Tomas Berdych: Warten auf den ganz großen Treffer
Es ist nicht so, dass er gegen die Besten nicht gewinnen kann. „Ich habe alle schon mindestens zweimal besiegt“, sagt Berdych. Aber er weiß auch: Es reicht nicht, nur einen zu schlagen. Sie stehen ihm geballt im Weg. 2010 auf seinem Weg ins Finale räumte er in Viertel- und Halbfinale Federer und Djokovic aus dem Weg. Dann kam Nadal. Vergangenes Jahr in Melbourne bestritt er ein fantastisches Match gegen den zugegebenermaßen nicht in Höchstform spielenden Spanier. Berdych siegte 6:2, 6:0, 7:6. Im Halbfinale scheiterte er an Andy Murray. Im Finale wäre sein Gegner Djokovic gewesen.
Sein Kampf scheint aussichtslos. Kaum hat er einen Brocken aus dem Weg geräumt, versperrt der nächste den Weg. 50 Grand Slam-Teilnahmen und kein Sieg, bei diesem Talent – ist das nicht frustrierend? „Ja, aber was soll ich machen?“, fragt Berdych, „eines Tages kann ich sagen, ich war ein Teil einer unglaublichen Tennisära.“
„Das Level wird immer höher“
Denkt er manchmal: Warum spiele ich ausgerechnet in dieser Generation? Ich hätte sonst längst ein Major gewinnen können … „Nein, nie. Wenn ich so denken würde, könnte ich gleich aufhören.“ Berdych sieht es eher so, zumindest behauptet er es: „Weil die anderen so gut sind, werde ich automatisch ein besserer Spieler. Das Level wird immer höher.“
Und so wartet er weiter geduldig auf den großen Treffer, trainiert fleißig, gibt sein Bestes. Es fällt einem der Spruch von Martina Navratilova ein: Man spielt gegen den Ball, nicht gegen den Gegner. Berdychs Landsfrau hat das einmal in einem Interview mit tennis MAGAZIN gesagt, ein geradezu philosophischer Satz. Berdych sieht das anders: „Klar schlägt man den Ball. Aber es ist ein Riesenunterschied, ob er von Djokovic oder der Nummer 50 der Welt kommt. Also muss ich mich zwangsläufig damit auseinandersetzen, wer auf der anderen Seite des Netzes steht.“
Wie spielen sie denn, die Großen? Was macht Sie so besonders? „Es sind Kleinigkeiten, die sie von den Anderen unterscheiden, aber die machen den Unterschied“, weiß Berdych. Die Antwort ist nicht befriedigend. Zweiter Versuch: „Also, Nadal spielt diesen heavy Spin. Er nutzt die ganze Größe des Platzes. Er spielt von allen Positionen, steht mal weit entfernt von der Grundlinie, mal nah dran.“
Federer? „Roger mixt unglaublich. Er hat diesen unangenehmen Slice, die flache Vorhand, mal spielt er sie mit Spin. Er rückt ans Netz vor. Er ist schwer auszurechnen.“
Und Djokovic? „Novak ist einer der besten Athleten überhaupt im Sport“, sagt Berdych, „er bewegt sich extrem gut, liest die jeweilige Spielsituation perfekt.“ Alle seien anders, ein Linkshänder und zwei Rechtshänder. Das mache es so kompliziert. Man könne nicht nur auf eine Situation vorbereitet sein. „Man braucht für jeden einen anderen Spielplan.“
Nicht mehr der Kronprinz
Aktuell ist Berdych nicht mehr der Kronprinz, wenn die anderen alle Könige sind. Eine neue Macht im Welttennis heißt jetzt Wawrinka. Berdych sieht darin kein Problem. Er ist nicht neidisch auf den Schweizer. Dessen Paris-Triumph kommentiert er so: „Einerseits hat es mich überrascht, andererseits war mir klar, als ich ihn spielen sah, dass er jeden schlagen kann. Sein Spiel ist unvorhersehbar. Er hat den Titel verdient.“
Die Frage, welche Trophäe er am liebsten gewinnen würde, erübrigt sich. Er würde sie alle nehmen. Sein Spiel passt mittlerweile zu Asche, Hartplatz und Rasen: ein fantastischer Aufschlag, bretterharte Grundschläge, die Konstanz für lange Ballwechsel.
Was kann Berdych tun, um sein großes Ziel noch zu erreichen? Das fragt er sich auch. 2014 beschloss er, alles auf den Prüfstand zu stellen, das bisherige Berufsleben komplett zu überdenken. Im September rief er Ivan Lendl an. Es gab ein paar Gespräche, aber man konnte sich nicht auf eine Zusammenarbeit verständigen. Es dauerte noch zwei Monate, dann hatte Berdych ein neues Team um sich versammelt.