Zverev-Gegner Alex Bolt: „Ich wollte nie mehr einen Schläger anfassen“
Wer ist der Typ mit dem Schnauzbart, der in fünf Sätzen Gilles Simon bezwang und nun Alexander Zverev in Runde drei gegenüber stehen wird (Samstagmorgen ab 9 Uhr auf Eurosport)? tennismagazin.de stellt euch Alex Bolt genauer vor.
Sie kennen den Australier Alex Bolt, den nächsten Gegner von Alexander Zverev, nicht? Das ist keine Schande, denn selbst seinen sportverrückten Landsleuten dürfte der 26-Jährige kaum ein Begriff sein. Obwohl: So langsam könnte sich das ändern. Nach zwei Siegen (gegen Jack Sock und Gilles Simon) steht die Nummer 155 der Weltrangliste zum ersten Mal in seiner Karriere in der dritten Runde eines Grand Slam-Turniers – das erzeugt natürlich Aufmerksamkeit in seiner Heimat. Dabei rutschte „Bolty“, wie sein Spitzname lautet, nur dank einer Wildcard des australischen Tennisverbandes ins Hauptfeld von Melbourne.
Bolts sportliche Heimat sind die unteren Ligen des Profitennis. Future-Events, Challenger-Turniere – das ist seine Welt. Jahrelang sammelte er dort seine Punkte, um in der Weltrangliste nach oben zu kommen, was ihm aber nicht wirklich gelang. Als passabler, aber keineswegs herausragender Jugendspieler wurde ihm fast nichts geschenkt. Wildcards für das Doppelfeld der Australian Open oder für die Einzel-Qualis der größeren ATP-Turnieren in Australien – das waren lange seine Highlights. Er mühte sich ab auf der Ochsentour, spielte sich 2015 immerhin in die Top 200 – aber dann kam es zum großen Bruch.
Alex Bolt: „Was mache ich hier auf dem Platz?“
Bolt verlor seine Liebe zum Tennis. In einem Beitrag auf der ATP-Website erinnert sich Bolt nun daran, wie es im Anfang 2016 dazu kam, dass er nicht mehr weiterspielen wollte. „Ich stellte mir immer häufiger Fragen, die mich sehr belasteten: Was mache ich hier auf dem Platz? Warum spiele ich Tennis? Wieso gehe ich nicht einfach nach Hause?“, offenbart Bolt. Während ihm beim Training keine mentalen Probleme plagten, war seine Konzentration im Match überall – nur nicht auf dem Court.
„Jeder Spieler hat den Traum, der nächste Roger Federer zu werden und Grand Slam-Titel zu gewinnen. Wenn man dann jeden Tag dafür alles gibt, dein Ziel aber in weiter Ferne bleibt, ist das sehr frustrierend“, fasst Bolt seinen damaligen Gemütszustand zusammen. Ihm wurde bewusst, das etwas nicht mehr mit ihm stimmt, er verlor seine Motivation. Nach längeren Gesprächen mit seinem Coach, in denen es nicht um Taktik oder Technik ging, sondern um die alltägliche Bereitschaft, sich auf dem Court für den großen Traum zu quälen, macht Bolt einen Schnitt und legte eine Pause ein. „Ich war einfach nicht glücklich, wenn ich Tennis gespielt habe und wollte nie mehr einen Tennisschläger anfassen.“
Von da an wurde das Leben von Alex Bolt etwas verrückt. „Tennis war alles, was ich immer gemacht hatte und womit ich mich auskannte. Ich hatte nie richtig gearbeitet“, erzählt er in dem ATP-Artikel. Nach der Schulzeit hatte er nur eine Aufgabe: Tennis zu spielen. Bolt sehnte sich nach Abwechslung, nach neuem Input. Es war schließlich sein Schwager, der ihm einen ganz normalen Job gab. Bolt half als Bauarbeiter bei einem Projekt aus und setzte einen Monat lang Zäune, grub Löcher und stellte Pfosten auf. Er musste jeden Morgen um 5.30 aufstehen und acht Stunden in brütender Hitze schuften. „Das war kein Spaß, das war ein Knochenjob“, urteilt Bolt.
Nach der Fertigstellung des Projekts hatte Bolt genug von harter körperlicher Arbeit. Er hatte jetzt nicht wirklich etwas zu tun und war sofort dabei, als ihn alte Kumpels fragten, ob er nicht Lust hätte, mit ihnen in einer Australian Football-Amateurmannschaft zu spielen. Was sollte er denn sonst schon tun? Auf diesem Weg fand er seine grundsätzliche Liebe zum Sport und zur Bewegung wieder.
„Es waren nur ein paar Monate, bis ich anfing, Tennis stark zu vermissen“, weiß Bolt heute. Natürlich verfolgte er die Karrieren seiner ehemaligen Tenniskollegen. Jordan Thompson, mit dem er einst zusammen viel auf kleinen Turnieren unterwegs war, schaffte den Sprung in die Top 100 und gewann plötzlich Challenger-Turniere. Bolt stellte sich nun andere Fragen: „Könnte nicht auch ich an seiner Stelle stehen? Kann ich das nicht auch noch schaffen?“ Kurz darauf erhielt er einen Anruf von Coach Todd Langman, der ihm nur eine Frage stellte: „Bist du bereit, um wieder zu starten?“ „Ja“, antwortete Alex. Er wollte seiner alten Liebe eine zweite Chance geben.
Alex Bolt: „Ich starb bei jedem Match tausend Tode“
Bolt trainierte und fand schnell seine alte Routine wieder. Jetzt hatte er Spaß auf dem Platz – selbst bei den heftigsten Übungen. Coach Langman verlangte von ihm, dass er gegen Kinder spielen sollte. Er wollte ihn damit nicht ärgern. Nein, er wollte, dass er ganz bei sich bleibt, sich nicht aus der Ruhe bringen lässt und nur an sein eigenes Spiel denkt.
Die Lektionen zahlten sich aus. 2018 gewann Bolt sein erstes Challenger-Turnier. In Wimbledon qualifizierte er sich erstmals für ein Hauptfeld bei einem Grand Slam-Turnier. Im Oktober 2018 erreichte er seine bislang beste Weltranglisten-Platzierung: Rang 139.
„Vor meiner Pause konnte ich keinen Punkt verlieren. Ich konnte kein Spiel verlieren. Ich starb bei jedem Match tausend Tode. Aber als ich zurückkam, war meine Einstellung eine andere. Ich wollte konkurrenzfähig sein und des Sport alles geben, was ich hatte. Wenn ich gewann, gewann ich. Wenn ich verlor, verlor ich. Ich habe es so angenommen, wie es kam. Ich denke, das ist ein wichtiger Grund, warum ich diesen Sport jetzt wieder liebe. Und ich kann es kaum erwarten zu sehen, wohin mich meine Reise führen wird“, sagt Bolt.
Vorerst führt sie ihn Samstagmorgen (deutscher Zeit) in die Rod Laver-Arena. Night-Session gegen den ATP-Weltmeister Alexander Zverev. Keine Frage: Es ist das größte Match für Alex Bolt. Er lebt jetzt einen Teil seines Traums.air jordan 1 mid outlet | nike jordan outlet near me