Wimbledon – das Turnier der Deutschen
80er Jahre in Wimbledon: Der Durchbruch der Deutschen
Bettina Bunge
(Einzelhalbfinale 1982; Doppelhalbfinale 1982)
Bevor Boris Becker und Steffi Graf Wimbledon eroberten, erlebte Bettina Bunge 1982 ihr bestes Jahr im Londoner Südwesten. Bunge, geboren in der Schweiz, aufgewachsen in Peru und seit 1979 im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft, rückte sowohl im Einzel auch als im Doppel (mit Claudia Kohde) ins Halbfinale vor. Beide Partien verlor sie gegen Martina Navratilova, die sich später aber von ihrer warmherzigen Seite zeigte, als sie Bunge für „die wunderschönste Rückhand der Welt“ adelte. Bunge galt als Riesentalent und zukünftige Topspielerin. Dazu sah sie auch gut aus, die ersten Vermarkter der Tennisszene klopften damals bei ihr an. Aber Bunge wollte das „Big Business“ nicht und zog ihr Ding durch. Heute ist sie selbst im Bereich Sportvermarktung tätig.
Boris Becker
(Einzeltitel 1985, 1986, 1989)
Becker und Wimbledon: Es war die Erfolgsformel für den Tennisboom in Deutschland. Als er 1985 seinen ersten Titel gewann, wurde Tennis zu einem Massenphänomen. Gefühlt jeder guckte Becker-Matches im Fernsehen, überall entstanden neue Clubs, Tennis war chic und so schwer angesagt wie nie wieder. Allein das Endspiel 1985 gegen Kevin Curren verfolgten im ZDF elf Millionen Zuschauer. Es begann der beispiellose Aufstieg einer Sportart: plötzlich waren wir alle Tennis. Die Wörter „Beckerfaust“ und „Beckerhecht“ flossen in den normalen Sprachgebrauch ein. Und Becker selbst, damals gerade 17 Jahre alt?
Mit einer Mischung aus kindlicher Begeisterung und Naivität ließ er, angeleitet von Manager Ion Tiriac und Coach Günther Bosch, alles über sich ergehen, ohne wirklich zu ahnen, was er damals in Deutschland bewirkte. Allein der Empfang in seiner Heimatstadt Leimen nahm Ausmaße an, die man bisher nur von den Fußball-Weltmeistern 1954 kannte. 50.000 Menschen säumten die Straßen, warfen ihm Blumen zu und streckten ihm Kleinkinder entgegen. 200 Journalisten machten Leimen über Nacht weltbekannt. In einem Werbesport gab Becker später zum Besten: „Wimbledon war meine ganz persönliche Mondlandung.“ Und Halb-Deutschland fieberte dabei mit.
Endgültig zur Legende wurde er 1986, als er seinen Titel erfolgreich in Wimbledon verteidigte. Im Finale schlug er den Weltranglisten-Ersten Ivan Lendl. Becker bekannte im anschließenden Interview, seine Rückkehr auf den Centre Court hätte sich für ihn so angefühlt, „als wäre ich nach Hause gekommen.“ Die viel zitierte Phrase von „Beckers Wohnzimmer“ entstand. Ein Jahr später folgte die große Enttäuschung: Becker verlor in der zweiten Runde gegen den australischen Außenseiter Peter Doohan, 70. der Weltrangliste, in vier Sätzen. Aber der Deutsche kam zurück: Noch fünfmal erreichte er das Endspiel, 1989 holte er seinen dritten und letzten Titel. 1999 trat Becker nach dem Achtelfinal-Aus gegen Pat Rafter endgültig zurück. Wimbledon ließ ihn aber nie los. Er kehrte erst als Experte für die BBC und später als Coach von Novak Djokovic an die Stätte seines größten Erfolgs zurück.
Zudem lebt er seit Jahren im Londoner Vorort. „Ich habe in Wimbledon als Qualifikant angefangen, das Finale dann gewonnen, den Sieg mehrmals wiederholt, das Finale zwölfmal für die BBC kommentiert“, sagte er einmal der Süddeutschen Zeitung. „Ich habe lange einen Wimbledonsieger gecoacht, mein erster Grand-Slam-Titel als Trainer war Wimbledon. Bis hin zu der Tatsache, dass ich dort seit einigen Jahren lebe. Mehr Wimbledon in einer Person geht eigentlich nicht.“
Claudia Kohde-Kilsch
(Einzelviertelfinale 1987, Doppeltitel 1987)
Wäre Claudia Kohde-Kilsch in einem anderen Jahrzehnt geboren, sie wäre der deutsche Tennisstar ihrer Generation geworden. Aber die Karriere von Kohde-Kilsch, 1985 die Nummer vier der Welt, stand stets im Schatten von Steffi Graf. Dabei war es die groß gewachsene Saarländerin, die 1987 den ersten Wimbledontitel (im Damendoppel mit Helena Sukova) einer deutschen Frau seit Hilde Krahwinkels Mixedtriumph 1933 holte. Im gleichen Jahr erreichte sie auch das Einzelviertelfinale.
