Ultimate Tennis Showdown

Eine Menge los: Insgesamt 12.500 Fans kamen an den drei Tagen in die 5.000 Zuschauer fassende Ballsporthalle in Frankfurt.

Ultimate Tennis Showdown: Kurz und knackig

Das Format Ultimate Tennis Showdown (kurz UTS) will Tennis kompakter gestalten und verstärkt jüngere Zuschauer ansprechen. tennis MAGAZIN war bei der Deutschland-Premiere in Frankfurt dabei.

Erschienen in tennis MAGAZIN-Ausgabe 11/2023.

Ein fetter Beat dröhnt durch die Frankfurter Ballsporthalle, als Gael Monfils und Diego Schwartzman – begleitet von blitzenden Lichtern und Nebelschwaden – nacheinander die Arena betreten und zu ihren Schlägern greifen. Ihre Rackets sind mitten auf dem Platz auf einem Podest drapiert. „Time“ ruft der Schiedsrichter. Und schon geht es auch los mit dem Match! Lockeres Einspielen? Fehlanzeige! Der erste Ballwechsel: Schwartzmans Aufschlag plumpst von der Netzkante ins Feld, Monfils sprintet zum Ball. Wiederholung des Aufschlags nach Netzberührung? Ebenfalls Fehlanzeige! Monfils serviert seinen ersten Aufschlag der Partie ins Netz. Punkt für Schwartzman. Auch der nächste Aufschlag von Monfils landet nicht im Feld. Wieder Punkt für Schwartzman.

Ultimate Tennis Showdown

Autogramm­jäger: Viele junge Zuschauer sah man in der Ballsporthalle. Die Spieler nahmen sich ausführlich Zeit für die Fans.

Als Monfils nach einer langen Rally den Punkt mit einem Rückhand-Longline-Winner beendet, blitzt der Slogan „Champagne Tennis“ auf den Banden auf. Laute Dance-Musik ist in der Arena zu hören – nicht nur nach den Ballwechseln, sondern auch währenddessen. „Wo sind die Fans von ‚La Monf‘? Und wo sind die Fans von ‚El Peque‘?“, ruft Stadionsprecher Markus Flöth. Wobei Flöth eher ein sogenannter MC ist, ein Master of Ceremony, der mit dem Publikum und den Spielern interagiert. „La Monf“ und „El Peque“ sind die Spitznamen von Monfils und Schwartzman. Alle acht Spieler treten in Frankfurt unter ihrem Künstlernamen an. Als es kurz vor Schluss des ersten Viertels 14:8 steht, zieht „El Peque“ auf den letzten Drücker noch seine ihm zustehende Bonuskarte. Der nächste Punkt zählt dreifach, sofern Schwartzman ihn gewinnt. Und der 1,70 Meter große Argentinier macht ihn – 17:8 für „El Peque“. 

Mouratoglou: „Ein Match dauert maximal 45 Minuten”

Das erste Viertel ist nach acht Minuten zu Ende. Nein, noch nicht ganz! Es kommt zu den Quarter Points, die mit Satzbällen zu vergleichen sind. Bedeutet: Schwartzman muss nur noch einen Punkt gewinnen, um das erste Viertel für sich zu entscheiden. Monfils braucht beim Rückstand von 8:17 zehn Punkte in Folge für den Gewinn des Quarters. Zwei Ballwechsel später steht es 18:9 für „El Peque“ – „Madre Mia“ flimmert über die Banden. Via Headset lassen Schwartzman und Monfils im Gespräch mit dem Interview-Duo Jenny Drummond und Max Whittle die Zuschauer an ihren Gedanken über das erste Quarter teilhaben. 

Ultimate Tennis Showdown

Auf Tuchfühlung mit den Zuschauern: Andrey „Rublo“ Rublev betritt die Arena für sein erstes Match. Der Russe fremdelte zunächst etwas mit dem neuen Format.

