K1-Start

Abfahrt! Benjamin Simon (li.) mit Rad und Anhänger vor dem Start seiner Tour bis nach Istanbul in seinem Berliner Heimatclub LTTC Rot-Weiss.Bild: privat

Mit Rad und Racket: Start ins Ungewisse

Von Berlin nach Istanbul per Rad, dann mit dem Segelboot weiter nach Mallorca – und dabei immer wieder auf dem Tennisplatz stehen. Für Benjamin Simon ist das die Reise seines Lebens. Heute ist er in seinem Heimatclub losgefahren.

Ich weiß nicht, was mich erwartet. Ich habe eine Idee, eine Route, ein Fahrrad und einen Anhänger. Ich habe einen Tennisschläger dabei, weil Tennis mir Türen öffnen könnte. Aber was wird wirklich passieren? Welche Wege werde ich nehmen? Wer wird mir begegnen? Das alles ist offen.

Zwei Fixpunkte auf der Tour

Nur zwei Dinge stehen fest: Heute, am 20. März, bin ich in Berlin losgefahren. Bei meinem Heimatclub, dem LTTC Rot-Weiss Berlin, wurde ich verabschiedet. Am 1. Mai muss ich in Patras ein Segelboot erreichen. Das sind meine einzigen Fixpunkte.

Dazwischen liegen 42 Tage voller Möglichkeiten – und eine 3.000 Kilometer lange Strecke, die mich irgendwie nach Griechenland bringen muss. Ich kann mir nicht zu viel Zeit lassen. In Patras wartet die Crew nicht.

Warum ich das eigentlich mache? Ich bin 47 Jahre alt und wollte schon immer eine lange Radtour machen. Warum genau jetzt? Vielleicht, weil es an der Zeit ist, endlich Dinge zu tun, die ich mir schon lange vorgenommen habe. Vielleicht, weil ich wissen will, wie es sich anfühlt, mit nichts außer meinem Rad und ein paar Taschen unterwegs zu sein. Vielleicht, weil ich testen will, wie ich mich auf mich selbst verlassen kann – allein, auf der Straße, jeden Tag ein Stück weiter.

Rad und Racket

Mit dem Gravel-Bike unterwegs: Autor Benjamin Simon muss sich auf sein Rad verlassen können.Bild: privat

Tennis als Türöffner

Die Idee, Tennis mit ins Spiel zu bringen, kam mir, weil ich keine Lust hatte, ständig nach Campingplätzen zu suchen. Tennisclubs gibt es überall, und vielleicht öffnen sich dort Türen. Vielleicht erlebe ich dort echte Gastfreundschaft, vielleicht entstehen spontane Matches. Vielleicht ist es genau das, was diese Reise ausmacht: die unvorhersehbaren Momente.

Die Strecke ist dabei mehr ein Rahmen als ein echter Plan. Berlin – Dresden – Prag – Wien – Budapest – Belgrad – Bukarest – Sofia – Istanbul. So lauten die großen Etappenziele. Ich rechne mit rund 100 Kilometern am Tag, aber ob das wirklich aufgeht? Vielleicht muss ich irgendwo schneller fahren, weil ich zu lange getrödelt habe. Vielleicht bleibe ich irgendwo hängen, weil es sich richtig anfühlt. Vielleicht muss ich improvisieren, weil das Wetter oder das Rad nicht mitspielen.

Und wenn ich Istanbul erreicht habe? Dann geht es weiter nach Izmir und mit der Fähre nach Athen. Und schließlich nach Patras, wo es wirklich ernst wird: Ich muss pünktlich sein, um ein Segelboot zu erreichen, das am 1. Mai ablegen wird. Mein endgültiges Ziel der Reise ist nämlich Mallorca. Die Zielinsel mit dem Boot zu erreichen und zwischendurch bei den Landgängen immer mal wieder ein Match einzustreuen – das ist mein Traum. Damit er aufgeht, darf ich die Abfahrt nicht verpassen.

Rad und Racket

Das muss reichten für die nächsten Wochen: Das komplette Gepäck von Autor Benjamin Simon auf seiner „Rad und Racket-Tour“ quer durch Europa.Bild: privat

Mein neues Gravel Bike ist gemacht für lange Strecken, für Asphalt und Schotter. Der Anhänger nimmt mir die Last vom Rücken – aber wie er sich auf den langen Distanzen fährt, werde ich erst noch herausfinden müsse. Als Gepäck habe ich nur das Nötigste: ein Zelt, das ich noch nicht oft getestet habe. Ein Schlafsack, der hoffentlich warm genug ist. Ein paar Ersatzteile, für den Fall, dass etwas schiefgeht. Ein GPS-Gerät, falls ich mich doch mal orientieren muss. Eine Kamera, um das alles festzuhalten. Und natürlich meinen Tennisschläger. Mehr brauche ich nicht. Oder doch?

Ich werde alleine sein. Drei Berliner Bekannte von mir haben die Strecke nach Istanbul schon mit dem Rad zurückgelegt – aber sie waren eben zu dritt. Sie hatten sich gegenseitig, um sich zu motivieren, um den Tag zu teilen, um sich gegenseitig auf die Nerven zu gehen. Ich werde niemanden haben.

In völliger Freiheit bis Istanbul

Wie wird es sich anfühlen, tagelang mit niemandem zu sprechen? Wird die Einsamkeit mich bremsen oder beflügeln? Wird sie mir helfen, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren – oder werde ich mich nach Gesellschaft sehnen?

Und dann, nach Wochen der völligen Freiheit, kommt der Umschwung: Auf dem Mittelmeer werde ich Teil einer Segelcrew sein. Vom Einzelkämpfer zum Teamplayer. Vom Land aufs Wasser. Vom Alleinsein zum Leben auf engstem Raum mit Fremden. Wie wird das sein? Ich habe keine Ahnung.

Werde ich es nach Istanbul schaffen? Wird die Strecke mich härter fordern, als ich es mir jetzt vorstellen kann? Wird alles nach Plan laufen – oder wird mich das Unvorhersehbare auf eine ganz andere Reise schicken? Ich weiß es nicht. Aber genau das macht dieses Abenteuer aus.

Mit Rad und Racket – zwischen Berlin und dem offenen Meer. Eine Reise ohne Netz und doppeltem Boden.

Rad und Racket

Autor Benjamin Simon, der nun mit Rad und Racket unterwegs von Berlin nach Istanbul ist.

Infos zum Autor:
Benjamin Simon, 47, ist gebürtiger Berliner und lebt im Westend. Vater zweier Kinder. Tennis begleitet ihn seit seiner Kindheit, die geprägt war von Steffi Graf und Boris Becker. Spielt in der Herren-40-Mannschaft des LTTC Rot-Weiß Berlin (LK 13). Tennistrainer mit C-Lizenz. War im Facility Management tätig und leitete eine Dienstleistungseinheit mit bis zu 800 Mitarbeitenden. Nach Auflösung seines Arbeitsvertrags nutzt er nun die freie Zeit für ein einzigartiges Abenteuer: eine Radtour von Berlin nach Istanbul – mit Rad und Racket, um die Faszination des Tennissports über Grenzen hinweg zu erleben. Auf tennismagazin.de wird er regelmäßig über die Reise berichten.