Pierre-Hugues Herbert: Der deutsche Franzose
Pierre-Hugues Herbert hat als Doppelspieler bereits Legendenstatus erreicht. Der Franzose ging einen anderen Weg als seine Landsmänner. Deutschland spielt dabei eine tragende Rolle.
Erschienen in der tennis MAGAZIN-Ausgabe 11-12/2019
Manchmal ist es nicht nur wichtig, was man sagt, sondern auch, wie man etwas sagt. Im Fall von Pierre-Hugues Herbert war es wichtig, wer etwas sagt. Es war Ende Februar 2013 beim ITF-Future-Turnier in Harlingen im US-Bundesstaat Texas. Herbert hatte gerade als Topgesetzter in der ersten Runde gegen Dean O‘ Brien in drei Sätzen verloren. Wenige Tage vor seinem 22. Geburtstag war der Franzose noch weit entfernt vom Einzug in die Top 100. Haitis Tennislegende, Ronald Agenor (drei ATP-Titel, Platz 22 in der Weltrangliste), der als Coach für einen anderen Spieler vor Ort war, beobachtete die Geschehnisse um Herbert. „Es gab eine Schwachstelle in seinem Kopf. Er hatte kein Selbstvertrauen und war ein Spieler, der nach sich selbst sucht“, befand Agenor. Sein Rat an Herbert: seinen eigenen Spielstil finden.
„Ich habe damals nicht mein Spiel gespielt, ich war ständig an der Grundlinie“, erzählt Herbert sechs Jahre später, als tennis MAGAZIN ihn während des ATP-Turniers in Halle/Westfalen trifft. „Ronald hat mir eigentlich das gleiche gesagt, das mein Vater mir damals immer eingetrichtert hatte. Aber wenn das von einem Ex-Profi kommt, der in den Top 30 stand, gehen die Wörter schneller ins Gehirn.“ Fortan stellte er sein Spiel um und wurde zu dem Spieler, den man heute kennt – angriffslustig mit einem großen Hang zu Serve-and-Volley.
Schulzeit in Baden-Württemberg
„Es war ein wichtiger Moment in meiner Karriere“, blickt Herbert zurück. Er redet dabei in fast akzentfreiem Deutsch. Geboren in Schlitigheim im Elsass in der Nähe von Straßburg ging er ab der dritten Klasse auf eine deutsch-französische Schule in Kehl in Baden-Württemberg. „Ende der zweiten Klasse ist meine Deutschlehrerin nach Deutschland gegangen und ich bin ihr einfach gefolgt. Das war etwas verrückt zu dieser Zeit, weil kein Franzose in Deutschland zur Schule gegangen ist. Keiner aus meiner Familie spricht Deutsch. Mir hat es großen Spaß gebracht, Deutsch zu lernen.“
Wenn er über seine Schulzeit redet, leuchten seine Augen. „Ich war direkt verliebt in das deutsche Schulsystem, vor allem, dass man am Nachmittag frei hatte. Mir hat auch die Art des Unterrichts in Deutschland gefallen. Es gab mehr Kommunikation zwischen den Lehrern und den Schülern. Auch die Klassen waren kleiner im Vergleich zu Frankreich.“ Der Weg zum Profi über eines der vielen Sportgymnasien in seiner Heimat kam für Herbert, der häufig nur P2H aufgrund seiner H-Initialien genannt wird, nie in Frage.
Pierre-Hugues Herbert: „Ich liebe Abendbrot”
Zu wichtig war ihm die Nähe zu seiner Familie, zu seinen Eltern, die beide Tennislehrer sind, sowie zu seinen Geschwistern Gabriel und Marjolaine. Ein typischer Deutscher sei er trotz der Schulzeit in Deutschland nicht geworden. „Ich liebe Abendbrot, aber Pünktlichkeit ist nicht so mein Ding“, gesteht er und spricht in den höchsten Tönen über die Deutschen. „Ich finde, dass die Deutschen sehr gut verstanden haben, wie man leben kann. Für uns Franzosen ist es vielleicht etwas zu strikt, aber es hilft im Leben, wenn jeder sich an Regeln hält. Ihr macht in Sachen Umwelt viel Gutes. Da seid ihr uns Franzosen ein paar Schritte voraus.“
Wenn man in der Tenniszene über Herbert spricht, dann fällt häufig der Ausdruck Doppelspezialist. Anfang des Jahres schrieb er bei den Australian Open mit seinem langjährigen Doppelpartner Nicolas Mahut Geschichte, als die beiden ihren Karriere-Grand Slam, den Titelgewinn bei allen Major-Turnieren, vervollständigten.
