Neue ATP-Doppelregeln: „Eine Lose-Situation für die Doppelspieler“
Die ATP wird neue Doppelregeln testen. tennis MAGAZIN hat bei deutschen Doppelspielern nachgefragt, was sie von den umstrittenen Änderungen halten.
(lk, fb, tb) Beim Masters in Madrid wird die Doppelkonkurrenz erstmals nach neuen ATP-Regeln ausgetragen, die Mitte der Woche vorgestellt wurden. Der gesamte Doppelwettbewerb wird in fünf Tagen durchgezogen (von Dienstag bis Samstag der zweiten Woche), die Shot Clock reduziert die Zeit zwischen den Ballwechseln mit weniger als vier Schlägen auf nur noch 15 Sekunden (bei vier und mehr Schlägen 25 Sekunden), die Pausen beim Seitenwechsel werden verkürzt, Fans dürfen sich unabhängig vom Spielstand frei auf den Tribünen bewegen und 16 der 32 Startplätze wird für Duos vorbehalten sein, für deren Spieler ausschließlich das Ranking in der Einzel-Weltrangliste ausschlaggebend ist.
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— ATP Tour (@atptour) April 3, 2024
Neue ATP-Doppelregeln: Mehr Startplätze übers Einzelranking
Insbesondere die letzte Regel ist höchst umstrittenen, weil durch sie die reinen Doppelspieler weniger Chancen auf Startplätze bei dem finanziell attraktiven Masters haben werden. Unklar ist aktuell noch, bei welchen weiteren Turnieren und über welchem Zeitraum die ATP die neuen Doppelregeln testen wird.
Feststeht: Die ATP will mehr Einzelspieler in ihre Doppelfelder locken. Schon länger versucht die Tour-Organisation dem Doppel mehr Bedeutung und Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Chief Tour Officer Ross Hutchins, der früher selbst ein reiner Doppelspezialist war, sieht in den Neuerungen „eine frische Erzählweise, um die Fans anzusprechen.“
Große Doppelreform bereits 2006
Die dahingehend größte Änderung gab es 2006, als sowohl der Match-Tiebreak im dritten Satz als auch die „No-Ad“-Regelung eingeführt wurden. Partien, die normalerweise zwei Stunden gedauert hätten, waren plötzlich nur noch halb so lang. Schon damals hoffte die ATP darauf, dass mehr Einzelspieler im Doppel antreten. Jetzt, nach 18 Jahren, muss man attestieren: Der gewünschte Effekt der großen Doppelreform von 2006 blieb aus. Die Doppelmatches sind zwar kürzer geworden, aber die Einzelspieler liefen deswegen nicht häufiger im Doppel auf. Das Doppel blieb in Großteilen eine Sache der Spezialisten.
ATP überzeugt – Krawietz und Pütz wollen abwarten
Was die neuen Regeln nun bringen werden, ist noch ungewiss. tennis MAGAZIN hat beim deutschen Top-Duo Krawietz/Pütz und beim Aufsteiger-Duo 2023 Jebens/Frantzen nachgefragt, wie sie die Änderungen einschätzen.
Für Kevin Krawietz und Tim Pütz, die in der Doppel-Weltrangliste aktuell auf einem geteilten 13. Platz stehen, kommen die Änderungen in erster Linie überraschend. „Man hört zwar immer wieder, dass im Hintergund Sachen geplant werden, aber dass das schon so konkret ist, wusste ich nicht“, sagt der Frankfurter Pütz auf Anfrage von tennis MAGAZIN. Den 36-jährigen stört die geringere Popularität des Doppels nicht. Für ihn ist es allerdings fragwürdig, ob die von der ATP angestrebte Attraktivität überhaupt jemals erreicht werden kann.
