Bildband „The Tennis Court“: Magische Fotos von einzigartigen Tennisplätzen
Nick Pachelli reiste zwei Jahre lang zu Tennisplätzen in aller Welt, um sie zu fotografieren und um auf ihnen zu spielen. Sein Bildband „The Tennis Court“ ist auch eine Hommage an die Vielfältigkeit des Tennissports.
Ein Tennisplatz ist ein etwa 24 Meter langes und 11 Meter breites Spielfeld, mit einigen weißen Linien, vielen zusätzlichen Auslaufmetern und einem Netz in der Mitte. So ist es überall auf der Welt. Standard. Doch Tennisplatz ist eben nicht gleich Tennisplatz, auch wenn die Maße auf den etwa 500.000 Courts weltweit überall identisch sind. Wie unterschiedlich Tennisplätze sein können, zeigt der Autor und Fotograf Nick Pachelli in seinem jüngst erschienenen Buch „The Tennis Court“.
Tennis-Bildband „The Tennis Court“ mit 200 fantastischen Plätzen
„Wenn man die Elemente Oberfläche, Raum, Wind, Akustik, Menschenmassen, Schatten, Feuchtigkeit und sogar Luftdichte hinzufügt, ist jeder Tennisplatz einzigartig – ein Kunstwerk. Und einige sind Meisterwerke“, schreibt er zu Beginn seines 336 Seiten starken Bildbands (Preis: ca. 40€). Pachelli hat diese Meisterwerke systematisch gesucht, hat sie besucht, fotografiert und oft auf ihnen gespielt. Er hat die Menschen rund um die schönsten Tennisplätze der Welt kennengelernt, sich ihre Geschichten angehört und tiefe Einblicke in die unterschiedlichsten Tennis-Communities erhalten.
Beim Fußball werden Menschen wie Pachelli als „Groundhopper“ bezeichnet: Sie reisen zu Fußballplätzen in aller Welt – egal, wie stark die dort beheimateten Teams auch sein mögen – und haken ihre „Grounds“ auf Listen ab. Wenn man so will, ist Pachelli nun der „Courthopper“ des Tennis. Niemand zuvor wird sich jemals so viele unterschiedliche Tennisplätze angeschaut haben wie der US-Autor, der in Albuquerque, New-Mexico, aufwuchs und schon als kleiner Junge auf den staubtrockenen Courts seiner Heimat Tennis spielte. Tennis wurde seine große Leidenschaft: Als Sport, den er selbst bis heute wettkampforientiert ausübt, aber auch als Thema für seine Arbeit als Journalist. Pachelli, der nun in New York City lebt und arbeitet, schrieb schon Tennis-Stories für die New York Times, Esquire, Guardian, Vice und ESPN.
5.000 Telefongespräche für die „The Tennis Court“-Recherche
Sein mit Abstand größtes Projekt aber ist das Buch „The Tennis Court“. Er begann damit 2022 – und zwar mit einer klassischen journalistischen Tätigkeit: Pachelli und einige Recherche-Helfer telefonierten sich die Finger wund, um die wirklich bemerkenswertesten Tennisplätze der Erde zu finden. „Wir riefen mehr oder weniger in jedem Land an und versuchten dort mit Tennisliebhabern in Kontakt zu kommen, denen wir dann die Frage aller Frage stellten: `Wo sind bei euch im Land die besten Tennisplätze?´ Aus den etwa 5.000 Telefongesprächen, die wir führten, und langen Web-Recherchen ergab sich irgendwann eine Karte mit den Courts, die es in die Auswahl schafften“, erklärt der 40-Jährige seine mühevolle Puzzlearbeit.
Ende 2022 machte er sich dann auf Weg rund um den Globus, um schließlich fast 1.000 Courts zu besuchen. 200 von ihnen sind nun in seinem Buch gelandet. „Aus logistischer Sicht war das Projekt ziemlich schwierig zu bewältigen, weil ich ständig Zeiten für Besuche in Tennisclubs festlegen und ändern musste, aber auch Raum für Entdeckungen und glückliche Fügungen einplanen musste“, erzählt Pachelli im Gespräch mit tennis MAGAZIN. „Ich habe mit Tausenden von Menschen auf der ganzen Welt E-Mails über Tennis in ihrem Land hin- und hergeschickt, und als ich dann irgendwo auftauchte und es endlich an der Zeit war, alle persönlich zu treffen, musste ich einen Zeitplan aufstellen, der machbar war.“ Hinzukam die Organisation von Schlafplätzen, Shuttles zu den Courts, Weiterreisen per Zug oder Flugzeug. „Es war einfach eine Menge Reiselogistik, wie ein ständiges Karussell. Aber mit der Zeit wurde es einfacher“, sagt Pachelli.
„The Tennis Court“: Immenser Aufwand für tolle Inhalte
Der immense Aufwand hat sich gelohnt. Wer als Tennisspieler einmal durch das Buch blättert, wird aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Es ist nicht nur die Magie der Fotos, die auch dank spektakulärer Drohnenaufnahmen zum Tagträumen einlädt: „Einmal auf so einem Court spielen, oh Mann!“ Es sind auch die sorgsam formulierten Begleittexte, die wunderbar die Geschichte des jeweils abgebildeten Platzes und der Menschen, die auf ihm spielen, erzählen, so dass sich beim Lesen der Drang weiter verstärkt, einmal auch diesen Ort mit diesem Court besuchen zu wollen.
