Wimbledon – das Turnier der Deutschen
2010er Jahre in Wimbledon: Bum Bum Bine und Kerbers Konstanz
Philipp Petzschner
(Doppeltitel 2010)
„Ich kann es immer noch nicht glauben: Ich bin Wimbledonsieger! Es fühlt sich unglaublich an, obwohl ich schon wieder in der Normalität angekommen bin. Heute morgen hat mein Sohn Aziz Schule gehabt. Da wollte ich dabei sein.“ Diese Zeilen schrieb 2010 Philipp Petzschner auf tennismagazin.de, nachdem er mit Freund und Doppelpartner Jürgen Melzer die Doppelkonkurrenz in Wimbledon gewonnen hatte.
Michael Stich war 1992 der bis dahin letzte Deutsche, der Doppel-Wimbledonsieger wurde, zusammen mit John McEnroe. Petzschner und Melzer präsentierten sich als eingeschworenes Duo. Sie wohnten einige Tage zusammen in einer Villa nahe der Anlage, abends gab es Pizza beim gemeinsamen Fußballschauen. „Ich kann mich hundertprozentig auf Jürgen verlassen“, sagte Petzschner über Melzer. 2011 gewann die beiden auch die US Open.
Philipp Kohlschreiber
(Einzelviertelfinale 2012)
Wimbledon 2016 ist das 48. Grand Slam-Event für Philipp Kohlschreiber. Sein bestes Ergebnis, turnierübergreifend: Viertelfinale in Wimbledon 2012. Im Gleichschritt mit Florian Mayer sorgte er für ein kurzes Zwischenhoch im deutschen Herrentennis: Zwei Deutsche in der Runde der letzten Acht hatte es zuletzt 1997 gegeben (damals waren es sogar drei!). Kohlschreiber kam 2012 vor allem dank seines Aufschlags soweit. In fünf Partien servierte er 98 Asse – das war am Ende des Turniers sogar der Bestwert in der Herrenkonkurrenz. Anders als Mayer, der im Viertelfinale gegen Novak Djokovic glatt verlor, hatte Kohlschreiber gegen Jo-Wilfried Tsonga durchaus Chancen, am Ende aber unterlag er mit 6:7, 6:4, 6:7, 2:6.
Angelique Kerber
(Einzelhalbfinale 2012, Einzelfinale 2016)
„Achtung, die Deutschen kommen“, titelte 2012 die englische Boulevardpresse, denn neben Mayer und Kohlschreiber (s.o.) standen auch zwei deutsche Damen im Viertelfinale: Angelique Kerber und Sabine Lisicki trafen in der Runde der letzten Acht sogar aufeinander. Es entwickelte sich ein hitziges Match mit vielen Wendungen. Erst sah Kerber wie die sichere Siegerin aus, führte 6:3, 5:4. Dann vergab sie drei Matchbälle, Lisicki holte sich den zweiten Satz im Tiebreak und lag ihrerseits im dritten Durchgang 5:3 vorne.
„Ehrlich gesagt, war das Match da für mich gelaufen“, gab Kerber später zu. Aber die Partie drehte sich ein weiteres Mal. Kerber holte vier Spiele in Folge, gewann 6:3, 6:7, 7:5. Danach war von Werbung für das deutsche Damentennis die Rede. Und wirklich: Dieses Match war eines der intensivsten und abwechslungsreichsten Damenpartien auf dem Centre Court von Wimbledon. Kerber, die im Jahr zuvor nach einer Pleite in der ersten Runde noch ihre komplette Karriere in Frage gestellt hatte, stand nun im Halbfinale – was für eine wundersame Wandlung. Aber gegen Agnieszka Radwanska endete Kerbers Erfolgslauf, 3:6, 4:6-Niederlage.
Zwei Jahre später, 2014, stand Kerber (genauso wie Lisicki) wieder im Viertelfinale, nach dem sie unter anderem Maria Sharapova 7:6, 4:6, 6:4 besiegt hatte. Dieses Mal gab es aber kein deutsches Duell, beide scheiterten in der Runde der letzten Acht; Kerber verlor gegen die spätere Finalistin Genie Bouchard. Hätten Kerber und Lisicki gewonnen, wären sie im Halbfinale aufeinander gestoßen.