Weiterhin fragt sich Pütz: „Welche Teams haben da jetzt Priorität? Einzel- zusammen mit Doppelspieler oder zwei Einzelspieler? Und hat die Doppel- oder die Einzelrangliste Vorrang? Das ist alles noch ein wenig schwammig.“ Darüber hinaus sieht er Schwierigkeiten, die nötige Anzahl an Einzelspielern anzulocken: „Man muss natürlich schauen, welche Einzelspieler in der zweiten Woche bei einem 1000er-Turnier noch Doppel spielen wollen. Ich könnte mir vorstellen, dass es damit auch große Probleme geben könnte.“
Pütz: „Kurzfristigkeit ist schwer ernst zu nehmen“
Pütz und sein Doppelpartner Kevin Krawietz wollen dem Ganzen zunächst etwas Zeit geben und schauen, wie die neuen Regeln angenommen werden. Grundsätzlich begrüßen sie die Initiative der ATP, das Doppel attraktiver machen zu wollen, denn für viele Turniere ist die Doppelkonkurrenz ein Minusgeschäft. Die Einnahmen sind deutlich zu gering für das, was an Preisgeld und anderen Kosten (Spielerhotel, Transfer etc.) aufzuwenden ist. Um zu verhindern, dass die Doppelkonkurrenzen von Veranstaltern komplett gestrichen werden, seien Änderungen notwendig.
Dennoch kritisiert Pütz die ATP für die fehlende Kommunikation und Kurzfristgkeit der Einführung: „Diese massiven Änderungen jetzt Mitten in der Saison und bei so einem wichtigen Turnier einzuführen, finde ich schwer ernst zu nehmen. Das wirkt alles überstürzt und hätte, meiner Meinung nach, mit mehr Vorlauf passieren sollen.“
Frantzen: „Weniger Optionen für die Doppelspieler“
Constantin Frantzen, der mit Partner Hendrik Jebens 2023 den Durchbruch auf der Doppeltour schaffte (6 Challenger-Titel, Finale beim ATP-Turnier in Metz), sieht die neuen Regeln „schon eher kritisch“. Frantzen/Jebens zählen 2024 nicht zu den Top-Duos. Sie stehen momentan auf den Doppelweltranglistenplätzen 66 (Frantzen) und 67 (Jebens).
„Momentan kommen wir in die großen Masters-Events nicht rein. Insofern ist Madrid für uns nicht so relevant“, erklärt Frantzen auf Anfrage von tennis MAGAZIN. „Aber es ist aktuell nicht klar, bei welchen Turnieren neben Madrid die neuen Regeln noch getestet werden. Feststeht, dass man den etwas niedriger platzierten Teams die Option nimmt, sich nach oben zu spielen, weil einfach weniger reine Doppelteams in die Draws kommen. Gleichzeitig beschützt man die, die ganz oben stehen, noch mehr. Dass nun 16 Teams aus Doppelspielern auf 16 Duos mit Einzelspielern treffen, ist für die Doppelspezialisten eine Loose-Situation, weil sie gewinnen müssen. Wenn die Einzelspieler verlieren, haben sie immer noch ihr Einzel.“
Frantzen sieht aber nicht alles negativ, was sich die ATP ausgedacht hat. „Ich finde es gut, dass die Pausen zwischen den Ballwechseln und beim Seitenwechsel verkürzt werden. Ein Doppelturnier in fünf Tagen durchzuziehen, ist ebenfalls sinnvoll. Und dass die Fans sich frei bewegen dürfen, gefällt mir auch. Das wird der Atmosphäre insgesamt guttun. Vielleicht bekommen die Doppelmatches dann mehr den Charakter, den man von den Partien der College-Tennisteams aus den USA kennt“, hofft Frantzen, der wie sein Partner Jebens BWL an einem US-College studiert und dort Tennis gespielt hat. Erst am College entdeckte er seine Fähigkeiten als Doppelspieler.
„Insgesamt sind einige Ansätze der ATP richtig, weil sie die Attraktivität des Doppels steigern können. Allerdings muss das Produkt Doppel wesentlich besser von der ATP vermarktet werden. Ich denke, dass das Vermarktungspotenzial noch längst nicht ausgeschöpft ist“, sagt Frantzen.