Qatar TotalEnergies Open 2024 Tatiana Maria (GER) with family at the TotalEnergies booth visit *** Qatar TotalEnergies O

Charlotte Maria (ganz links) mit ihrer Tennisfamilie beim WTA-Turnier in Dubai 2024. Bild: Imago/Paul Zimmer

Lieber Frankreich: Warum Charlotte Maria nicht für den DTB spielt

Charlotte Maria, die Tochter von Profispielerin Tatjana Maria, will künftig für Frankreich spielen – und nicht für Deutschland. Warum diese Entscheidung nicht überraschend ist.

Die Bild-Zeitung nennt sie „Deutschland größtes Tennistalent“, Sport 1 spricht von einem „Tennis-Juwel“. Gemeint ist die zehnjährige Charlotte Maria, Tochter von Tatjana Maria, die zuletzt monatelang als beste deutsche Spielerin in der Weltrangliste stand. Mutter Maria hatte jüngst nach ihrer Zweitrunden-Niederlage bei den US Open gegen Coco Gauff angekündigt, dass ihre Tochter künftig für Frankreich und nicht für Deutschland spielen würde, wenn es denn mit der geplanten Profikarriere hinhauen sollte.

Charlotte Maria bekannt in der Tennisszene

Charlotte Maria ist schon jetzt bekannt in der Tennisszene, weil sie mit ihrer Mutter, Vater und Coach Charles Edouard sowie der jüngeren Schwester Cecilia von Turnier zu Turnier um die Welt reist. Ihre Schulbildung wickelt sie online ab, oft mit der Hilfe der Mama. Alle zwei, drei Wochen stehen Tests an, täglich muss sie Hausaufgaben zur Online-Lehrerin schicken.

Charlotte Maria

Schön früh in der Profitennis-Welt unterwegs gewesen: Charlotte Maria als anderhalb-Jährige mit Mama Tajana Maria und Papa Charles-Edouard Maria.Bild: IMAGO / ZUMA Press Wire

Sie trat in einem Video für das 50-jährige Jubiläum der Damentour WTA auf, bei dessen Premiere sie in New York 2023 so lässig zu vielen WTA-Legenden sprach, als hätte sie nie etwas anderes getan. 2024 beim United Cup in Australien, den Deutschland gewann, saß sie mit auf dem Podium in der abschließenden Sieger-Pressekonferenz und gab zur Belustigung aller die Marschroute des Teams zum Besten: „Let‘s go Germany!“ Ihren Instagram-Kanal („Futur tennis player“) aktualisiert sie fleißig.

Charlotte Maria: Kein Leben wie eine normale Zehnjährige

Ihr Leben hat also nichts mit dem einer normalen Zehnjährigen zu tun. Sie wächst inmitten der Tennis-Profi-Bubble auf, kennt mittlerweile alle Grand Slam-Turniere in- und auswendig (Wimbledon ist ihr Lieblingsturnier) und schlägt ihre Mutter für wichtige Matches ein. Das erinnert an das Aufwachsen von Alexander Zverev, der schon als kleiner Junge die Tour dank seines elf Jahre älteren Bruder Mischa kennenlernte. Was aus Sascha geworden ist, dürfte allen bekannt sein. Was aber aus Charlotte Maria wird, weiß aktuell niemand, auch wenn ihre Startbedingungen für ein Leben als spätere Profispielerinnen vermutlich besser nicht sein könnten.

Nun wundern sich einige darüber, dass Charlotte Maria künftig für Frankreich, der Heimat ihres Vaters, aufläuft. Dabei ist diese Entscheidung wenig überraschend. Mutter Tatjana Maria hat nämlich recht damit, dass es in Frankreich „viel mehr Geld“ und „viel mehr Optionen“ gibt als in Deutschland.

Als Grand Slam-Nation können sich die Franzosen ein üppig ausgestattetes Fördersystem leisten, das schon früh alle Toptalente in Paris zusammenzieht und bei dem sich die Besten des Landes früh im täglichen Training miteinander messen. Deutschland mit seinem föderalen System und den 17 Landesverbänden ist in der Hinsicht anders aufgestellt. Ganz abgesehen davon, dass die finanzielle Ausstattung geringer ausfällt. Insofern ist es logisch, dass sich die Tennisfamilie Maria gegen Deutschland und für Frankreich entschieden hat.

Charlotte Maria soll mit 14 oder 15 Jahren auf die WTA-Tour

Ob die Marias aber wirklich auf das französische Fördersystem überhaupt angewiesen sind, ist eine andere Frage. Die Familie hat ihren Hauptwohnsitz in den USA, genauer: in Palm Beach, Florida. Feststeht aber: Charlotte soll mit 14 oder 15 Jahren auf der WTA-Tour spielen. Wenn es irgendwie passt, wollen Mutter und Tochter sogar noch gemeinsam Doppel auf der Profitour spielen.

Für den Tennis-Standort Deutschland ist die Entscheidung der Marias indes keine gute Nachricht. Das deutsche Damentennis steht nach dem Abgang der „goldenen Generation“ mit Angelique Kerber, Andrea Petkovic und Julia Görges aktuell nicht gut da. Vor dem Start der US Open wäre sogar ein Szenario möglich gewesen, dass nach dem letzten Major der Saison keine deutsche Spielerin mehr in den Top 100 steht. Jule Niemeiers Vorstoß in die dritte Runde und der Auftaktsieg von Tatjana Maria haben diesen Tiefpunkt aber abwenden können.

Für die Außendarstellung hätte es dem DTB sicher geholfen, wenn er eine Spielerin wie Charlotte Maria in der Hinterhand gehabt hätte. Allerdings: Mit der 16-jährigen Julia Stusek läuft für den DTB tatsächlich ein „Tennis-Juwel“ auf. Stusek hat schon in jungen Jahren die großen Titel geholt – wie etwa Ende Januar 2022 den beim „Les Petits As“ in Tarbes, der inoffiziellen U14-Weltmeisterschaft.

2024 schlug Stusek bei der Quali des WTA-Turniers von Bad Homburg die damalige Nummer 62 der Weltrangliste, Jaqueline Cristian aus Rumänien. Sie ist unbestritten „Deutschlands größtes Tennistalent“ und will sich nun im WTA-Ranking weiter nach oben kämpfen. Aber ob sie es eines Tages wirklich schafft, ist aktuell nicht wirklich absehbar.

Genauso wenig wie bei Charlotte Maria.