Wawrinka streamt Match auf Facebook: zwischen PR und Journalismus
Mit Stan Wawrinka überträgt der zweite prominente Topspieler innerhalb kürzester Zeit seine eigenen Partien live auf seiner Facebook-Seite. Der Vorgang geschah im Einklang mit den Turnierveranstaltern in Marseille. Ist das in der ohnehin unübersichtlichen Übertragungslage im Tennis eine sinnvolle Alternative für die Zukunft? tennismagazin.de hat sich umgehört.
Text: Sebastian Seidel, Jannik Schneider, Tim Böseler
Heute Abend ab 20 Uhr ist es soweit: Die Fans von Stan Wawrinka müssen nur auf dessen Facebook-Seite gehen und können sich seine Erstrunden-Partie beim Turnier in Marseille gegen den Qualifikanten Ilya Ivashka (ATP# 193) aus Weißrussland anschauen. Und sollte „Stan The Man“ gewinnen, werden auch seine nächsten Matches aus Marseille via Facebook gestreamt. Wawrinka gilt nun zusammen mit David Goffin, dessen Partien neulich vom Turnier in Montpellier ebenfalls über Facebook übertragen wurden, als Vorreiter einer neuen Entwicklung in Sachen Livetennis-Übertragungen.
Dass Profis die Live-Funktion bei Facebook für eigene Zwecke nutzen, ist an sich nichts Neues: Roger Federer übertrug schon komplette Trainingseinheiten via Facebook, Novak Djokovic begrüßte über seine sozialen Medien Radek Stepanek in seinem Trainerteam und Serena Williams stellt sich regelmäßig mit ihrer neu geborenen Tochter vor die Kamera. Doch die Live-Übertragungen eigener Matches läuten eine neue Dimension in der Nutzung der sozialen Medien durch die Profis ein.
Wawrinkas Facebook-Stream nicht in Deutschland
Die Streams der Partien des dreimaligen Grand Slam-Siegers Wawrinka via eigener Facebook-Seite gab der Sportrechtevermarkter Lagardère Sports bekannt, der auch die Medienrechte an dem Turnier in Marseille vermarktet. Die Übertragungsrechte via Facebook gelten allerdings nur in der Schweiz, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg. In Deutschland wird Wawrinkas Facebook-Stream nicht abrufbar sein.
„In dem Moment, in dem jemand Rechte an einem Turnier erwirbt, muss dafür gesorgt sein, dass der Stream nur in dem Territorium zu sehen ist, in dem man Rechte hat“, erklärt Medienrechtler Dirk-Hagen Macioszek gegenüber tennismagazin.de. Dies geschehe in der Regel durch Geo-Blocking. Das heißt: Über eine deutsche IP-Adresse kann nicht auf den Stream zugegriffen werden.
Marseille-Rechte liegen bei DAZN
Für den deutschsprachigen Raum hat sich die Streaming-Plattform DAZN die Rechte an vielen Turnieren der 250er Serie gesichert, zu der auch das Event in Marseille gehört. Bei den „Open 13 Provence“ verzichtet DAZN allerdings auf eine Übertragung – aus „technischen Gründen“, wie die Plattform tennismagazin.de mitteilte. Das Turnier ist in Deutschland nur über TennisTV, den offiziellen Streamingdienst der ATP, der abbonierbar ist, zu sehen. In Frankreich ist der Sportkanal beIN Sports der übertragende Sender.
In der Schweiz, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg sind die Facebook-Übertragungen von Wawrinkas Partien sogar exklusiv: In diesen Ländern gibt es keine TV-Übertragungen vom Turnier aus Marseille. Insofern hat der Rechtehalter für diese Märkte einen Vertriebsweg gefunden, um doch noch Erlöse zu generieren. Im Fall von Wawrinka tritt als Sponsor die Eisenbahngesellschaft TGV Lyria auf, die den berühmten französischen Schnellzug TGV betreibt. Wawrinka ist seit 2016 sogenannter Marken-Botschafter des Unternehmens.
L'@Open13 a débuté depuis lundi et @stanwawrinka a une petite surprise pour vous ! À tous nos amis 🇧🇪 🇳🇱 🇱🇺 🇨🇭, retrouvez ses matchs à #Marseille diffusés en live sur sa page Facebook grâce à @TGV_Lyria ! #Open13 🎾📹 pic.twitter.com/jbSZZZna0T
— TGV Lyria (@TGV_Lyria) February 21, 2018
„Ich freue mich sehr über die tolle Gelegenheit, meine Spiele auf meinem Facebook-Kanal zu übertragen. Dass meine Facebook-Fans die Matches beim Open 13 Provence nun live verfolgen können, macht dieses Turnier noch besonderer für mich“, ließ der Schweizer Topspieler selbst verlauten.
Der Weltranglisten-13. ist in Marseille an Position zwei gesetzt und hatte in der ersten Runde ein Freilos. Wawrinka war wegen einer Knieverletzung fast ein halbes Jahr ausgefallen und befindet sich auf dem Weg zurück. Bei den Australian Open scheiterte er an der Turniersensation Tennys Sandgren in Runde zwei. Vergangene Woche verlor er gegen den unbekannten Niederländer Tallon Griekspoor (ATP 259) in Rotterdam.
Facebook: Der Broadcaster der Zukunft?
Schon in der vorletzten Woche hatte Lagadère Sports beim Turnier in Montpellier mit einem Spieler kooperiert. Dort war es David Goffin, der seine Spiele mithilfe eines Sponsors auf dem eigenen Facebook-Kanal mit mehr als 125.000 Fans übertragen durfte. Mit Stan Wawrinka wurde nun ein Spieler ausgewählt, der noch über deutlich mehr Reichweite verfügt. Der 32-Jährige hat auf Facebook über 750.000 Fans und damit eine Reichweite, die mehr als sechsmal so groß ist wie die von Goffin.