Bereits in den ersten zehn Minuten beim Ultimate Tennis Showdown in Frankfurt, kurz UTS,  wird deutlich, unter welcher Devise der Wettbewerb steht: kurz und knackig. „Tennis like never before” (Tennis wie nie zuvor), das ist das Versprechen von UTS-Erfinder Patrick Mouratoglou. „Meine Sorge ist, dass Tennis es nicht schafft, jüngere Fans zu begeistern, wenn man sieht, wie junge Leute heutzutage konsumieren. Mit UTS wollten wir ein zeitgemäßes Format schaffen. Ein Match dauert maximal 45 Minuten, so lange wie eine Folge einer Netflix-Serie. Zudem gibt es feste Spielzeiten. Ich weiß also vorher genau, wann mein Lieblingsspieler spielt“, erzählt Mouratoglou im Gespräch mit tennis MAGAZIN. 

UTS: Spielerische Klasse mit Unterhaltungsfaktor

Im Jahr 2020 rief der langjährige Trainer von Serena Williams den UTS ins Leben. Nach vier Probeausgaben während der Corona-Pandemie soll UTS als festes Ligasystem etabliert werden. In diesem Jahr werden vier Events gespielt, jeweils von Freitag bis Sonntag. Am Donnerstag duellieren sich die acht Spieler auf dem Court in Minispielen. Das Ziel: Aufmerksamkeit für das bevorstehende Event zu kreieren, außerdem gibt es Punkte für die Ligatabelle. Frankfurt war nach Los Angeles im Juli die zweite Station des UTS. Anfang Dezember wird in Seoul gespielt. Kurz darauf kommt es zu einem Finalturnier (Ort steht noch nicht fest), für das die Turniersieger in Los Angeles, Frankfurt und Seoul automatisch qualifiziert sind. 

Showman: Auch wenn Gael Monfils alle seine drei Gruppenspiele verlor, war er trotzdem der heimliche Star des Wettbewerbs.

UTS: „Aufregend, verrückt und leidenschaftlich“

Die Hauptkriterien für die Auswahl der jeweils acht Spieler für die regulären UTS-Events sind neben spielerischer Klasse auch ein gewisser Unterhaltungsfaktor. So war es nicht verwunderlich, dass die beiden Franzosen Gael Monfils und Benoit Paire, bekannt für ihre Trickschläge und das Interagieren mit dem Publikum, nach Los Angeles auch in Frankfurt dabei waren. Auch Nick Kyrgios war für Frankfurt frühzeitig angekündigt, musste aber wegen einer langwierigen Verletzung absagen. „Der Erfolg von UTS kommt durch die Kombination von einem ernst genommenen Wettkampf und einem Format, das viel Spaß bringt. Es ist aufregend, verrückt und leidenschaftlich“, sagt Mouratoglou. 

Das Preisgeld ist ein netter Nebeneffekt für die acht Teilnehmer. 1,665 Millionen US-Dollar werden pro Event ausgeschüttet. Zum Vergleich: Beim ATP-Turnier in Hamburg wurden dieses Jahr insgesamt 1,831 Millionen Euro verteilt (alle Turnierteilnehmer inbegriffen). Auf die 15 gespielten UTS-Matches in Frankfurt entfielen jeweils 111.000 US-Dollar pro Match. Das Preisgeld wird im Verhältnis 70:30 für den Sieger verteilt. Bloß im Finale räumt der Sieger alles ab. Allein die Teilnahme an den drei Gruppenspielen spülen also knapp 100.000 US-Dollar in die Spielerkasse. Der ungeschlagene Sieger nimmt 421.800 US-Dollar mit. Auch hier zum Vergleich: Der diesjährige Turniersieger in Hamburg, Alexander Zverev, erhielt 342.500 Euro. 

UTS: Durchschnittsalter angeblich bei 30 Jahren

Zurück zum Sportlichen: Wer sich auf das Format einlässt, gewöhnt sich schnell an die Regeln. „Dieser Modus macht das Spiel für uns viel intensiver und es ist der einzige Wettbewerb, den ich im Tennis kenne, der auf Zeit ist“, sagt Casper „The Iceman“ Ruud. Wobei ein Hauptelement des Tennis auch beim UTS-Format bestehen bleibt. Man kann ein Match nicht über die Zeit retten. Sind die acht Minuten Spielzeit abgelaufen, muss man stets noch einen weiteren Punkt gewinnen – egal, wie hoch die Führung ist. Auch Jan-Lennard Struff, der als „The Thunder“ in Frankfurt antrat, zeigte sich angetan bei seiner UTS-Premiere. „Es ist ein spannendes Format in einer coolen Atmosphäre. Es geht Schlag auf Schlag. Durch die kürzere Zeit zwischen den Punkten und dadurch, dass man nur einen Aufschlag hat, ist es deutlich intensiver. Es kommt schneller Stress auf. Was mir besonders gefällt, ist der Einzelplatz ohne Doppellinien – wie ­früher beim Masters im New York.“ 

