Show-Matches im Dezember: Kaum Pause in der Off-Season
Trotz all der Klagen der Profis über ihre übervollen Turnierkalender wird der eigentlich turnierfreie Dezember, also die Off-Season, gerne für lukrative Showauftritte in aller Welt genutzt – ein Überblick.
Die Saison ist vorbei: Die ATP hat die offiziellen Jahresabschluss-Weltranglisten letzte Woche Montag veröffentlicht und mit den Next Gen Finals in Saudi-Arabien sowie Challenger-Events in Japan, Portugal, Spanien und Chile endeten die letzten größeren Profiturniere auf der Herrentour. Bei den Damen läuft noch ein WTA 125er-Event bis Mitte Dezember. Aber auch hier stehen die Zeichen eindeutig auf Off-Season. Bedeutet für die Profis: Pause, Urlaub, Beine hoch. Und sich im Anschluss mit einem langen Trainingsblock auf die Saison 2024 vorbereiten, die ja schon am 29. Dezember 2023 mit dem United Cup in Australien beginnt.
In der Off-Season nach Südamerika jetten
Doch die eh schon stark verkürzte Off-Season – vor wenigen Jahren endete das Tennisjahr schon Mitte/Ende November – hat sich zuletzt immer mehr zu einer Saison der Show-Events entwickelt. Dass die Profis in ihren freien Wochen für groß angelegte Exhibitions um die Welt jetten, ist kein neues Phänomen. Roger Federer bereiste 2012 erstmals Südamerika und traf sich zu mehreren Show-Matches mit Thomaz Bellucci, Jo-Wilfried Tsonga und Tommy Haas. In den Folgejahren wiederholte er diese Tournee. „In der Turnierpause brennt für die Tennisstars im Advent ein neues Licht: Exhibitionsturniere in Südamerika“, kommentierte bissig die Neue Zürcher Zeitung. 2014 und 2015 fand die „International Premier Tennis League“ als Team-Wettbewerb in mehreren asiatischen Metropolen statt. Top-Stars wie Novak Djokovic, Maria Sharapova, Serena Williams oder auch Roger Federer sollen Antrittsgelder im siebenstelligen Bereich bekommen haben. 2016 war die IPTL dann pleite.
Die Zahl der Show-Events ist verblüffend
In der Off-Season 2023 ist nun die pure Anzahl von Show-Events verblüffend. Den Anfang machten Carlos Alcaraz, Tommy Paul, Caroline Wozniacki und Maria Sakkari Ende November in Mexiko City. Das „Tennis Fest GNP“ fand in der beeindruckenden Stierkampfarena Plaza de Toros México statt und schlug in der digitalen Tennis-Bubble vergleichsweise hohe Wellen, weil Alcaraz dort ein wahrer Zauberschlag gelang:
Impossible is possible with @CarlosAlcaraz 🤯
🎥 @tennisfestmx #TennisFestGNP pic.twitter.com/gPM71hukpH
— Tennis TV (@TennisTV) November 30, 2023
Nächste Station: St. Petersburg. Ja, in Russland finden seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine zwar keine offiziellen ATP/WTA-Turniere mehr statt, aber Show-Events mit internationalen Gästen schon. Und die mitspielenden nicht-russischen Profis brauchten keine Konsequenzen zu befürchten. „Diese Veranstaltung steht weder in Verbindung mit der WTA noch wird sie von der WTA unterstützt“, teilte die Damen-Tour mit. Ähnlich äußerte sich die ATP. Für die Spieler würden zurzeit keine Restriktionen gelten. An welchen Events sie teilnehmen, sei den Spielern überlassen, sagte die Herren-Tour gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
Off Season-Event im Zeichen von Gazprom
Bei der „Northern Palmyra Trophies“, gesponsert vom Energiekonzern Gazprom, handelt es sich um einen Team-Wettbewerb, an dem vor allem russische Spieler und Spielerinnen teilnehmen: Veronika Kudermetova, Vera Zvonareva, Anastasia Potapova, Svetlana Kuznetsova, Diana Schneider, Alexander Shevchenko, Karen Khachanov und Nikolay Davydenko waren es in diesem Jahr. Mit Adrian Mannarino aus Frankreich, dem Spanier Roberto Bautista-Agut, den Serben Laslo Djere und Dusan Lajovic sowie Yulia Putinseva und Alexander Bublik aus Kasachstan waren aber auch durchaus bekannte internationale Profis am Start.
