Max Rehberg

Beruf Tennisprofi: Max Rehberg, 20, Nummer 471 der Welt, beim Foto-Shooting im Bahnwärter Thiel-Kulturzentrum in München. ©Jürgen Hasenkopf

Max Rehberg: Talent mit Bodenhaftung

Vor sechs Jahren veröffentlichte tennis MAGAZIN eine Story über Max Rehberg, einem der besten deutschen Junioren. Jetzt trafen wir ihn beim Challenger-Turnier in Hamburg wieder. Wie hat er sich seitdem geschlagen? Was treibt ihn an? Was plant er? Eine Bestandsaufnahme.

Erschienen in der tennis MAGAZIN-Ausgabe 5/2024
Fotos: Jürgen Hasenkopf

Max tritt aus dem Fahrstuhl. Er trägt eine schwarze Trainingsjacke. Wir sind in der Lobby des Ibis-Hotel im Hamburger Stadtteil Wandsbek verabredet. „Ja das passt“, antwortete Max unkompliziert via WhatsApp, als ich ihm schrieb, wann ich ihn treffen könnte. Drei, vier Nachrichten und der Termin stand. Wohltuend, wenn man bedenkt, wie kompliziert oft die Absprachen über Managementagenturen, die ATP oder Rackethersteller mit den Stars verlaufen. Man bangt dann oft bis kurz vorher, ob das Interview auch wirklich klappt.

Aber Max Rehberg, 20, ist kein Star. Sein größter Erfolg war der Finaleinzug beim Challengerturnier in Ismaning im Oktober 2022. Ein Jahr später war er die Nummer 382 der Welt. Inzwischen ist er auf Rang 471 abgerutscht. Knapp 85.000 Dollar Preisgeld hat er in fünf Jahren auf der Tour – in der Regel ITF- und Challengerturniere – verdient. Sein spektakulärstes Match spielte er bei den BMW Open in München. Da bekam er eine Wildcard. Sein Gegner in Runde eins im Hauptfeld: der Ungar Marton Fucsovics, die Nummer 75 der Welt. 6:4, 6:7, 3:6 stand es nach mehr als zweieinhalb Stunden Spielzeit auf dem mit Zuschauern vollgepfropften Nebenplatz aus Sicht des Deutschen. Später im Gespräch wird Rehberg sagen: „Ich hatte zwei Matchbälle, ich war so nah dran. Ein Sieg wäre unfassbar gewesen, aber ich habe viel daraus gelernt.“

Déjà-vu fürs tennis MAGAZIN

Ein Interview mit einem Profi, der gerade einmal zu den Top 500 der Welt gehört – ist das spannend? Im Fall von Max Rehberg auf jeden Fall! Für tennis MAGAZIN ist es ein Déjà-vu. Im Juni-Heft 2018 druckten wir in Kooperation mit dem Süddeutsche Zeitung Magazin eine Story über den damals 14-Jährigen ab.

Rehberg war der beste Spieler seines Jahrgangs, hatte bereits als Zwölfjähriger Ausrüsterverträge für Schläger, Schuhe und Kleidung. Auf den ersten Blick war Max ein ganz normaler Junge, der bei seinen Eltern vor den Toren Münchens wohnte, in FC-Bayern-Bettwäsche schlief, die achte Klasse des Gymnasiums besuchte und nach der Schule am liebsten mit Collie Bella, der Familien-Hündin, spielte.

Max Rehberg

Hoppla, jetzt komm’ ich: Auch wenn die Auftritte auf großer Bühne überschaubar sind – Max Rehberg hat noch viel vor. Dreimal spielte er im Hauptfeld eines ATP-Turniers: München (2022, 2023) und Hamburg (2022). ©Jürgen Hasenkopf

Auf den zweiten Blick befand er sich auf dem Weg zum Vollprofi, war zweifacher Deutscher und neunfacher Bayerischer Meister. In der deutschen U16-Rangliste rangiert er auf Platz zwei. Er trainiert dreimal pro Woche im Leistungszentrum des Bayerischen Tennisverbandes in Oberhaching, zweimal mit einem Privattrainer, jeweils zwei bis drei Stunden. Rehberg führt das Leben, das Toptalente nun einmal führen: Spieltraining, Techniktraining, Fitness- und Konditionstraining, Ranglistenturniere, Vereinsmatches, Europameisterschaften. Er spielte Juniorenturniere in Frankreich, Italien, Schweden, Polen und Rumänien.

