laver Cups keine Zusammenarbeit“, bestätigt Zacks. Im Rocket Club machte gleichwohl immer mal wieder der Verdacht die Runde, dass die ITF durchaus etwas neidisch auf den Laver Cup schauen könnte. Die Ausstrahlung, Qualität und Quantität der Sponsoren – all das wirkte so, als dass es auch dem Davis Cup gut zu Gesicht stehen würde. 

Kann der Laver Cup den Davis Cup ablösen?

Früher, da war nämlich der Davis Cup der Teamwettbewerb unter Nationen schlechthin. Aber der Ruf des Traditionswettbewerbes hat gelitten. Kann der Laver Cup so eine Lücke füllen, in der Tennis als Teamsport begeistert und begeisternd zelebriert wird? Abwarten.

Rod Laver selbst war natürlich in Vancouver auch dabei. 85 Jahre ist er inzwischen alt. Noch immer ist er der einzige Tennisprofi, der zweimal (1962, 1969) je alle vier Grand Slam-Turniere eines Jahres gewonnen hat. Bis heute unerreicht sind auch seine 628 Partien, die er in Wimbledon bestritten hat. Im Rocket-Club hingen Bilder, Originalplakate der von ihm genutzten Holzschläger an den Wänden. 

Auch jüngeren Betrachtern wurde dabei deutlich: Dieser Mann ist eine Person der Zeitgeschichte, wirkt in seiner Strahlkraft weit über Tennis hinaus. Rod Laver umgibt eine Aura. Der nach ihm benannte Cup ist dabei, sich eine vergleichbare Aura noch zu erarbeiten. Weiter geht es in diesem Bestreben im September 2024. In der Mercedes-Benz-Arena in Berlin. Es ist auch die Chance für Team Europe nach zwei Niederlagen in Folgen Revanche zu nehmen.