„Es ist eine Schande, besonders für europäische Spieler“
Für die ukrainische Tennis-Website btu.org.ua war diese Veranstaltung ein absolutes No-Go. Auf X schrieben die Macher der Seite: „Athleten aus Europa nehmen an einem Exho-Turnier teil, das von Gazprom finanziert wird. Ein Unternehmen, das Söldnerfirmen für den Krieg gegen die Ukraine unterstützt. Und WTA/ATP machen nichts dagegen!“ Schon vergangenes Jahr gab es dieses umstrittene Show-Turnier. Auch damals waren neben vielen einheimischen Profis internationale Spieler und Spielerinnen am Start, zum Beispiel Marton Fucsovics und Anna Bondar aus Ungarn oder der Spanier Pedro Martinez.
„Es ist eine Schande, besonders für die europäischen Spieler. Ich kann es nicht verstehen, ich weiß nicht, was in ihren Köpfen vorgeht. Sie streichen damit nur Schwarzgeld ein“, sagte der ehemalige ukrainische Profi Alexandr Dolgopolov, der mittlerweile für sein Land als Soldat im Krieg kämpft, in einem Interview mit der Daily Mail. „Diese Spieler brauchen das Geld nicht unbedingt. Bautista-Agut spielt seit 15 Jahren auf der Tour. Mannarino ist seit zehn Jahren dabei. Für mich ist das ein Witz, es ist erbärmlich“, meinte Dolgopolov.
Neues Off-Season-Event in Macau
Weniger in der Kritik stand das neue Show-Event „Macau Tennis Masters“, das in der chinesischen Sonderverwaltungszone Macau ebenfalls Anfang Dezember von der Vermarktungsagentur IMG ausgerichtet wurde. Dort am Start waren: Daria Kasatkina, Wang Xinyu, Taylor Fritz, Tallon Griekspoor, Borna Coric und Zhizhen Zhang. Tallon Griekspoor, der 2023 auf der ATP-Tour mehrfach auf sich aufmerksam machte und seine höchste Weltranglistenplatzierung mit Position 21 erreichte, gewann den Showkampf nach Siegen über Taylor Fritz (6:3, 6:1) und Borna Coric (6:3, 6:4). „Es spielt keine Rolle, ob es sich um ein Show-Turnier handelt oder nicht, man versucht immer sein Bestes zu geben, um zu gewinnen“, sagte der Niederländer pflichtbewusst im Anschluss.
Daria Kasatkina gewann das einzige Damen-Match gegen Wang Xinyu. Ihre Teilnahme sorgte im Vorfeld mindestens für Irritationen, denn sie hatte sich zuvor in ihrem Video-Tagebuch über das durch getaktete Leben als Tennisprofi und den vollen Turnierplan massiv beschwert. „Ich bin total kaputt, scheiß auf Tennis. Tennis selbst ist noch das Einfachste, was wir tun. Alles andere ist einfach nur verdammter Bullshit. Ich kann nicht mehr reisen, ich kann meine Sachen nicht mehr packen, ich kann nicht mehr in diese verdammten Flugzeuge steigen“, klagte sie. Ihr Start in Macau wurde im Web entsprechend kritisch gesehen. Kasatkina selbst rechtfertige sich damit, dass sie sich in der Zwischenzeit ausgeruht hätte.
UTS-Event in Seoul in der Off-Season abgesagt
Anfang Dezember sollte noch ein drittes Show-Event stattfinden, doch der Ultimate Tennis Showdown (kurz: UTS) in Seoul musste kurzfristig abgesagt werden. Angeblicher Grund: Streiks in australischen Häfen. Dadurch seien „die pünktlichen Lieferungen von wichtigen Geräten und Technologien nach Korea“ gefährdet gewesen, heißt es auf der UTS-Website. In Seoul wären bei dem Tennis-im-Kurzformat-Turnier unter anderem Jan-Lennard Struff, Richard Gasqeut, Gael Monfils, Alexander Bublik und Reilly Opelka dabei gewesen.
