Novak Djokovic in Paris: Serve-and-Volley als Gamechanger
Seinen 37. Masters-Titel gewann Novak Djokovic mit einer aus der Mode gekommenen Offensivstrategie: Serve-and-Volley.
Mit den menschlichen Erinnerungen ist das manchmal so eine Sache. Was bleibt hängen, was ist schnell wieder vergessen? Blickt man auf die herausragende Saison von Novak Djokovic mit den Grand Slam-Titeln in Melbourne, Roland Garros und Wimbledon zurück, spielt einem das Gehirn doch gleich wieder einen Streich und weist mahnend auf zwei krasse Niederlagen hin: Das Halbfinal-Aus beim Olympischen Tennisturnier gegen Alexander Zverev und – noch schlimmer – die Drei-Satz-Pleite im US Open-Finale gegen Daniil Medvedev. Und zack: All die prächtigen Momente rücken dann doch wieder schnell in den Hintergrund. Frei nach dem Motto: Was hätte Djokovic nicht alles erreichen können 2021? Den echten Grand Slam! Den Golden Slam sogar!
Klar, Djokovic hätte aus dieser unfassbar guten Saison eine sporthistorische machen können, die dann wohl mit dem unvermeidlichen Sportjournalisten-Superlativ „beste aller Zeiten“ gelabelt worden wäre. Weil es nun nicht soweit kam, Djokovic stattdessen für seine Tränen und seine plötzliche Verwundbarkeit im New Yorker Arthur Ashe-Stadium trotz Niederlage als „normaler Mensch“ – und nicht als unerbittliche Maschine – gefeiert wurde, bekam das Tennisjahr 2021 einen ganz neuen Dreh. Wird sich Djokovic von diesen Niederlagen erholen können? Wird er überhaupt noch Turniere spielen oder die Saison einfach austrudeln lassen? Man hätte es ihm kaum verübeln können.
Djokovic hinterfragte sich mal wieder selbst
In Paris-Bercy stand Djokovic dann wieder auf dem Platz und spätestens im Endspiel gegen jenen Daniil Medvedev, der ihm die Saison verhagelt hatte, zeigte er, was die zwei Niederlagen aus dem Sommer ihm wirklich anhaben konnten: kaum etwas. Vielmehr nahm sie Djokovic zum Anlass, sich selbst zu hinterfragen und einen Weg zu finden, Daniil Medvedev zu bezwingen. Der Russe mit dem unverfrorenen Grundlinien-Konterspiel wird zunehmend als eine mindestens ebenbürtige Version von Djokovic eingeschätzt und als dessen legitimer Nachfolger gehandelt.
Vor allem seine Defensivqualitäten, um sich aus brenzligen Lagen immer wieder zu befreien, gelten längst als das Nonplusultra auf der Tour. Die Streaming-Plattform „Tennis TV“ veröffentlichte neulich auf Instagram einen Zusammenschnitt der unmöglichsten Rettungsaktionen von Medvedev und textete dazu: „71 Prozent der Erdoberfläche ist von Wasser bedeckt. Den Rest deckt Daniil Medvedev ab.“
Djokovic versuchte 39-mal Serve-and-Volley zu spielen
Wie also wollte Djokovic gegen dieses unverrückbare russische Bollwerk ankommen? In New York, das ist klar, war Djokovic weit von seiner Bestform entfernt („Ich hatte keine Beine!“), der historische Hintergrund hatte selbst ihn, das Mentalmonster, übermannt. In Paris-Bercy nun überraschte er seinen Gegner und die Fans mit einer kaum für möglich gehaltenen Offensivstrategie: Serve-and-Volley.
Djokovic spielte 22-mal Serve-and-Volley und machte dabei 19 Punkte. Zusätzlich startete er weitere 17 direkte Netzattacken nach dem Service, die aber durch Aufschlagfehler vorzeitig scheiterten. Heißt: In der Summe versuchte Djokovic 39-mal Serve-and-Volley zu spielen – absolut bemerkenswert. Während seines Drei-Satz-Siegs tauchte Djokovic 33-mal am Netz auf und machte dabei 25 Punkte (76%).
Der ATP-Zahlenguru Craig O’Shannessy kommt in einer statistischen Analyse des Endspiels auf der ATP-Website zu dem Fazit: „Wenn Djokovic nicht beim Serve-and-Volley geblieben wäre, um die Punkte kurz zu halten, hätte er keine Möglichkeit gehabt, den ständigen Rückhandduellen, in die Medvedev ihn verwickeln wollte, zu entkommen.“ Es wäre also wesentlich beschwerlicher für ihn gewesen, dieses Match zu gewinnen.
Djokovic analysierte das US Open-Finale 2021
Serve-and-Volley als Gamechanger – das passt zum ewigen Weiterentwickler Djokovic, der nach dem Match preisgab, sich genau diese Taktik vorab zurechtgelegt zu haben: „Ich habe mir das US Open-Finale noch einmal angesehen und analysiert. Es ging heute darum, Daniil Zeit zu nehmen, mehr Variabilität ins Spiel zu bringen, Serve-and-Volley einzustreuen und den Platz zu öffnen, weil Daniil wirklich weit hinten steht.“
Genau das ging perfekt auf, weil Djokovic bei seinen Attacken den ersten Volley häufig kurz hielt und den Ball aus dem Feld trieb. In der Match-Statistik gewann Djokovic 54 kurze Ballwechsel (0-4 Schläge), Medvedev „nur“ 35. Dieses Plus von 19 mehr gewonnenen Kurz-Rallies sind zum Großteil den Serve-and-Volley-Attacken zuzuschreiben.
Zwei weitere Rekorde für Djokovic
Was am Ende dieser Woche nun bleibt, sind zwei weitere Rekorde für Djokovic, der in der GOAT-Diskussion immer mehr Argumente auf seine Seite zieht. Mit dem Titel in Paris-Bercy hat er nun 37 Masters-Trophäen eingesammelt, eine mehr als Nadal. Und: Er wird zum siebten Mal in den letzten zehn Jahren eine Saison als Nummer eins der Weltrangliste beschließen; sein Idol Pete Sampras schaffte das sechsmal.
Meiste 1000er-Masters-Titel
(nur aktive Spieler)37 @DjokerNole
(inkl. Paris-Bercy 2021)36 @RafaelNadal
28 @rogerfederer
14 @andy_murray
5 @AlexZverev
4 @DaniilMedwed #Djokovic #goat #atp— tennis MAGAZIN (@tennismagazin) November 7, 2021
Die Saison 2021 wird also geschichtsträchtig enden für Novak Djokovic. Und geht es nach Daniil Medvedev werden sich daran in Zukunft viele erinnern: „In den nächsten zehn Jahren wird es neue Tennisfans geben, die auf Wikipedia alle Statistiken checken und sie werden Novak überall sehen.“Cheap air jordan 1 low womens | cheap air jordan 1s for sale