Weltweiter Boom: So viele Menschen spielten noch nie Tennis
Tennis erfreut sich einer globalen Beliebtheit wie noch nie, auch in Deutschland wächst die Sportart – wenn auch langsamer als anderswo. Die Gründe für den weltweiten Boom.
Es sind schon beeindruckende Zahlen, die im ITF Global Tennis Report vom Tennis-Weltverband zusammengetragen wurden. Der Report evaluiert in regelmäßigen Abständen, wie stark Tennis in der Welt verbreitet ist und sammelt in erster Linie eine Menge Daten. Der neueste Report, der nun von der International Tennis Federation veröffentlicht wurde, kommt zu einigen erstaunlichen Ergebnissen.
Etwa 106 Millionen Menschen in 199 Ländern spielen in irgendeiner Form Tennis. Das ist ein Anstieg von mehr als 25 Prozent im Vergleich zum letzten großen ITF Global Tennis Report, der 2019 erschien und damals 84,4 Millionen Spieler und Spielerinnen zählte. Erstmals überhaupt gibt es auf der Welt über 100 Millionen Menschen, die Tennis spielen. Allerdings: Noch nie war der ITF Global Tennis Report so genau wie jetzt.
Erstmals über 100 Millionen Tennisspieler weltweit
„Die Daten, die wir für 2024 haben, sind zuverlässiger als die von 2019“, bestätigt Luca Santilli, ITF-Direktor für Tennisentwicklung, dessen Abteilung den Bericht koordiniert und erstellt hat. „2019 wurden nur 26 Prozent unserer Daten von den nationalen Verbänden durch zusätzliche Datenquellen untermauert, jetzt sind es 48 Prozent.“ Wichtig ist auch, ab wann ein Mensch zum Tennisspieler wird und in den ITF-Datensatz mit einfließt. Beim Weltverband ist davon die Rede, dass schon Personen, die einmal im Jahr auf einem Tennisplatz stehen, für die Statistik relevant sind.
Das Land mit den meisten Tennisspielern und -spielerinnen sind die USA mit 23,8 Menschen, die regelmäßig zum Tennisschläger greifen – trotz der immer größeren Konkurrenz durch Pickleball und Padeltennis. Insbesondere Pickleball, die am schnellsten wachsende Racketsportart der Welt, wird aktuell allein in den USA von 36 Millionen Spielern und Spielerinnen ausgeübt.
Zuletzt tauchten bedenkliche Zahlen auf. Etwa, dass inzwischen zehn Prozent der US-Tenniscourts durch Pickleball-Plätze ersetzt wurden. „Es gibt nicht genug Plätze, um das Wachstum des Tennissports zu unterstützen“, sagt Lew Sherr, Geschäftsführer der USTA, dem US-Tennisverband. „Und die Platzinfrastruktur ist gefährdet, weil die Leute auf diesen Plätzen Pickleball spielen oder die Courts direkt für Pickleball komplett umwandeln.“
In den USA boomen Pickleball – und Tennis
Das Problem: Auch das US-Tennis erlebt aktuell einen Boom – wenn auch nicht in den Ausmaßen wie Pickleball. In den letzten fünf Jahren sind die Zahlen von 18 Millionen auf eben 23,8 Millionen emporgeschnellt. Die USTA geht davon aus, dass die Zahl ihrer Spieler noch in diesem Jahr die 24-Millionen-Marke überschreiten wird, und hat es sich zum Ziel gesetzt, auf 35 Millionen Spieler im Jahr 2035 anzuwachsen. Sherr führt das Wachstum seines Sports zum Teil auf die Corona-Pandemie zurück, weil die Menschen ihre Arbeitszeiten flexibler gestalten konnten und Tennis eine Sportart auf Distanz ist. „Aber in einer Zeit, in der der Tennissport ein noch nie dagewesenes Wachstum erfährt, bedeutet das auch Stress“, sagt Sherr. „Wir versuchen, so gut wir können, die Tennisinfrastruktur zu unterstützen.“
Schaut man sich nun den Anteil der tennisspielenden Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung an, sind die USA nicht mehr an der Spitze. Großbritannien liegt mit 13,4 Prozent ganz vorne, gefolgt von Kanada mit 12,8 Prozent. Im UK stieg die Anzahl der Spieler und Spielerinnen signifikant in den letzten fünf Jahren an: von vier auf aktuell neun Millionen. Bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 70 Millionen Menschen spielt mehr als jeder zehnte Einwohner Großbritanniens Tennis.