2016 folgte ihr Durchmarsch bis ins Endspiel. Ohne Satzverlust stürmte Kerber durch das Feld, bezwang unter anderem im Halbfinale Venus Williams mit 6:4, 6:4. Ihre Gegnerin im Finale: Serena Williams, die 7:5, 6:3 gewann. Kerber spielte stark, aber Serena schlug unmenschlich gut auf: 13 Asse, zu 88 Prozent machte sie nach dem ersten Aufschlag den Punkt. Die Times huldigte damals auch Kerber: „Unsere Glückwünsche gehen an Serena Williams, unsere Dank an Angelique Kerber. Die Deutsche kam, um zu kämpfen, und und machte ein denkwürdiges Finale zum Spektakel.“
Sabine Lisicki
(Einzelfinale 2013, Doppelfinale 2011)
Woran merkt man, das Wimbledonzeit ist? Sabine Lisicki gewinnt ein paar Partien hintereinander. Zugegeben, der Schenkelklopfer ist ziemlich platt, aber es steckt doch ein wenig Wahrheit darin. Neunmal trat Lisicki bislang in Wimbledon an, fünfmal erreichte sie mindestens das Viertelfinale (2009, 2012, 2014), einmal scheiterte sie im Halbfinale (2011). Der absolute Höhepunkt aber war das Erreichen des Endspiels 2013.
Eine neue Welle der Tenniseuphorie brach über Deutschland ein. „Bum Bum Bine“ war in aller Munde – spätestens nach dem sensationellen Sieg gegen Serena Williams im Achtelfinale. Dabei deutete eigentlich alles auf einen Erfolg der haushohen Favoritin hin: Williams führte im dritten Durchgang mit 4:2, Lisicki spielte zu fehlerhaft, keinen Penny hätte jetzt noch jemand auf sie gesetzt. Aber es kam anders: Irgendwie kämpfte sie sich zurück, holte vier Spiele in Folge – Sieg.
„Unglaublich, es ist unglaublich“, stammelte sie anschließend. Nach der Kür folgte die Pflicht: Lisicki schlug Kaia Kanepi glatt. Dann ein Halbfinaldrama gegen Agnieszka Radwanska, Finalistin im vorherigen Jahr. 0:3 lag Lisicki hinten im dritten Satz, aber sie schaffte auch hier ein Comeback. 9:7 für die Deutsche hieß es schließlich. Es soll damals Fans gegeben haben, die sich ein T-Shirt mit dem Aufdruck „I have survived Lisicki vs. Radwanska“ drucken lassen wollten.
Die Begeisterung vor dem Finale gegen Marion Bartoli war grenzenlos: Tageszeitungen druckten Sonderbeilagen, Redaktionen, die sich jahrelang nicht für Tennis interessierten, schickten ihre Reporter nach Wimbledon und Fans organisierten „Public Viewings“, weil das Match nur im Pay TV-Sender Sky zu sehen war. Aber das Happy End blieb aus. Lisicki wirkte in ihrem ersten Grand Slam-Finale zu gehemmt, zu verunsichert. Zügig ging die Französin 6:1, 5:1 in Führung. Es keimte zwar noch einmal Hoffnung auf, als Lisicki drei Matchbälle abwehrte, aber sie verlor letztlich mit 1:6, 4:6 – aus der Traum. Lisicki hatte als vierte Deutsche nach Cilly Aussem, Hilde Krahwinkel und Steffi Graf das Damen-Einzelfinale von Wimbledon erreicht. Und sie hat noch ein paar Jahre, um den Titel vielleicht doch eines Tages zu holen.
Dustin Brown
(3. Runde 2013, 2015)
Zugegeben, so ganz passt Dustin Brown in diese Aufzählung nicht rein. Es sollten eigentlich nur deutsche Profis Erwähnung finden, die es mindestens in die zweite Turnierwoche geschafft haben. Aber bei Brown mussten wir eine Ausnahme machen, zu aufsehenerregend war sein Sieg 2015 gegen Rafael Nadal in der zweiten Runde.
Brown, der sich zuvor durch die Quali gespielt hatte, versetzte Wimbledon für ein paar Tage in einen Ausnahmezustand. OK, Nadals beste Tage auf Rasen sind vorbei, er hatte zuvor in Wimbledon auch schon gegen Nobodys wie Lukas Rosol und Steve Darvis verloren. Aber die Art und Weise, wie Brown den Spanier mit 7:5, 3:6, 6:4, 6:4 vom Rasen schoss, war phänomenal: verrückte Stop-Lob-Kombinationen, butterweiche Volley, spektakuläre Flugeinlagen am Netz, irrwitzige Vorhand-Slice-Attacken, aber auch Geschosse von der Grundlinie, die knapp die 200-Stundenkilometer-Marke erreichten.
„Das war einer der größten Auftritte, die ich je von einem Außenseiter in Wimbledon gesehen habe“, schwärmte John McEnroe im britischen TV. Und Urgestein Niki Pilic ließ sich zu dem für seine Verhältnisse großen Lob hinreißen, dass ihn Browns Spiel „schwer beeindruckt“ habe. Allerdings war die Herrlichkeit auch schnell wieder vorbei: Wie 2013 (nach einem ebenfalls groß gefeierten Sieg gegen Lleyton Hewitt) verlor Brown erneut in der dritten Runde – 4:6, 6:7. 6:4, 3:6 gegen Viktor Troicki.air jordan 1 royal nike outlet | cheap air jordan 1 shoes