Roger Federer: „Fühle mich wie ein Motivationsredner zu Hause“
Roger Federer ist auf Werbetour für den von ihm initiierten Laver Cup, der 2024 nach Berlin kommt. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung gewährt er aber auch Einblicke in sein Leben als Tennisrentner und Familienvater.
Er hat sich rar gemacht in letzter Zeit – zumindest in Sachen Tennis: Roger Federer sitzt nicht stundenlang vor einem Mikro, um Matches im TV zu kommentieren. Er tritt nicht als allwissender Experte vor eine Fernsehkamera. Und er postet auch nichts zum aktuellen Profigeschehen in seinen Social Media-Kanälen. Zu den Geschehnissen bei den Australian Open 2024 hörte man von Federer nichts.
Weil nun aber vom 20. bis 22. September 2024 der von ihm in Kooperation mit Manager Tony Godsick gegründete Laver Cup nach Berlin kommt, gab er der Süddeutschen Zeitung ein ausführliches Interview via Video-Call. Herausgekommen ist ein Gespräch, in dem Federer – unterstützt von Tony Godsick – viel über das kontinentale Team-Format erzählt, das schon sechsmal stattgefunden hat.
Roger Federer: Kein Wort über Sinner oder Djokovic
Aber das Interview streift auch einige spannende Aspekte rund um das „neue Leben“ des 2022 zurückgetretenen Weltstars. Was allerdings auffällig ist: Auch in der Süddeutschen Zeitung äußert er sich nicht groß zum aktuellen Tour-Geschehen. Australian Open-Champion Jannik Sinner oder Grand Slam-Rekordsieger Novak Djokovic sind kein Thema.
Dabei kommt klar zum Ausdruck, dass er die Matches in Melbourne zum Teil intensiv verfolgt hat. Als Federer sagt, dass er Tennis „einfach liebt“ und sich nicht von diesem Sport „entfremden“ wolle, ergänzt Manager Godsick: „Das wird auch sicher nicht passieren.“ Und wie zum Beweis schildert er eine kleine Anekdote aus dem Federer-Kosmos. „Wir hatten kürzlich zusammen die Australian Open im Fernsehen gesehen, seine Töchter waren auch da”, erzählt Godsick. „Plötzlich fragt Roger – er fragt immer so Quiz-Fragen: ‚Wenn dieser Kerl verliert, wisst ihr, was das bedeutet?‘ Ich hatte keine Ahnung. Er sagte: ‚Wenn der hier verliert, ist erstmals kein Spieler mit einer einhändigen Rückhand in den Top Ten.‘ Wer war es, Roger?”
Roger Federer: „Hatte gehofft, dass Rublev das Match gewinnt”
Federer klärt die Situation schließlich auf. Es ging um das Match zwischen Alex de Minaur und Andrey Rublev. Hätte de Minaur die Partie gewonnen, dann wäre Stefanos Tsitsipas aus den Top 10 geflogen. „Dann wäre erstmals in der Tennisgeschichte keiner mit einhändiger Rückhand in den Top Ten gewesen. Ich habe als Spieler mit einhändiger Rückhand dann gehofft, dass Rublev gewinnt, um die Serie der einhändigen Rückhand aufrechtzuerhalten. Hat geklappt”, erläutert der Schweizer.
Dann gibt er zu, dass er das Leben als Tennis-Ruheständler „großartig” fände. Die letzten drei Wochenenden sei er auf der Skipiste gewesen, so Federer, der mit seiner Familie ein Chalet in Valbella, einem Schweizer Skiort in Graubünden, besitzt. Früher, als aktiver Tennisprofi, musste er aufs Skifahren stets verzichten – die Verletzungsgefahr war zu groß.
Und neulich, so Federer, hätte er sich mit seiner Frau Mirka einen Court gebucht, um gemeinsam Tennis zu spielen: „Es hat Riesenspaß gemacht.” Zwischendurch, merkte er süffisant an, hätte er bei seiner Vorhand gedacht: „Oh ja, läuft!” Aber dass er etwa als Ersatzmann beim Laver Cup 2024 zur Verfügung stehen könnte, schließt er rigoros aus: „Nein, ich werde ein glücklicher Zuschauer sein und das Event genießen.”
Auch der Laver Cup könnte bald in Saudi-Arabien stattfinden
Wie der Laver Cup in der Zukunft angesichts der jüngsten Entwicklungen in Saudi-Arabien aussehen könnte, skizzierte Manager Godsick deutlich: „Eines Tages könnte der Laver Cup in Saudi-Arabien sein. Wir rotieren ja zwischen europäischen Städten und Städten im Rest der Welt. Ich gehe davon aus, dass Saudi-Arabien irgendwann in der Zukunft Teil dieser Diskussion sein wird. Der neue „Six Kings Slam” hatte zu Beginn der Woche in der Tennisszene für Schlagzeilen gesorgt.
Federer selbst analysierte die jüngsten Entwicklungen im Welttennis eher nüchtern: „Sie spiegeln auch Angebot und Nachfrage wider. (…) Solche Veranstaltungen helfen, dass sich Tennis entwickelt. Vor allem in Gegenden, in denen der Sport noch nicht so präsent ist. Willst du ein Grand-Slam-Turnier kaufen? Geht nicht. Willst du ein Masters-Turnier kaufen? Superschwer. Willst du ein 500er? Musst du in der Schlange warten. Das ist der Grund, warum Showtennis so beliebt wurde.” Auf seine eigenen Showevents (Touren durch Südamerika, Rekordmatch mit Nadal in Südafrika) blickt er gerne zurück: „Ich mochte es, mit meinen Exhibitions das Tennis-Evangelium zu verbreiten.”
Roger Federer: „Familien-Logistik kostet viel Zeit”
Was Federer aber am meisten beschäftigt, ist sein Familienleben. Die Zwillingstöchter Myla und Charlene sind 14, die Zwillingssöhne Leo und Lenny neun. „Das kostet viel Zeit, die Logistik mit meiner Frau zusammen zu organisieren”, sagt der 42-Jährige. Dann kommt er auf den „permanenten Zugang zum Internet” zu sprechen: „Alles … pfff … kannst du sofort haben. Umso wichtiger ist es, die wahren Werte zu kennen.” Das erinnert doch stark an die typischen Sorgen der meisten Familienväter. Federer: „Ich versuche, ein guter Vater zu sein. Das ist nicht immer einfach, vor allem mit den 14-jährigen Mädchen. Sie haben ihre eigenen Köpfe gerade. Wir sind eine enge Familie, die es liebt, Zeit zusammen zu verbringen. Aber auch wir müssen die Mädchen ihre eigenen Erfahrungen machen lassen.”
Wie es konkret im Hause Federer abläuft, schildert der 20-fach Grand Slam-Sieger ziemlich anschaulich: „Ich fühle mich wie ein Motivationsredner zu Hause. Manchmal ende ich und denke mir: ‚Wow, das war eine richtig gute Rede, Roger!‘ Und fünf Minuten später wurde nichts von dem gemacht, was ich gesagt hatte. Aber es ist okay. Ich bleibe dran als Vater.”
Kein Thema in der Federer-Familie seien seine Erfolge und Rekorde als Tennisspieler. Nur wenn seine Kinder aktiv etwas über seine Tenniskarriere wissen wollen, würde er auch darüber sprechen. „Sonst nicht. Das bin ich nicht“, betont Federer.