Großbritannien mit großem Tennis-Wachstum
Scott Lloyd, Geschäftsführer des britischen Tennisverbands LTA, begründet die positive Entwicklung in Großbritannien so: „Wir haben in den letzten Jahren hart daran gearbeitet, den Zugang zum Tennissport zu erleichtern. Digitale Tools, die es den Menschen ermöglichen, einen Platz in ihrer Nähe zu finden und zu buchen, waren dabei wichtig. Gemeinsam mit der britischen Regierung führen wir ein umfangreiches Sanierungsprogramm für mehr als 3.000 öffentliche Tennisplätze in 1.000 Parks in Großbritannien durch, da wir wissen, dass Parks oft der erste Ort sind, an dem Menschen einen Schläger in die Hand nehmen, um zu spielen. Wir führen jetzt die Barclays Free Park Tennis Sessions ein, die es den Menschen ermöglichen, kostenlos in ihrem örtlichen Park zu spielen, wobei die gesamte Ausrüstung ebenfalls kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Wir sind stolz darauf, dass Großbritannien im Tennis-Breitensport eine Vorreiterrolle einnimmt.“
Ziemlich verblüffend ist das Tennis-Wachstum in Kanada. Die Gesamtzahl der kanadischen Tennisspieler ist von 3,9 Millionen (2021) auf aktuell knapp fünf Millionen angewachsen – bei einer Gesamtbevölkerung von 40 Millionen Menschen. Erstaunlich für ein Land im hohen Norden, das immer noch Probleme damit hat, über das ganze Jahr gesehen Zugänge zum Tennissport bereitzustellen.
Tatsächlich ist die Anzahl der frei zugänglichen Public-Courts in Kanada zuletzt zurückgegangen, aber dennoch wächst der Sport. Vieler dieser öffentlichen Courts mussten der steigenden Pickleball-Nachfrage weichen – ähnlich wie in den USA. Gleichzeitig erhöht der kanadische Tennisverband aber seine Hallenkapazitäten: Bis 2029 sollen 160 neue Hallenplätze in 30 Einrichtungen entstehen. Parallel dazu ist ein Sanierungsprogramm für renovierungsbedürftige Public-Courts angelaufen mit dem Ziel, bis 2030 100 öffentliche Außenplätze wieder bespielbar zu machen.
Fast 700.000 Tennisplätze auf der Erde
Im ITF Global Report von 2024 liefert das Thema Tennisplätze insgesamt spannende Einblicke. War 2019 noch die Rede von knapp 500.000 Courts weltweit, kommen die neuesten Erhebungen auf etwa 700.000 Tennisplätze. Mehr als 90 Prozent von ihnen sind Freiluftcourts und mehr als 50 Prozent sind Hardcourts. Sandplätze machen global etwa ein Viertel der Gesamtanzahl aus, wobei sie zum Beispiel in Südamerika mit einem Anteil von mehr als 80 Prozent aller verfügbaren Courts klar dominieren. In Europa sind 54 Prozent aller Courts Sandplätze.
Übrigens: Kunstrasen (6%) und Naturrasen (3%) sind die Belagsarten mit der geringsten Verbreitung. Die Kategorie „Teppich“, die besonders in deutschen Tennishallen verbreitet ist, wurde nicht gesondert aufgeführt und fällt in die Kategorie „sonstige Beläge“ (9,6%). Interessant: Gut die Hälfte aller Outdoor-Courts auf der Erde verfügt über Flutlicht – wer hätte das gedacht!
Und wie ist nun die Situation in Deutschland? Während der Deutsche Tennis Bund (DTB) zuletzt einige Erfolgsmeldungen in Sachen Mitgliederwachstum verbreiten konnte, fällt das Fazit im ITF Global Tennis Report für Deutschland weniger euphorisch aus. Die erhobenen Zahlen im Überblick: Die Anzahl der Spieler/Spielerinnen liegt aktuell bei 6,3 Millionen (2019: 6,1 Mio.; 2021: 4,5 Mio.) und die der Courts bei 45.000 (2019: 50.000; 2021: 46.000). Damit kein falscher Eindruck entsteht: Gemessen an der Tennis-Infrastruktur und der Anzahl der Spieler/Spielerinnen ist Deutschland zusammen mit den USA und Großbritannien eine der führenden Tennis-Nationen auf der Welt.