„Über Facebook, Twitter oder YouTube sind Bewegtbilder mittlerweile auch einfach live zu erstellen“, sagt Professor Thomas Horky von der Macromedia Hochschule Hamburg. „Es ist vorstellbar, dass die Anzahl der Übertragungen auch von größeren Sportereignissen über soziale Netzwerke in Zukunft weiter ansteigen wird.“
Lagadère Sports, das liegt in der Natur einer solchen Agentur, sieht in seinem Streaming-Ansatz die Zukunft der Sportberichterstattung. „Der digitale Wandel schreitet weiter voran und wir sind überzeugt, dass Athleten und ihre Plattformen eine entscheidende Rolle in der Medienlandschaft spielen werden. Durch die Übertragung von Sportevents auf den Kanälen der Athleten können wir den Sport näher an diejenigen herantragen, die nach Content ihrer Sportarten und Stars suchen: nämlich an die Fans“, sagt Nikolaus von Doetinchem, Vize-Präsident bei Lagardère Sports und dort zuständig für Medienrechte.
@stanwawrinka zeigt seine Spiele der @ATPWorldTour in #Marseille (19.-25. Februar) live bei #Facebook für Fans aus der Schweiz, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg. Unterstützt wird das Projekt von #Wawrinkas Sponsor @TGV_Lyria. Mehr Infos ? https://t.co/H7j5tqPu3G pic.twitter.com/YB38rnc84B
— Lagardère Sports DE (@LSports_de) 19. Februar 2018
Laut eigener Angabe vermarktet Lagadère weltweit die Medienrechte von über 45 Tennis-Turnieren, darunter die French Open. Zudem treten sie auch als Turnier-Veranstalter auf und organisieren unter Anderem die WTA-Finals in Singapur und einige kleinere WTA- und ATP-Events. Auf Nachfrage von tennismagazin.de bestätigte Lagadère Sport-Sprecherin Kristin Podewils, dass der Sportrechtevermarkter auch bei anderen Turnieren vergleichbare Projekte vorantreibt und mehr Spiele über die Kanäle der Spieler in den sozialen Medien übertragen werden sollen.
Vermarkter will mehr Umsatz generieren
Doch welchen Vorteil hat ein Sportrechtevermarkter wie Lagardere Sports davon, wenn es Übertragungsrechte an einen Spieler abgibt? „Der Fokus des Vermarkters liegt darauf, die Rechte so aufzusplitten, dass der größtmögliche Umsatz generiert wird“, erklärt Medienrechtler Macioszek gegenüber tennismagazin.de, der selbst schon einmal für die Sportmarketingagentur Global Sportnet gearbeitet hat.
„Ein Vorteil ist, dass man bei dieser Aktion die Werbezielgruppe sehr exakt treffen kann“, erklärt Macioszek. Dies sei vor allem für den Werbemarkt äußerst interessant, weil man sehr genau steuern könne, welcher Zuschauer erreicht wird. Zudem mache man allein durch die Tatsache, dass neue Vermarktungsstrategien ausprobiert werden, auf sich aufmerksam und präsentiere sich als innovativ. Im Fall von Wawrinka soll der französische Schnellzug TGV, der auch in Belgien, Luxemburg und der Schweiz verkehrt, von der Werbeoffensive via Facebook-Stream profitieren.
Wawrinka erreicht also einen Großteil seiner Fans mit einer eigenen Facebook-Übertragung, der Sponsor profitiert von einer zielgruppengerechten Werbung und der Vermarkter hat einen weiteren Kanal zur Gewinnmaximierung erschlossen – gibt es also nur Gewinner bei diesem Konstrukt?
PR statt Journalismus? Vergleiche zum Fußball
So einfach ist es nicht. Weil die Profis nun erstmals auf ihren Facebookseiten Matches streamen, werden sie quasi ihr eigener Sender. Klassische Medien wie Fernsehanstalten werden damit zunehmend bedeutungsloser: Ihnen wird von den viel flexibler agierenden Streamingdiensten und nun auch von den Profis selbst der Rang abgelaufen.
Im Fußball ist schon vermehrt zu beobachten, dass Bundesliga-Vereine zu Medienhäusern werden, Beiträge eigenständig produzieren und sogar eigene Club-Sender starten. In Deutschland etwa betreibt der FC Bayern München als einziger Verein einen eigenen, dauerhaft übertragenden Sender.
Medienwissenschaftler sehen diese Entwicklung kritisch, da die Vereine Themen selber bestimmen können und so unbequemere Fragen von Journalisten verhindert werden. „Die Angebote von einzelnen Sportlerinnen und Sportlern oder Vereinen und Verbänden sind eher dem Bereich des Marketings oder PR zuzuordnen“, ordnet Horky diese Berichterstattung ein. „Die Chance der unabhängigen Sportberichterstattung liegt darin, eine Einordnung und Bewertung zu liefern, die nicht vom Sport selbst gesteuert wird.“
Ob es beim Tennis eine ähnliche Entwicklung wie im Fußball geben wird, ist im Moment nicht absehbar. Da zumindest die Rechte an den Masters- und ATP-500er-Turnieren von der ATP zentral vermarktet werden, ist es unwahrscheinlich, dass in naher Zukunft Spieler auch bei größeren Turnieren eigenständig ihre Spiele in den sozialen Netzwerken streamen werden.
Edit: In einer älteren Version des Textes wurde fälschlicherweise behauptet, dass das ATP-Turnier von Marseille in Deutschland bei DAZN zu sehen ist.men’s jordan release dates | Cra-wallonieShops , Online Shopping for the Latest Clothes & Fashion