Eine Wette auf die Zukunft

Zum Zeitpunkt der Story vor sechs Jahren tritt er beim „Kungens Kanna & Drottningens Pris“ an, ausgetragen in der Königlichen Tennishalle von Stockholm, das zu den bedeutendsten Juniorenturnieren der Welt zählt. Ein paar Plätze weiter spielt Leo Borg, Sohn der Legende Björn Borg, der auch zuschaut. Das Match wird im Livestream übertragen. Großes Theater. Für Max’ Eltern ist die beginnende Karriere noch Neuland. Sein Vater Kai, ein Schuhvertreter im Außendienst in Bayern, sagt: „Gemeinsame Urlaube sind schwierig, weil ich das Geld verdienen muss.“ Seine Mutter Manuela sagt: „Manchmal denke ich, das dürfen wir niemandem erzählen, sonst halten uns alle für verrückt.“

Was sie meint: Dass sie den Filius durch die Gegend kutschiert und nebenher Vokabeln abfragt. Dass die Familie 750 Euro im Monat für das Training im Leistungszentrum beisteuern muss. Dazu kommen der Privattrainer, Flüge, Bahnfahrten, Hotels, Benzin. Rund 20.000 Euro im Jahr geben die Eltern für Max aus.

In Stockholm erreicht er das Achtelfinale, scheitert am späteren Sieger – ein ordentliches Ergebnis. Benjamin Benedikter, der immer noch sein Trainer ist, sagt: „Es ist eine Wette auf die Zukunft mit einem extrem hohen Irrtumsrisiko.“ Man könnte das übersetzen mit: Die Wahrscheinlichkeit, dass man ein erfolgreicher Profi wird, ist geringer als sechs Richtige im Lotto oder dass einen der Blitz trifft. Zurück im Hier und Jetzt, im Ibis-Hotel in Hamburg. Der Hotelmanager deutet in den jetzt am Abend abgesperrten und abgedunkelten Frühstücksbereich. Hier können wir in Ruhe reden.

Eine gute dreiviertel Stunde wird das Gespräch dauern, mit einem jungen Mann, der hellwach ist, gut formuliert, seine Antworten wohl überlegt, Dinge reflektiert und erstaunlich weit für sein Alter ist. Die Story über ihn als 14-Jährigen habe ich ihm an diesem Abend im März mitgebracht. Max kennt sie gut. „Sechs Jahre sind das schon, krass“, entfährt es ihm, als wir durch die Zeitschrift blättern. Beim Bild, das die Familie mit Collie-Hündin Bella zeigt, bleibt er hängen. „Sie ist leider gestorben“, sagt Max, „aber zwei Jahre später haben wir uns einen neuen Collie zugelegt. Belinda hilft mir enorm, weil ich echt gut Abschalten kann, wenn ich mit ihr spazieren gehe.“

Familienunternehmen Rehberg

Er wohnt noch zuhause bei den Eltern in Landsham, eine halbe Stunde östlich von der Münchner Innenstadt gelegen. „Mein Vater besaitet tatsächlich noch meine Schläger, meine Mutter macht das Organisatorische und Finanzielle“, sagt Max. Gestern Abend ist er mit dem Zug von München nach Hamburg gekommen. „Das Ticket habe ich mir aber selber gekauft“, grinst er. Er sei schon dabei, sich abzunabeln von den Eltern, „aber man muss schon sagen, dass sie mir immer noch enorm helfen“.

Seinen Alltag bezeichnet er als „Nine to Five“-Job. Die sportliche Heimat ist immer noch die Kaderschmiede in Oberhaching. Morgens fährt er mit seinem grauen Mercedes CLA etwa eine halbe Stunde hin, abends zurück. Das regelmäßige Abendessen und die Gespräche mit seinen Eltern sind ihm wichtig. Wenn er keine Turniere spielt – rund 25 Future- oder Challengerturniere pro Jahr, am liebsten in Deutschland, und ein paar ATP-Events, für die er Wildcards benötigt – , ist die Base, wie das Leistungszentrum intern heißt, sein Lebensmittelpunkt. Vormittags und nachmittags arbeitet er an seinem Spiel, bolzt Kondition und Fitness. Für die Muskeln ist Cameron Scullard, neuerdings Athletiktrainer für alle DTB-Spieler, zuständig.