Ultimate Tennis Showdown

Ballkünstler: Grigor „G-Unit“ Dimitrov sprang kurzfristig für Daniil Medvedev ein und erreichte das Finale.

Durch den Einzelplatz ohne Doppel­linien sowie den Netzpfosten, die nicht wie üblich ins Spielfeld hereinragen, sondern an den Einzelaußenlinien stehen, waren Zauberschläge wie der spektakuläre Returnwinner von Monfils mit 145 km/h am Netz vorbei ins Feld von Gegner Rublev überhaupt erst möglich. Der allgemeine Tenor von Fans und Spielern: einer der besten Schläge, den man je gesehen hat. „Wenn ich das versuchen würde, träfe ich irgendwen auf der Tribüne“, sagte Rublev über den Kunstschlag von Monfils. Schläge wie jene von Monfils erzeugen Aufmerksamkeit beim jungen Publikum. „Es ist immer schön, wenn du ein hohes spielerisches Niveau hast, aber gleichzeitig auch eine Menge Spaß, dann ist das großartig und diese Kombination war perfekt“, sagte Monfils, der auch mit einer Tanzeinlage das Frankfurter Publikum begeisterte. Auch solche Aktionen werden duch Social Media Tausendfach geteilt. 

Apropos Social Media: Ein knapp 20-köpfiges Team stellt auf allen gängigen Plattformen in kürzester Zeit Videos und Bilder vom Event zur Verfügung. Das klare Ziel: Anpassung an das jüngere Kernpublikum. „Das Durchschnittsalter der Tennisfans ist 61 Jahre. Unser Durchschnittsalter beim UTS beträgt 30 Jahre“, sagt Mouratoglou. 

Struff wünscht sich die Abschaffung des Warm-ups

Das Resümee von UTS-Erfinder Mouratoglou fiel nach dem Event in Frankfurt überaus positiv aus. „Die Atmosphäre ist unglaublich, sehr anders zur gewöhnlichen Atmosphäre bei einem Tennismatch. Das ist die Art, die wir haben wollten. Ich weiß, dass auch die Spieler dies lieben“, sagte der Franzose. Ein Star des Konzepts ist neben den Spielern auch der DJ, der über mehrere Stunden hinweg die Zuschauer mit Dancebeats bei Laune hält und auf diverse Spielsituationen immer wieder mit passenden Einspielern reagiert. So ertönte bei Netzrollern der Song „Please forgive me“, ein Klassiker von Bryan Adams. „Es gab keinen Kommentar, dass dies gestört hat. Die Spieler haben kein Problem damit, mit Musik zu spielen oder dass sich die Zuschauer frei bewegen und ständig reden“, blickte Mouratoglou zurück. 

Talk in der Pause: Jan-Lennard Struff blickt auf die letzten Minuten zurück. Bei ihm sein Trainer Marvin Netuschil.

Kann man etwas von den UTS-Regeln auf der ATP-Tour implementieren? „Ich würde das Warm-up abschaffen. Das ist nicht notwendig. Ich finde es auch gut, wenn Fans reden könnten. Kein Lärm und Musik bis zum Extremen, aber etwas Atmosphäre ist gut. Außerdem sollten die Leute zu jeder Zeit ins Stadion kommen können“, sagt Struff. Eine andere Zählweise oder das Spielen mit nur einem Aufschlag wäre für alle Spieler etwas zu viel des Guten. „Ich bin ein Mann der Traditionen“, sagte Grigor „G-Unit“ Dimitrov über mögliche Regelanpassungen, um Tennis noch attraktiver zu machen.  

