TENNIS-AUS-OPEN

Australia's Nick Kyrgios celebrates after victory against France's Gilles Simon during their men's singles match on day four of the Australian Open tennis tournament in Melbourne on January 23, 2020. (Photo by DAVID GRAY / AFP) / IMAGE RESTRICTED TO EDITORIAL USE - STRICTLY NO COMMERCIAL USE (Photo by DAVID GRAY/AFP via Getty Images)

Nick Kyrgios: Zähmung eines Widerspenstigen

Bad Boy? Derzeit nicht. Nick Kyrgios kämpft für die Opfer der Buschbrände, und er reißt die Australier auch auf dem Tennisplatz mit. Nun trifft er auf Rafael Nadal – ein Match mit viel Sprengstoff.

Melbourne (SID/red) Die Auswahl der Musik hätte treffender nicht sein können. Aus den Boxen der Melbourne Arena schepperte „T.N.T.“, ein Klassiker der australischen Rockband AC/DC, und drunten auf dem blauen Belag stand Nick Kyrgios. Der „Bad Boy“ des Tennissports. Der auf dem Platz schon so oft hochgegangen ist, dass er ja noch bis Ende März auf Bewährung spielt. „T.N.T – Ich bin Dynamit, T.N.T – und ich werde den Kampf gewinnen“, heißt es im hämmernden Refrain des Songs. Passt.

Bisher hat Kyrgios bei den Australian Open gewonnen. Stets in der Melbourne Arena, einer eher schmucklosen Mehrzweckhalle, in der aber bisher auch das gemeine Volk Einlass gefunden hat. Also ein perfektes Ambiente für Kyrgios: Sein Tennis ist Rock’n’Roll, seine Matches glichen Konzerten in einem etwas abgeranzten Club, vor einem Publikum, das ’ne geile Show wollte. Am Samstag rang der Australier dort Karen Khachanov (Russland) nieder. 6:2, 7:6 (7:5), 6:7 (6:8), 6:7 (7:9), 7:6 (10:8).

Es war ein Match wie Dynamit. „Es war krank“, sagte Kyrgios nach den 4:26 Stunden atemlos und mit einem Blick, als habe er würde er halluzinieren. Tatsächlich scheint der 24-Jährige aus der Hauptstadt Canberra, derzeit die Nummer 26 der Weltrangliste, gerade nicht so recht zu verstehen, was mit ihm geschieht. Er bewegt sich wie in Trance durch das Turnier. Sein Spiel ist unorthodox und unberechenbar wie eh und je: krachende Aufschläge, peitschende Vorhände, „tweener“ oder Stopps. Wie ein irres Gitarrensolo.

Kyrgios hat schon viel Mist gebaut

Kyrgios hat in seiner Karriere viel Mist gebaut, wurde bestraft und gesperrt. Doch in diesen Tagen ist ein Wandel zu beobachten – genau genommen wird das große Herz des großen Kinds Kyrgios sichtbar. Als es in Australien zu brennen begann, hatte er die Idee für „Aces for Bushfire Relief“: Asse schlagen, Geld sammeln, helfen. Am Sonntagabend lagen auf dem Konto schon umgerechnet 3,5 Millionen Euro. Eine Summe, ergänzt durch viele andere Spenden, die sonst nie gesammelt worden wäre.

Für Kyrgios war umgehend klar, dass er den Menschen helfen musste. „Ich sollte mich auf Turniere vorbereiten, aber mein Fokus war woanders“, sagte er. „Ich versuche, bei den Buschbränden zu helfen. Ich denke nicht so sehr an die Resultate auf dem Platz. Ich will etwas Positives bewirken, das ist alles.“ Für die Australier ist Kyrgios über Nacht zu einer Art Heiligem geworden, die Zeitung The Age attestierte ihm schon „neue sprituelle Reife“ und scherzte, er erinnere an Gandhi.

Am Montag nun: der vorläufige Höhepunkt der Party. Kyrgios muss raus aus der Melbourne Arena und hinein in die Rod Laver Arena – zum Achtelfinale gegen Rafael Nadal. Mit dem hat er sich bislang nicht ganz so gut verstanden. Bei ihrem Match vergangenes Jahr in Wimbledon etwa schoss Kyrgios dem Spanier am Netz voll auf die Brust. Nadal, sagte er danach trocken, könne das aushalten. Kyrgios, entgegnete Nadal, sei „gefährlich“, und habe keinen Respekt, auch nicht für sich.

Kyrgios und Nadal könnten nicht gegensätzlicher sein

Nadal und Kyrgios könnten gegensätzlicher nicht sein. Hier der Spanier, diszipliniert und Ritualen verhaftet, dort der Australier, undiszipliniert und Jünger der Improvisation. Sticheleien verkniff sich Kyrgios diesmal. „Ich bin total aufgeregt, ganz ehrlich. Gegen einen der besten Tennisspieler auf dem Center Court bei deinem Grand Slam zu spielen, das ist schon verdammt cool.“

Die Frage allerdings wird sein: Wie gut hat Kyrgios sich von seiner „Schlecht“ gegen Khachanov erholt, die immerhin knapp viereinhalb Stunden dauerte. Kyrgios musste sich bereist Ende des ersten Satzes behandeln lassen und hatte im weiteren Verlauf der Partie immer wieder Probleme. Zwar konnte Kyrgios weiterspielen, doch er wirkte längst nicht mehr so locker wie zu Beginn der Begegnung. Erstaunlich war jedoch, dass es dem Russen zunächst überhaupt nicht gelang, mehr Kapital aus den Wehwehchen seines Gegenübers zu ziehen. Das gelang ihm erst in den Sätzen drei und vier, die er jeweils im Tiebreak gewann.

Auch der finale Durchgang mündete im Tiebreak, der dieses Mal allerdings bis zehn ging. Bei einer 8:7-Führung und zwei eigenen Aufschlägen hatte es Khachanov selbst in der Hand, das Match abzuschließen. Aber irgendwie schaffte es Kyrgios, drei Punkte ihn Folge zu machen, um am Ende doch noch zu gewinnen.

Wer ihn danach völlig fertig im On-Court-Interview mit Jim Courier erlebte, in dem er kaum einen Satz zu Ende bringen konnte, fragte sich unweigerlich, ob Kyrgios bis zum Start gegen Nadal wieder fit werden könnte. In der kommenden Nacht wird es die Antwort geben. Die Partie ist in der Night-Session angesetzt und startet am Montagmorgen nicht vor 9:00 Uhr deutscher Zeit.Cheap air jordan 1 low womens | men’s jordan retro release dates