Max Rehberg

Handy als Begleiter: Nur achtet er inzwischen auf den Smartphone-Konsum und entschied sich dafür, neben Tennis Psychologie zu studieren. ©Jürgen Hasenkopf

Gelegentlich begleitet ihn der Südafrikaner auch auf Reisen. Fast immer dabei – in München und auf der Tour – ist nach wie vor Coach Benjamin Benedikter. Seit Anfang des Jahres hat Rehberg auch eine Kooperation mit Philipp Kohlschreiber verabredet. Der 40-jährige Ex-Profi, früher einmal die Nummer 16 der Welt, ist ebenfalls ein Kind der Base.

Es passt zwischen den beiden. „Philipp hilft brutal“, sagt Max. Und er spiele nach wie vor auf Augenhöhe. Wobei: Max zögert etwas, überlegt, ob er das sagen soll: „Als wir letztes Jahr in der Bundesliga gegeneinander gespielt haben, da konnte ich ihn schon besiegen.“

Max Rehberg: Derselbe Jahrgang wie Carlos Alcaraz und Holger Rune

Fast unangenehm scheint es ihm zu sein. Schnell wird einem im Gespräch klar: Da sitzt einem kein Angeber gegenüber, schon ein selbstbewusster junger Mensch, aber einer mit Bodenhaftung, Demut, guten Manieren und solider Schulbildung. Sein Abi auf der Fernschule Mannheim hat er mit 2,0 gebaut. Setzt man den Tennisspieler Rehberg in einen größeren gesellschaftlichen Kontext, könnte man ihn auch als „Corona-Kind“ bezeichnen, der nach dem Abi „gelitten“ habe, von „mentalen Problemen“ spricht, wie so viele Mädchen und Jungen seiner Generation. „Die letzten zwei Jahre habe ich mich allgemein schwergetan, meine Leistungen abzurufen“, sagt er. Viel über sich nachgedacht, hat er in dieser Zeit. Am Ende sei er da „wieder stärker rausgekommen“. Und er hat Pläne gemacht. Wollte zielstrebiger werden. „Vorbereitung, Nachbereitung, Ernährung und Professionalität auf und neben dem Platz – das war ausbaufähig.“ Süßigkeiten auf Turnieren lässt er inzwischen „komplett weg“. Ein Asket ist er nicht. „Als Münchner sage ich auch, dass man ab und an als Belohnung ein Bier trinken kann.“ Und auf sein Lieblingsessen – Schnitzel mit Pommes – möchte er auch nicht verzichten.

Den Willen, allen zu zeigen, was in ihm steckt, merkt man ihm an. Trotzdem die Frage: Gibt es Momente, in denen er sich fragt, ob der Preis für all die Schinderei zu hoch ist und ob es sich lohnt? Max überlegt nicht lange, sagt: „Definitiv, ich habe viel gearbeitet, viel investiert und bin halt noch nicht da, wo manch anderer ist.“

Max Rehberg

Nimmt sich viel vor: Max Rehberg zählt zu den größten deutschen Nachwuchshoffnungen. ©Jürgen Hasenkopf

Er spricht Carlos Alcaraz und Holger Rune an, derselbe Jahrgang wie Max und zum Zeitpunkt des Gesprächs mehr als 460 Plätze höher platziert. Max findet, dass man das nicht vergleichen kann. Es sei anders für Deutsche. „Ich bin zwölf Jahre zur Schule gegangen. Das ist ein anderes Mindset. Mein Leben unterscheidet sich von ihren komplett“, sagt er. Es sind Gespräche, die er oft führt, mit seinen Eltern, mit den Trainern, und der Schluss, zu dem er kommt, klingt vernünftig: „Ich muss mir einfach mehr Zeit geben und weniger denken, dass ich vielleicht schon zu alt oder nicht gut genug bin.“

Wirft man einen Blick auf die Weltrangliste, dann gibt es nur einen deutschen Spieler, der so alt wie Max und besser platziert ist: Marko Topo, auf Platz 376. Der Deutsch-Serbe ist ebenfalls Münchner. Danach tauchen kaum noch 20-Jährige oder Jüngere im Ranking auf.