Wer schließlich den UTS in Frankfurt gewann, spielte für die meisten Fans keine große Rolle. Es war übrigens Andrey „Rublo“ Rublev. Was zählte, war der Unterhaltungsfaktor. Der Star ist das Format: kurz und knackig.

Die Ulitmate Tennis Showdown-Regeln im Überblick

Matchformat

Das Match startet ohne Warm-up für die beiden Spieler. Ein Match besteht aus vier Vierteln mit acht Minuten Spielzeit. Das Match ist zu Ende, wenn ein Spieler drei Viertel gewonnen hat. Wenn ein Spieler die ersten drei Viertel gewonnen hat, wird das vierte Viertel nicht mehr gespielt. Es wird immer nach zwei gespielten Punkten der Aufschlag gewechselt. Die Spieler haben keinen zweiten Aufschlag. Verfehlt man den Aufschlag, ist es ein direkter Punktgewinn für den Gegner. Bei Netzaufschlag wird weitergespielt. 

Viertelfomat

Sind die acht Minuten Spielzeit vorbei, kommt es zu den Quarter Points. Bedeutet: Steht es nach acht Minuten 14:10, dann geht das Viertel nach Ablauf der Uhr so lange weiter, bis ein Spieler insgesamt 15 Punkte hat. Der Führende muss also bei den Quarter Points noch einen weiteren Punkt gewinnen, um das Viertel für sich zu entscheiden. Steht es nach Ablauf der Zeit Unentschieden, dann wird ein Entscheidungspunkt gespielt. Sollte die Zeit während eines Ballwechsels ablaufen, dann wird dieser zu Ende gespielt und daraufhin folgen dann die Quarter Points.

UTS: Sudden Death

Sollte es nach vier Vierteln 2:2 stehen, kommt es zu einem Sudden Death. Im Sudden Death wird nach jedem Punkt der Aufschlag gewechselt. Wer in den vier Vierteln davor insgesamt mehr Punkte gewonnen hat, entscheidet, ob er aufschlägt, returniert oder auf welcher Seite er spielen möchte. Der Aufschläger darf entscheiden, ob er von der Einstandsseite oder der Vorteilsseite servieren möchte. Wer zuerst zwei Punkte hintereinander gewinnt, ist der Sieger des Matches.

Shot Clock 

Nach der Durchsage des Spielstands durch den Schiedsrichter hat der Aufschläger nur 15 Sekunden Zeit, seinen Aufschlag durchzuführen. Beim ersten Verstoß gibt es eine Verwarnung, bei jedem weiteren gibt es eine Punktstrafe. Für den Returnspieler gilt selbiges. Die Bälle werden einmal nach den ersten zwei Vierteln gewechselt. 

Bonuskarte

Um das Match noch spannender zu gestalten, gibt es die Bonuskarte, die bei einem erfolgreichen Einsatz drei Punkte bringt. Jeder Spieler kann selbst entscheiden, wann er sie einsetzen möchte. In jedem Viertel steht ihm diese Bonuskarte einmal zur Verfügung. Er muss nur vor dem Punkt, dem Schiedsrichter anzeigen, dass er die Karte einsetzen möchte. Verliert er den Punkt, gibt es für den Gegner trotzdem nur einen Punkt. Die Bonuskarte muss innerhalb der acht Minuten eingesetzt werden. Sie kann nicht bei den Quarter Points oder im Sudden Death genutzt werden. 

Coaching

Die Spieler dürfen ständig gecoacht werden. Die Trainer dürfen an der Spielerbank positioniert sein. Durch Mikrofone bei den Coaches können sämtliche Gespräche zwischen Spieler und Trainer mitgehört werden. Die Gespräche müssen auf Englisch geführt werden, sonst kommt es zu einer Punktstrafe.

Fan-Interaktionen

Zwischen den Vierteln bekommen die Spieler Headsets aufgesetzt. Die Spieler können jegliche Dinge erzählen und beantworten die Fragen der Interviewer. Die Spieler dürfen während des Matches miteinander sprechen, nur während des Ballwechsels ist es nicht erlaubt. Die Fans dürfen sich auch während der Ballwechsel bewegen.