Herbert über Mahut: „Er ist der deutscheste Franzose”
„Ich mag es nicht, wenn man zu mir sagt, dass ich ein Doppelspezialist bin. Ich war die Nummer zwei der Welt, habe alle vier Grand Slam-Turniere gewonnen und spiele auch besser im Doppel als im Einzel. Aber ich finde, meine Einzelkarriere ist gar nicht so schlecht. Ich stand auf Platz 36 und habe das Gefühl, dass ich noch besser werden kann“, sagt Herbert. Er legte sogar zwischenzeitlich seine Karriere im Doppel auf Eis, um sich voll auf das Einzel zu konzentrieren. Dabei zog er sich den Zorn seines Doppelpartners Mahut zu, als er sich spontan entschied, in Wimbledon an der Seite von Andy Murray an den Start zu gehen. Mittlerweile sind Herbert und Mahut wieder vereint. Ihr großes Ziel: die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio. In Rio de Janeiro schieden die beiden Franzosen als topgesetztes Duo bereits in der ersten Runde aus.
Auf dem Weg zum Olympiasieg helfen soll Mahuts Ordnungssinn. „Er ist der deutscheste Franzose, den es gibt“, sagt Herbert lachend über seinen neun Jahre älteren Doppelpartner. „Er ist immer pünktlich. Er kann zwar kein Wort Deutsch, aber er verhält sich komplett Deutsch.“ Herbert hebt sich mit seinem großen Netzdrang ein wenig ab vom Rest seiner Einzelkollegen. „Ich finde, man sollte im Einzel alles beherrschen können, auch Serve-and-Volley.“
Pierre-Hugues Herbert und sein Markenzeichen
Ob er mit seiner Spielweise früher mehr Erfolg gehabt hätte, lässt sich schwer beurteilen, meint der 28-Jährige. Er sieht auch etwas Positives an der Verlangsamung der Plätze. „Auf den Belägen, die es jetzt gibt, springen die Bälle höher ab und mit meinen Kickaufschlägen habe ich mehr Zeit, zum Netz vorzurücken.“ Wenn man ihn spielen sieht, sticht sofort sein recht unorthodoxer Aufschlag mit einer Pendelbewegung ins Auge. „Mein Vater hat mir viel Freiheit gegeben beim Aufschlag. Ich habe einfach angefangen, so zu servieren. Nun ist es mein Markenzeichen“, sagt Herbert über seinen Aufschlag.
Deutschland hat Herbert auf dem Weg zum Profi früh geprägt. 2009 gewann er in Wimbledon die Doppelkonkurrenz bei den Junioren an der Seite von Kevin Krawietz gegen seine Landsmänner Julien Obry und Adrien Puget. „Wimbledon mit einem Deutschen zu gewinnen gegen zwei Franzosen im Finale – das war schon speziell und lustig für einen Franzosen, der in Deutschland zur Schule gegangen ist“, sagt er. Und was können die Deutschen von den Franzosen lernen? „Vielleicht ein wenig das Artistische“, meint Herbert. Und: „Die negativen Dinge kann man auch positiv sehen. Ihr Deutschen könntet manchmal etwas offener sein.“
Vita Pierre-Hugues Herbert
Pierre-Hugues Herbert (Jahrgang 1991) erreichte im Einzel bislang drei Finals auf der ATP-Tour und schaffte es bis auf Platz 36 in der Weltrangliste. Erfolgreicher war er im Doppel. Gemeinsam mit seinem Landsmann Nicolas Mahut siegte er bei allen vier Grand Slam-Turnieren (US Open 2015, Wimbledon 2016, French Open 2018, Australian Open 2019). Herbert gewann im Davis Cup sieben seiner acht Doppeleinsätze. Mit Frankreich holte er 2017 den Titel im Davis Cup und stand 2018 im Finale.cheap air jordan 1 low | which jordan 1s are the cheapest