Die Götter von nebenan – das sind die Sandplatzgötter
Mit Humor, Ironie und Expertise kommentieren die selbsternannten Sandplatzgötter auf Facebook das weltweite Tennisgeschehen. Mehr als 18.000 Fans gefällt das. Die Erfolgsstory einer nicht ganz normalen Medenmannschaft aus einer Bezirksliga vom Niederrhein
Am Tag danach, als die Australian Open Geschichte sind und die Sandplatzgötter die „Rod Laver-Arena leer gepostet haben“, wie sie es in ihrer typisch-süffisanten Art auf Facebook formulieren, bedanken sich über 100 ihrer Anhänger für die Berichterstattung aus Melbourne. Ein User schreibt: „Waren zwei tolle Wochen mit euch!“ Und ein anderer ergänzt: „Ja, es war wieder richtig witzig.“
Wer heutzutage ein Tennisturnier verfolgt, viel im Internet unterwegs ist, gerne parallel zu den TV-Livebildern auf der Couch mit dem Smartphone surft und dort neben harten Fakten auch News zum Schmunzeln in den sozialen Netzwerken sucht, kommt an den Sandplatzgöttern nicht vorbei. Über 18.000 Fans hat ihre Facebook-Seite mittlerweile – ein beachtlicher Wert, wenn man bedenkt, dass die Page eigentlich die Freizeitbeschäftigung einer tennisverrückten Breitensportmannschaft ist. Auf Twitter und Instagram werden Follower natürlich längst auch von den „Göttern“ bedient. Sie treffen mit ihrer Mischung aus Humor, Ironie und fundiertem Fachwissen den Nerv der Tenniscommunity. Die Sandplatzgötter posten frei Schnauze, nehmen nicht großartig Rücksicht auf Befindlichkeiten und wenn sie etwas lustig finden, dann wird es rausgehauen – basta. Dadurch haben sie sich den Status von Hofnarren in der deutschen Tennisberichterstattung „erpostet“: dreist, provozierend, komisch, aber auch kritisch und nachdenklich. Viele im Tenniskosmos haben den Zorn der Götter schon einmal zu spüren bekommen: Spieler, Funktionäre, Verbände, Medien – auch wir, das tennis MAGAZIN.
Wer nun glaubt, dass ein Facebook-Eintrag oder ein Tweet irgendwelcher Sandplatzgötter doch keine Rolle spielt, verkennt die Wirkung sozialer Medien. Nachdem sie zum Beispiel die pannenreiche Einführung der Leistungsklassen in ihrem eigenen Landesverband am Niederrhein (TVN) kritisierten, meldeten sich schnell TVN-Funktionäre. „So etwas könnte man doch nicht schreiben“, hieß es. Dabei hatten die „Götter“ recht, sie zeigten dem TVN nur dessen Versäumnisse auf. In der Szene sind die „Götter“ längst Kult, selbst Fed Cup-Chefin Barbara Rittner oder Kerber-Coach Torben Beltz liken die Beiträge. Aber wer steckt hinter der gut laufenden Facebook-Seite? Wer kommt auf die witzigen Ideen, montiert Fotos um, findet in den Webtiefen uralte Tennisvideos und überrascht mit skurillen Zahlen und griffigen Analysen zum aktuellen Turniergeschehen?
Wenn Kerber nicht bei Einstand durch die Mitte und von der Vorteilsseite nach außen serviert, wird Witthöft vor Schreck ohnmächtig werden.
— Sandplatzgötter (@sandplatzgotter) January 18, 2017
Der harte Kern spielt seit 25 Jahren gemeinsam Tennis
Voerde am Niederrhein, 37.000 Einwohner, vier Tennisclubs, einer von ihnen ist der TC Rot-Weiß Möllen. Christian Schwell spielt hier mit Freunden „Tennis für den Hausgebrauch“. Der harte Kern seiner Truppe steht seit 25 Jahren gemeinsam in der Medenrunde auf dem Platz. Sie reden sich nur mit ihren Spitznamen an: „Schwelli“, „Zille“, „Pauli“, „Ennaz“, „Janker“ „Old Daddy“. Angefangen in den Jugendklassen ist die Mannschaft nun im fortgeschrittenen Herren 30-Bereich gelandet, 2015 stieg sie in die Bezirksliga auf. Letztes Jahr stiegen sie wieder, 2017 gehen sie in der Bezirksklasse A an den Start.
2004 kam einem der Teammitglieder die Idee: „Wir brauchen jetzt eine Website!“ Es war die Zeit des ersten Web-Hypes, jeder werkelte damals ahnungslos im Internet rum, „Schwelli“ aber nahm die Sache richtig ernst. Statt der Seite den naheliegenden Namen „1. Herren vom TC RW Möllen.de“ zu geben, nannte er sie „Sandplatzgötter.de“ – ein Geistesblitz. Natürlich ist der Name pure Ironie, die selbsternannten „Götter“ sind keine. Alle spielen einen ordentlichen Ball, mehr aber auch nicht.
Es sind Spieler wie es sie tausendfach in ganz Deutschland gibt: fest verwurzelt im eigenen Club, zwei Stunden wöchentliches Mannschaftstraining und sechs Punktspiele im Jahr mit gepflegten Pilsrunden im Anschluss. Tennis als Gemeinschaftserlebnis, als Treffpunkt mit guten alten Bekannten. Die sportlichen Ambitionen sind überschaubar, aber wenn es darum geht, am Wochenende für den TC RW Möllen Punkte einzufahren, geben die „Götter“ alles.
Auf ihrer Website fanden sich anfangs Spielerporträts, Spielberichte und die Vorstellung der Clubanlage. „Das hat natürlich keine Sau interessiert“, erzählt Schwell. Er schrieb damals eifrig in die Gästebücher („Ja, die gab es damals noch!“) anderer Vereine und Mannschaften, um die Sandplatzgötter bekannter zu machen – „hat nicht viel gebracht“. 2008 hatte er sein Aha-Erlebnis. Über einen US-Freund lernte er Facebook kennen.
Nun weckt die Größe der Seite auch große Erwartungen
„Ich sah in dieser Plattform zunächst überhaupt keinen Sinn, meldete die Sandplatzgötter aber trotzdem an“, erinnert er sich. 2009 traute er sich, erstmals etwas zu posten, was nichts mit der Mannschaft zu tun hatte, sondern sich mit der Profiwelt beschäftigte – „ein Testballon“. Die Resonanz war gut, Schwell wurde dazu ermutigt, noch mehr Neuigkeiten aus der großen weiten Tenniswelt zu bringen. Facebook wuchs, die „Götter“ knackten bald die magische 1.000er-Marke und plötzlich verselbstständigte sich ihre Facebook-Page. Schwell: „Es hat mich angestachelt, mehr zu machen. Zu meinem Erstaunen explodierte unsere Seite dann irgendwann.“