Off-Season: UTS-Event in London
Das zweite UTS-Event im Dezember wird aber nicht abgeblasen. Das „Grand Final“ in London wird ab Freitag (15.12.) unter anderen mit Holger Rune, Andrej Rublev, Casper Ruud, Jack Draper und Benoit Paire über die Bühne gehen. Es ist eine Art „UTS-Masters“, für das man sich über die Vorturniere in Los Angeles und Frankfurt qualifizieren konnte.
Parallel zum großen UTS-Happening in London wird es im französischen 10.000-Einwohner-Städtchen Bourg de Péage südlich von Lyon beschaulicher zugehen, wenn dort die „Open de Bourg de Péage“ bereits zum fünften Mal ausgetragen werden. Alex de Minaur, Holger Rune, Jo-Wilfried Tsonga, Katie Boulter oder Donna Vekic gewannen das kleine, aber feine Exhibition-Turnier bereits. 2023 werden Nachwuchsstar Mirra Andreeva, Neu-Französin Vavara Gracheva und Donna Vekic bei den Damen starten. Im Herrenfeld stehen sich Adrian Mannarino, Alex de Minaur, David Goffin, Arthur Rinderknech und Lucas Pouille gegenüber.
Beschauliche Off-Season in Frankreich
Einige Teilnehmer der „Open de Bourg de Péage“ spielen derzeit noch bei den „Open de Caen“, ein weiteres Show-Turnier in Frankreich: Alex de Minaur, Adrian Mannarino oder Vavara Gracheva zum Beispiel. Die Endspiele werden am Mittwoch ausgetragen. Das Besondere bei den „Open de Caen“: Über ein Quali-Turnier können sich Amateure oder Jungprofis ins Damen- und Herrenfeld spielen. Der Franzose Jurgen Briand schaffte das bei den Herren und schlug gestern als Nummer 1090 der Weltrangliste den Top 100-Spieler Arthur Rinderknech. Ansonsten sind noch vertreten: Richard Gasquet, Ugo Humbert, Alexandre Müller und Martina Trevisan.
Während die Events in Frankreich überschaubar wirken – vor allem in finanzieller Hinsicht –, werden bei den Schwergewichten der Show-Saison auf der arabischen Halbinsel ganz andere Summen aufgerufen. Das Starterfeld bei der „World Tennis League“, die vom 21. bis 24. Dezember in Abu Dhabi stattfindet, jedenfalls ist exquisit besetzt. Bei dem Team-Wettbewerb sind vier gemischte Mannschaften am Start.
Für die „Eagles“ sind die „best buddies“ Daniil Medvedev und Andrej Rublev sowie Mirra Andreeva und Sofia Kenin im Einsatz. Die „Falcons“ werden von Elena Rybakina, Leylah Fernandez, Taylor Fritz und Frances Taifoe vertreten. Bei den „Hawks“ spielen: Casper Ruud, Iga Swiatek, Hubert Hurkacz und Caroline Garcia. Die „Kites“ schließlich haben Aryna Sabalenka, Stefanos Tsitsipas, Grigor Dimitrov und Paula Badosa in ihren Reihen.
Knaller zum Ende der Off-Season in Saudi Arabien
Der größte Knaller aber folgt zum Abschluss der eigentlichen Off-Season: Beim neuen „Riyadh Season Tennis Cup“ treffen in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad am 26. Dezember Aryna Sabalenka und Ons Jabeur aufeinander; einen Tag später kommt es zum Giganten-Match zwischen Novak Djokovic und Carlos Alcaraz. Die Nummer 1 gegen die Nummer 2 der Welt – mehr geht natürlich nicht.
Der „Diriyah Tennis Cup“ in Riad und die „Mubadala World Tennis Championships“ in Abu Dhabi, zwei mittlerweile etablierte Exhibition-Events, wird es 2023 nicht geben. Der „Diriyah Tennis Cup“, bei dem Alexander Zverev nach seiner schweren Knöchelverletzung 2022 sein „Comeback“ gab, soll 2024 wieder ausgerichtet werden. Ob die „Mubadala World Tennis Championships“ zurückkommen, ist ungewiss.
Aber auch so bietet die Off-Season viele Match- und Verdienstmöglichkeiten für die Profis. Vielleicht sogar zu viele.