Max Rehberg: Warum der ganze Stress

Ein Systemfehler? Hat Deutschland zu wenig Talente? Von denen, die schon früh in die Weltspitze stießen, fällt einem zuletzt nur Alexander Zverev ein, mit dem Max noch keinen Kontakt hatte. Warum eigentlich nicht? Wäre es nicht gut, wenn Zverev, wie das früher Federer und Nadal mit ihren Landsleuten gemacht haben, vielversprechende deutsche Youngster zu sich nach Hause einlädt und mit ihnen trainiert? Nur so ein Gedanke des Reporters, als er wieder im Auto sitzt und nach Hause fährt. Noch einmal zurück in den Frühstücksraum und zu dem, was Max Rehberg durch den Kopf geht, der jetzt laut denkt: „Das Durchschnittsalter für den Eintritt in die Top 100 liegt, glaube ich, bei 26 Jahren“, sagt er. Das seien „noch sechs Jahre hin, was echt viel Zeit ist“. Da frage er sich schon manchmal, „warum ich mich überhaupt so stresse“.

Gib es einen Plan B? Die Beantwortung der Frage ist etwas komplexer. Als Max vor einiger Zeit nach dem Training in der Base nach Hause kam, lag er auf dem Bett. In seinem Zimmer hängt wie damals beim ersten Treffen mit tennis MAGAZIN noch ein Riesenposter mit Daniel Brands. Er hat den Ex-Profi nur einmal getroffen. Andere hängen sich Star-Bilder auf, aber bei Rehberg ist es eben Daniel Brands, ein ehrlicher Arbeiter, der es bis auf Rang 51 schaffte.

Drei oder vier Stunden habe er immer am Handy gehangen. „Ich habe mir gesagt, dass es so nicht weitergehen kann“, sagt Max. Das Resultat: Er studiert jetzt nebenher an einer Fernuni Psychologie. Es hilft ihm, der sich ohnehin oft Sorgen auf dem Platz macht, sich zu fokussieren. Sich auf seine Stärken, wie etwa die enorme Schnelligkeit, die der 1,83 Meter-Mann entwickeln kann, zu besinnen. „Falls es mit dem Tennis nicht klappt, wäre es Plan B“, sagt er.

Keine Zeit für Plan B

Im Moment spricht nicht viel für Plan B und das hat auch damit zu tun, dass er sich um seine Finanzen nicht sorgen muss. Klar, 81.181 Dollar Preisgeld in gefühlt zwei Profijahren ist nicht viel, aber die Unterstützung ist da: von seinen Eltern, vom DTB, der Reisekosten zahlt, den Physio stellt, weil Max zum Perspektivkader zählt. Auch die Deutschen Sporthilfe „hilft sehr“. Sie zahlt für Versicherungen, Altersvorsorge und sein Studium. Für das Auto muss er nur ein Prozent des Bruttoeinkaufspreises als monatliche Leasingrate zahlen. Im Vertrag mit Yonex, seiner Schlägermarke, sind Prämien vereinbart.

Bundesliga spielt er für Grün-Weiß Mannheim. „Das Ligageld“, sagt er, „ist ein großer Anteil an den Einnahmen.“ Grün-Weiß ist das Baby von Gerald Marzenell, einem Dinosaurier in der Szene. Neuerdings ist der Cheftrainer des langjährigen Bundesligavereins auch Manager von Rehberg. SMA heißt die in Sankt Leon Rot beheimatete Agentur, die ursprünglich nur Golfer managte. Klickt man auf die Homepage, taucht das Foto von Max riesengroß auf.

SMA sorgt auch für Mäzene, die die unter Vertrag stehenden Talente unterstützen. „Aber die wollen namentlich nicht genannt werden“, sagt Max. Die Zeit ist schnell verflogen mit ihm. Morgen hat er beim Challenger in Hamburg spielfrei. Am Tag darauf wartet Rudi Molleker als Erstrundengegner. „Meine Form ist gut, es wird ein spannendes Match“, sagt Max. Zwei Tage später verliert er 2:6, 6:7. Er wird sich davon nicht beeindruckt lassen haben. Sein Weg beginnt gerade erst.

Vita Max Rehberg

Der Münchner spielte schon als 14-Jähriger auf der Tennis Europe-Tour. Bei den U13 war er Deutscher Jugendmeister im Einzel und Doppel (2016). Sein höchstes Ranking bei den Herren: 382 (August 2023). Preisgeld: 84.181 Dollar. Bislang konnte er auf Future- und Challengerebene noch kein Turnier gewinnen. Größter Erfolg: ein Challengerfinale (Ismaning 2022).