Doch mit dem Aufstieg der jüngeren Graf begann ihr Abstieg. „Das ist das Extreme in Deutschland“, sagte sie einmal. „Es zählt nur die Nummer eins. Die Nummer zwei zählt nicht.“ Dennoch schaut sie zufrieden auf ihre Erfolge in Wimbledon zurück: „Das sind Erinnerungen, die einem keiner mehr nehmen kann.“ Als Mitglied des „Last Eight Clubs“ kehrt sie regelmäßig zurück an die Stätte ihres größten Erfolgs. Nachdem Kohde-Kilsch 2011 Privatinsolvenz anmelden musste, engagierte sie sich für die Partei „Die Linke“ in der Politik. Die Tageszeitung „Die Welt“ nannte sie einmal „Lafontaines letztes Ass“. Im Mai 2014 wurde sie in den Stadtrat von Saarbrücken gewählt. Seit 2018 ist Kohde-Kilsch Pressesprecherin des Arbeiter-Samariter-Bundes im Saarland. Zudem unterstützt sie den DTB als Honorartrainerin.
Steffi Graf
(Einzeltitel 1988, 1989, 1991, 1992, 1993, 1995, 1996; Doppeltitel 1988)
„Miss Vorhand“, wie Steffi Graf von englischen Medien getauft wurde, dominierte Wimbledon ab Ende der 80er bis weit in die 90er Jahre hinein. Zusammen mit Boris Becker und Michael Stich sorgte sie dafür, dass jeder halbwegs an Sport interessierte Deutsche das Wimbledon-Turnier verfolgte. Ihre sieben Einzeltitel sind zwar kein Rekord (den hält Martina Navratilova mit neun!), aber sie machen die „Gräfin“ zu einer der erfolgreichsten Spielerinnen in der Wimbledon-Historie. Lesen Sie dazu unseren ausführlichen Rückblick: „Steffi Graf – Prinzessin auf Rasen.“
Patrik Kühnen
(Einzelviertelfinale 1988, Doppelhalbfinale 1993)
27-mal startete Patrik Kühnen bei den vier Grand Slam-Turnieren in der Einzelkonkurrenz und scheiterte 26-mal spätestens in der dritten Runde. Aber es gab diese eine Ausnahme, dieses eine Match, das ihn – zumindest kurzzeitig – zu einem deutschen Tennishelden werden ließ. Am 27. Juni 1988 traf er auf dem berüchtigten Court No. 2 von Wimbledon, dem „Friedhof der Stars“, auf Ausnahmespieler Jimmy Connors, der bislang zweimal in Wimbledon gewann. An jenem Montag wurde das Match bei Satzgleichstand und 6:6 im dritten Durchgang abgebrochen, bei der Fortsetzung gewann Kühnen in fünf Sätzen und „Jimbo“ zerhackte seinen Schläger auf dem heiligen Rasen.
Später gab er sich etwas zahmer. „Wenn ich unbedingt noch einmal hier hätte siegen wollen, dann hätte ich bei den Senioren mitspielen müssen“, scherzte Connors, drei Monate vor seinem 36. Geburtstag. Kühnen nannten sie in London nach dem Sensationssieg den „Weißen Riesen“– wegen seiner Körpergröße und dem makellosen Outfit. Sein Einzug ins Viertelfinale hätte die Meldung aus deutscher Sicht sein können. Aber es waren andere Zeiten, Becker/Graf-Zeiten eben.
Die beiden Lichtgestalten marschierten im Gleichschritt ins Finale, die Journaille wünschte sich das erste „Deutsche Double“ bei einem Grand Slam-Turnier. Auch wenn daraus nichts wurde (den Doppelsieg gab es erst ein Jahr später): Kühnens Leistung blieb eine Randnotiz. Im Viertelfinale verlor er in vier Sätzen gegen den späteren Sieger Stefan Edberg. Immerhin: Er wurde für das Finalwochenende noch einmal nach London eingeflogen, weil das „Aktuelle Sportstudio“ live aus Wimbledon berichtete und Kühnen dabei 90 Sekunden interviewt wurde. Frage : „Hat ihnen ihr Freund Boris Becker beim Sieg gegen Connors geholfen?“ Antwort: „Ich bin Patrik Kühnen und ich habe Jimmy Connors geschlagen.“ Kühnen blieb auch nach seiner Karriere eng mit Wimbledon verbunden – zunächst als deutscher Davis Cup-Kapitän, später als Experte für den Pay TV-Sender „Sky“.