Ein Beispiel dafür ist ein Tennisplatz mitten in Venedig, der sich „San Stin“ nennt. „Der Platz ist ein gut gehütetes Geheimnis und kaum zu finden. Aber auch dort gibt es eine vitale, wenn auch kleine Tenniscommunity. Also musste ich den Leuten dort erklären, woran ich arbeite, und sie fragen, ob ich sie besuchen kann, um den Ort im Buch zu feiern“, erklärt Pachelli, der es schließlich schaffte, das Vertrauen der „San Stin“-Mitglieder zu gewinnen.
Die Geschichten um den geheimnisumwitterten Court wären vermutlich ein eigenes Buch wert. Wer in Venedig ist und den Platz sucht, wird ihn nur schwer finden. Kein Schild, kein Google-Hinweis, nichts. Wenn man Glück hat, hört man plötzlich irgendwo in dem Gewirr aus engen Gassen und kleinen Kanälen das vertraute Plopp-Plopp. Der Platz versteckt sich hinter einer fast fünf Meter hohen Wand, die von wildem Wein umrankt ist. Der Eingang befindet sich in einer feudalen Villa, in deren Garten der Court liegt. 40 bis 50 Personen schlagen auf dem Court regelmäßig Bälle. Wie viele es genau sind, wird nicht verraten.
Die Villa und damit der Platz gehörten in der Vergangenheit immer wieder anderen Besitzern aus den venezianischen Oberschicht, für die ein Court im Hinterhof eher ein nettes Spielzeug, aber keine wirkliche Sportstätte war. Erst in den 1960er-Jahren konnten einige Tennisverrückte den damaligen Hauseigentümer davon überzeugen, ihnen den Platz anzuvertrauen, als dieser das komplette Anwesen verkaufen wollte. Es entstand der „Circolo Amici del Tennis“ (Kreis der Tennisfreunde) und der Court wurde von der Stadt Venedig als historische Stätte anerkannt.
„Die feuchteste und klebrigste Asche, auf der ich jemals gespielt habe“
Pachelli wurde nun die Ehre zuteil, dass er auf dem „San Stin“ spielen durfte, eine fast einmalige Einladung der Mitglieder. „Mich erwartete dort die feuchteste und klebrigste Asche, auf der ich jemals gespielt habe“, erzählt der Autor, der die Partie natürlich trotzdem genoss. „Die Mitglieder sprechen davon, dass ihr Platz einem schlammigen Aufprall hat – das trifft es ganz gut!“
Auf mehr als 150 Courts hat Pachelli während seiner Recherchereisen selbst spielen können. „Das war eigentlich die größte Freude überhaupt bei der Arbeit zu dem Buch“, berichtet er begeistert. Besonderen Spaß hatte er bei Begegnungen mit Spielern, die kein Englisch sprachen, weil er so die lokalen Ausdrücke für bestimmte Tennis-Schlüsselwörter lernte. Seinen persönlichen Tennis-Horizont erweiterte er mit jedem Court, den er besuchte.
In Tschechien und Kolumbien lernte er etwa, weshalb sich in diesen Ländern kontinuierlich starke Doppelspieler entwickeln (weil dort schon Kleinkinder früh Doppel spielen). Im bolivianischen La Paz, auf 3.600 Metern Höhe, wurde ihm klar, dass man in solchen Höhenlagen ganz anders Tennis spielen muss (weil der Ball viel schneller und viel weiter fliegt). „Streng genommen, muss man sein Spiel der jeweiligen Klimazone etwas anpassen“, schlussfolgert Pachelli.
„The Tennis Court“ steht auch für die Vielfalt des Sports
Am Ende will er sein Buch aber vor allem dafür nutzen, um mit gängigen Tennis-Vorurteilen aufzuräumen. Was er auf seinen Reisen in mehr als 250 Städte nämlich festgestellt hat, ist: „Tennis wächst in so vielen Gegenden auf der Welt, auch weil die Tennis-Communities nicht elitär und in sich geschlossen sind, sondern weil sich viele von ihnen für einen diversen und offenen Umgang mit allen Menschen einsetzen.“ Er nennt Beispiele von Vereinen, die ihre Mitgliedsbeiträge für sozial benachteiligte Familien senken, die die Ausbildung speziell von weiblichen Coaches fördern und die Programme zur Integration behinderter Spieler und Spielerinnen unterstützen. „Ich bin fasziniert von der Zukunft des Tennissports, weil er insbesondere auf Clubebene einen gesellschaftlichen Wandel voranbringen kann“, sagt Pachelli.
Es ist ein großer Anspruch, den er mit seinem Buch verknüpft. Vielleicht etwas zu groß. Was aber unbestritten bliebt, ist seine ungebremste, fast euphorische Leidenschaft für den Tennissport. Sie steckt in all seinen Bildern und Texten. Und sie springt irgendwann auf die Leser und Leserinnen über. Weil Tennis, wie es Pachelli selbst formuliert, nicht nur ein fantastischer Sport ist, sondern vor allem „ein Spiel, das uns so viel über uns selbst und die Menschen, die wir sind und sein wollen, lehren kann.“
Alle weiteren Informationen und Bezugsquellen zum Bildband „The Tennis Court“ gibt es hier: http://www.nickpachelli.com/book