Punktspielbälle: Ganz heiße Ware
Ein Beispiel aus dem Verband Schleswig-Holstein: Um den Spielball für alle Herren- und Damen-Mannschaften zu stellen, zahlt ein Hersteller (2014 ist es Dunlop) dem Verband etwa 20.000 Euro pro Saison. Eine überschaubare Summe, weil Schleswig-Holstein zu den kleineren Verbänden zählt. In Bayern, dem mitgliedsstärksten Landesverband, werden verschiedene Spielklassen im Paket erst ab einer Summe von rund 300.000 Euro pro Saison verkauft. Insgesamt kassiert der Bayerische Tennis Verband (BTV) von den Ballfirmen mehr als eine Million Euro pro Spielzeit.
Zuschussgeschäft für Ballfirmen
Für Dunlop, Wilson, Head und Tretorn ist das Geschäft schwer zu kalkulieren. Sie stellen zunächst anhand der Anzahl der Teams Hochrechnungen an, wie viele Bälle in den jeweiligen Spielklassen verwendet werden – das heißt, wie viele Balldosen von den Vereinen definitiv gekauft werden. Der garantierte Umsatz, der sich daraus ergibt, gilt in der Szene als Verhandlungsbasis für ein Angebot, das eine Firma einem Verband unterbreitet. Gewinn erwirtschaftet sie erst dann, wenn so viele Spieler wie möglich den Punktspielball auch zu Trainingszwecken kaufen.
„Für die meisten Ballfirmen sind die Punktspielbälle ein Zuschussgeschäft und eine reine Marketingmaßnahme“, sagt ein Insider aus der Ballindustrie, der namentlich nicht genannt werden möchte. Er behauptet, dass außer Dunlop keine Firma mit dem Verkauf von Punktspielbällen Geld verdient. Das System bietet den Firmen vielmehr eine Plattform, um Zugriff auf Spieler und Teams zu erhalten. Die Ballanbieter spekulieren darauf, dass ihr prominent platzierter Punktspielball Verkäufe günstigerer Bälle aus der zweiten Reihe nach sich zieht. Und: Die Verträge beinhalten oft auch Klauseln, nach denen leistungstarke Spieler sowie Trainer aus den Verbänden verpflichtet sind, mit Schlägern oder in der Bekleidung des jeweiligen Ballsponsors zu spielen.
System sichert Existenz der Clubs
Über vier Millionen Bälle werden für den Medenspielbetrieb in einer Sommersaison benötigt – für etwa 70.000 Teams und mehr als 500.000 Spieler. Insgesamt fließen circa zehn Millionen Euro pro Saison von den vier großen Ballfirmen in alle 18 Landesverbände. Die „Ballgelder“ decken 25 bis 35 Prozent des Jahresetats eines Verbandes ab. Sie sind neben den Mitgliedsbeiträgen (jeder Clubspieler führt seinen Beitrag über den Verein an den Verband ab) und den staatlichen Zuschüssen die wichtigste Einnahmequelle der Landesverbände. Was mit den Geldern geschieht, ist Verbandssache. Mit ihnen werde die Nachwuchsarbeit finanziert, ist häufig zu hören. Es werden aber auch Gehälter von Mitarbeitern in den Geschäftsstellen oder Maßnahmen im Breitensportbereich damit bezahlt.
„Wir tun viel Gutes mit dem Geld, das wir von den Ballfirmen bekommen“, versichert Thomas Chiandone, Geschäftsführer des Tennisverbandes Schleswig-Holstein. Der im vergangenen Jahr abgetretene Präsident Wolfgang Raudszus gesteht: „Ohne die Ballgelder gäbe es in Schleswig-Holstein erhebliche Probleme bei der Nachwuchsförderung.“
Was deutlich wird: Die überteuerten Preise für Punktspielbälle sind letztlich verdeckte Beitragszahlungen für die Spieler. Würde den Verbänden das Geld von den Ballfirmen fehlen, wären sie gezwungen, ihren Haushalt über andere Quellen zu decken. Die einfachste Lösung: Beitragserhöhungen für die Mitglieder, also die Spieler, beschließen. Und mehr Geld für Mannschaftsmeldungen einfordern. Die Folge dieser Maßnahmen: Auch die Vereine müssten ihre Mitgliedsbeiträge erhöhen, was wiederum zu Lasten der deutschen Tennisspieler gehen würde.
„Gäbe es die Zahlungen der Ballfirmen nicht, müssten viele Vereine um ihre Existenz kämpfen. Das deutsche Tennis insgesamt hätte dann ein echtes Problem“, mahnt ein Verbandsfunktionär. Auch er will anonym bleiben, obwohl er nur ein offenes Geheimnis ausspricht.
Wer tief in der Szene drinsteckt, ist mit dem Ballkreislauf, der das deutsche Tennis am Leben hält, bestens vertraut. Es will nur niemand offen darüber sprechen. Transparenz gibt es nicht, keiner nennt konkrete Summen, alles ist geheim. Entsprechend schwer war die Recherche für diesen Artikel: Sie glich einem Stich ins Wespennest. Die eindringliche Bitte vieler Gesprächspartner: Keine Veröffentlichung zu diesem Thema, das bringt nur Unruhe.
Der Ballbedarf sinkt seit Jahren
Die Brisanz ergibt sich aus den über Jahre gewachsenen Verflechtungen zwischen Verbänden und Firmen. Früher, zu den Glanzzeiten des Tennissports, zahlten die Firmen deutlich mehr als heute. Die Verbände gaben den Firmen vor, welche Summen für welche Ligen zu entrichten sind – verhandelt wurde kaum. „Ein Termin bei einem Landesfürsten glich damals einer Audienz beim Papst“, erzählt ein Funktionär, der selbst lange im Ballgeschäft involviert war. Landespräsidenten wurden mit Luxusreisen oder Sportausrüstungen geködert.