Es ist nur wichtig zu wissen, dass die Zahlen, die der DTB regelmäßig veröffentlicht, auf einer anderen Basis als die ITF-Daten erhoben werden. Der DTB zählt seine Mitglieder, also alle Spieler und Spielerinnen, die in einem deutschen Tennisclub organisiert sind. Das sind aktuell 1,49 Millionen. Etwa 120.000 neue Mitglieder konnte der DTB seit 2021 verzeichnen und spricht von einer „Trendwende“. Denn: 2021 gab es zum erst Mal wieder Zuwächse in der DTB-Mitgliederzahl seit 1995. Für die ITF sind dagegen alle Personen relevant, die mindestens einmal im Jahr einen Tennisschläger in der Hand halten – ganz egal, ob sie Mitglied in einem deutschen Club sind.
DTB weiter der größte Tennis-Verband der Welt
Der DTB ist mit diesen Zahlen weiterhin der größte Tennisverband der Welt, aber das liegt vor allem an den deutschen Tennisstrukturen. In anderen Tennisnationen ist Tennis anders organisiert, so dass die einzelnen Verbände weniger Mitglieder haben. Nur ein Beispiel: Die USTA, der US-Verband, hat knapp 700.000 Mitglieder, obwohl es in den USA knapp 24 Millionen Tennisspieler und -spielerinnen gibt.
Trotz aller Zahlenspiele: Der weltweite Tennis-Boom ist auch in Deutschland zu spüren. Vielleicht nicht überall, aber insbesondere in den großstädtischen Ballungsräumen. In Hamburg, Berlin, München oder Frankfurt platzen die innerstädtischen Clubs aus allen Nähten, viele haben bereits einen Aufnahmestopp für neue Mitglieder verhängt.
Pandemie als Wachstums-Beschleuniger
Woher die global gestiegene Tennis-Popularität kommt, hat vielschichtige Gründe. Laut ITF stehen bei 45 Prozent aller Tennis-Aktiven in den Industrieländern gesundheitliche und soziale Aspekte im Vordergrund. Eine Rolle wird dabei die „Copenhagen City Heart Study” von 2018 spielen, die darlegte, dass Tennis die gesündeste Sportart ist, wenn es um die Verlängerung der Lebenserwartung geht: Tennis soll demnach das durchschnittliche Leben um schätzungsweise 9,7 Jahre verlängern, verglichen mit 3,5 Jahren beim Schwimmen oder drei Jahren beim Joggen. Ein weiterer Faktor war die Pandemie: Tennis blieb von strikten Ausübungsverboten verschont – anders als alle Team-Sportarten. Viele, die im Kindesalter Tennis gelernt haben, entdeckten den Sport neu für sich.
Tennis erlebt auch eine Renaissance in popkultureller Hinsicht. Weiße Stan Smith-Schuhe prägten jahrelang die Fußgängerzonen, auch wenn nur die wenigsten ihrer Träger wussten, dass Stan Smith ein zweifacher Grand Slam-Sieger aus den 70er-Jahren ist. Modelabels wie Miu Miu, Tory Burch, Celine, Mango oder Zara Kids haben eigene Tennislinien herausgebracht, sogar vom Kult-Likör Aperol gibt es inzwischen Tennisklamotten.
Luxusmarken wie Gucci oder Boss haben Tennis als den aktuellen In-Sport für sich auserkoren. Die deutsche Agentur „Fifteen Love“ veranstaltet regelmäßig Tennis-Partys, zu denen bis zu 2.000 Gäste in Tennis-Outfits und mit Rackets in den Händen kommen. Selbst spielen braucht da niemand, Hauptsache es wird hart gefeiert. Hinzukommen Tennisfilme wie „Challengers“ mit US-Star Zendaya, die preisgekrönte Verfilmung des Lebens der Williams-Sisters („King Richard“), die Netflix-Tennis-Doku „Break Point“ oder die Graf-Agassi-Lovestory („Perfect Match“).
Tennis als Lifestyle- und Gesundheits-Trendsport, also als Ausweis eines fit-sportiven Lebens? Womöglich ist bei 106 Millionen Tennisspielern und -spielerinnen weltweit noch lange nicht Schluss.