Lleyton Hewitts unerfüllbare Mission
1997 betrat in Melbourne ein kleiner, schmächtiger Junge im Alter von 15 Jahren und elf Monaten die große Tennisbühne: Lleyton Hewitt aus Adelaide hatte sich als jüngster Spieler aller Zeiten für das Hauptfeld der Australian Open qualifiziert. Er verlor in der ersten Runde gegen Sergi Bruguera 3:6, 4:6, 3:6. Dennoch: Für die einheimischen Medien war Hewitt die Attraktion überhaupt. Sie trugen es bis in die hinterste australische Ecke: Dieser Hewitt, so jung, so leidenschaftlich und so flink, ist unser nächster Top-Mann. Und seine Geschichte hatte Drehbuch-Charakter.
Ein Sieg auch auf Kuhmist
Früher, als Kind, kam Hewitt immer mit seinen Eltern zu dem großen Turnier im Melbourne Park und träumte davon, eines Tages dort zu gewinnen. Für einen Sieg würde ich sogar auf Kuhmist antreten, posaunte er einmal. Er inszenierte sich als „Ultimate Warrior“, als einer, der nie aufgibt, jeden Ball versucht zu erlaufen und immer kämpft. Mit seinen markigen C´mon-Schreien brüllte er sich in einen regelrechten Spielrausch, er beschimpfte Gegner und Schiedsrichter und führte tatsächlich die Tradition großer australischer Tennis-Stars fort. Am 19. November 2001 wurde er die jüngste Nummer eins der Tennisgeschichte (mit 20 Jahren und acht Monaten). 80 Wochen hielt er sich an der Spitze und holte 2002 den Titel in Wimbledon. Durch die Liaison mit Profikollegin Kim Clijsters war er in aller Munde. Nur: Hewitt leitete keine neue Epoche im Welttennis ein.Dafür war sein Spiel zu limitiert. Was ihn stark machte: Er lief so lange, grub so viele unerreichbare Bälle aus, bis die Gegner schlapp machten. Kritiker warfen ihm vor, die schlechteste Nummer eins aller Zeiten gewesen zu sein. Das Problem: Seine Schläge waren zwar solide und gut, aber selten wirklich tödlich. Seine Dominanz brachte das gesamte Herrentennis in eine Schieflage: Wie kann sich so ein Spieler so lange da oben halten? 2003 endete Hewitts beste Phase.
Hüftoperation im August 2008
Seinen bisherigen Tiefpunkt erreichte er 2008: Die zweite Jahreshälfte musste er fast komplett pausieren wegen Beschwerden an seiner Hüfte eine Folge seines unglaublichen körperlichen Einsatzes in etlichen Matches. Ende August 2008 unterzog sich Hewitt einer Hüftoperation und begann im Anschluss mit der mühevollen Reha. Im Dezember 2008 absolvierte er mit Coach Tony Roche seine ersten Trainingseinheiten auf dem Court. Hewitt ist noch weit entfernt von jener körperlichen Verfassung, mit deren Hilfe er jahrelang zur erweiterten Weltspitze gehörte. Er ist in der Rangliste bis auf Platz 74 abgestürzt. Eine so schlechte Platzierung hatte er zuletzt vor zehn Jahren, im Anfangsstadium seiner Karriere.
Und ausgerechnet auf ihm, dem angeschlagenen Kämpfer, lasten nun die Hoffnungen einer ganzen Nation. Warum? Weil es keinen besseren gibt als Hewitt in Australien so paradox die Antwort auch klingt. Hewitts Absturz steht symbolisch für den Niedergang einer einstigen Tennisgroßmacht. Wenn einer wie Lleyton Hewitt in seinem jetzigen Zustand im Vorfeld der Australian Open 2009 als einziger Hoffnungsträger der Einheimischen gilt, muss einiges schief laufen im tennisverrückten Down Under.“Wir haben riesige strukturelle Probleme im australischen Tennis“, analysiert Ex-Profi John Alexander die Lage in seiner Heimat. „Tennisplätze verschwinden, immer weniger Menschen spielen selbst Tennis und diejenigen, die spielen wollen, haben dazu immer weniger Möglichkeiten. Es ist eine Schande. Tennis ist ein Teil unseres nationalen Erbes, aber es wird zu wenig geschützt.“ Alexander, heute Co-Kommentator auf Channel 7, der in Australien das erste Grand Slam-Turnier des Jahres live überträgt, sieht im Jahr 2008 die „schlimmste Krise des australischen Tennis seit 100 Jahren“. Fest steht: Zum ersten Mal seit Beginn der „Open Era“ (ab 1968) gewann im vergangenen Jahr kein australischer Tennisspieler einen Profititel weder im Einzel noch im Doppel.
Und jetzt soll Lleyton Hewitt als erster australischer Profi seit Mark Edmondson 1976 den Titel in Melbourne holen? Es ist eine unerfüllbare Mission. Keiner weiß das so gut wie Hewitt selbst. Aber er gibt sich natürlich kämpferisch. Nach seinem Sieg über Nicolas Kiefer beim Hopman Cup in Perth glaubt Hewitt, auf dem richtigen Weg zu sein: „Einen besseren Start konnte ich nicht erwischen.“
„Er muss mehr attackieren“
Doch Lleyton Hewitt hat neben den Nachwirkungen seiner Hüftoperation ein Problem: Er spielt immer noch so wie vor sechs, sieben Jahren. Prompt melden sich die früheren australischen Tennishelden zu Wort. Zum Beispiel Pat Rafter: „Das Spiel hat sich weiterentwickelt. Wenn Lleyton weiter so spielt wie früher, dann hat er keine Chance mehr.“ Und Davis Cup-Kapitän John Newcombe ergänzt: „Er muss mehr attackieren, öfter die Initiative ergreifen. Wenn er sich nur auf seine Defensivkünste verlässt, wird er die Weltspitze nicht mehr erreichen.“
Hewitt kennt die Diskussionen um seine Spielweise. Sie sind fast so alt wie der Wunsch der „Aussies“, dass er endlich den Titel in Melbourne gewinnt. „Ich fühle mich noch gut genug, um an einem perfekten Tag jeden Spieler der Welt zu schlagen“, stellte Hewitt in Perth klar. Aber als er wenig später von James Blake 6:2, 6:2 auseinander genommen wurde, glaubte niemand mehr an seine Durchhalteparolen.
Lleyton Hewitt ist „ein einsamer Kämpfer“ (The Age), der „Last Man Standing“, der auch 2009 vor seinen einheimischen Fans bis zum letzten Ball ackern wird. Nur: Für den Titel wird das nicht reichen wie schon in den letzten Jahren.
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