Noma Noha Akugue im Porträt: Plötzlich im Rampenlicht
Mit dem WTA-Finale in Hamburg katapultierte sich Noma Noha Akugue ins Bewusstsein von Tennis Deutschland. Wer ist die 19-Jährige?
Erschienen in tennis MAGAZIN-Ausgabe 09/2023.
Fotos: Frank Molter
Den Pokal hat sie mitgebracht. In einem Rucksack. Es ist Sonntag, kurz nach Mittag. Wir sind zum Fotoshooting und zum Interview verabredet. Neues Terrain für Noma Noha Akugue. In Hamburg bekam die 19-Jährige zum ersten Mal eine Wildcard für das Hauptfeld eines WTA-Turniers – und erreichte gleich das Finale. Eine echte Feel-Good-Story! Für sie, die schon lange als großes Talent gilt. Und für das deutsche Damentennis, das dringend eine Vitaminspritze brauchte. Klar, dass Noma in Hamburg plötzlich im Rampenlicht stand. Einen Medienrummel kannte sie bisher noch nicht. Pressekonferenzen, Interviews im Fernsehen.
Die ersten richtigen Medientermine für Noma Noha Akugue
Bis zum Finale der Herren am Rothenbaum dauert es noch knapp zwei Stunden. Das will sie unbedingt sehen. Vorher absolviert sie eine „Round Table“-Runde mit einer Hand voll Journalisten, ein Hörfunk- und TV-Interview für den NDR.
Dann ist tennis MAGAZIN dran. Sie posiert mit dem Pokal für die Zweitplatzierte, den sie aus dem Rucksack geschält hat. Lächelt in die Kamera. Als sie von unserem Fotografen aufgefordert wird, mit dem Zeigefinger nach vorne zu zeigen und böse zu gucken – nach dem Motto, ich hau’ euch Gegnerinnen alle weg – macht sie das wie auf Knopfdruck. Modelqualitäten hat sie ohne Frage. Vor der Kamera bewegt sie sich natürlich. Was nicht viele Gleichaltrige können.
Die Frage wird sein, wie geht sie künftig mit Druck um? Mit den neuen Erwartungen? Den eigenen, aber auch denen von außen. War es am Ende gut, dass sie in Hamburg nicht gewonnen hat, weil sie dann mehr Aufmerksamkeit bei künftigen Turnieren und Gegnerinnen bekommen hätte? Noma Noha Akugue wäre die erste Deutsche nach Steffi Graf gewesen, die in der Hansestadt den Titel geholt hätte.
Vom Centre Court in den Autoscooter
Zu schwere Gedanken an diesem Sommertag mit den nicht ganz sommerlichen Temperaturen. Noma sitzt jetzt in einem Strandkorb beim Clubhaus und sieht glücklich aus. Als Kind war ihre sportliche Heimat der TSV Glinde in Schleswig-Holstein, wo sie schon als Dreijährige startete, inzwischen heißt ihr Verein Club an der Alster, im Herzen Hamburgs.
Es ist ein knapp fünfzehnminütiger Plausch mit einer jungen Frau, die auf der einen Seite eine ganz normale Teenagerin ist. Nach der gestrigen Finalniederlage fuhr sie erst mal Autoscooter auf dem Dom, der großen Kirmes in Hamburg. Sie shoppt gerne im Internet. Sie tanzt und hört UK-Rap. Als sie noch zur Schule ging, hing sie anschließend mit Freundinnen im Eis-Café Veneto in Reinbek ab.
Noma Noha Akugue: Viel gelernt vom Vater
Andererseits: Noma galt schon immer als Rohdiamant. Mit elf ist sie die jüngste Bezirksmeisterin Deutschlands. In allen Kadern – auf Verbands- und nationaler Ebene – gehört sie zu den jüngsten und talentiertesten Mädchen.
Wahrscheinlich ist ihr Vater Roland, der aus Nigeria einwanderte, daran nicht schuldlos. Nomas Vater war ein guter Boxer – und Steffi Graf-Fan. „Er hat viel Technik- und Athletiktraining mit mir gemacht. Ich glaube, deswegen bin ich körperlich so fit“, sagt Noma. Sie sagt es noch ein bisschen schüchtern, aber man merkt, dass sie langsam warm wird mit Fragen von Reportern.
Schon mit 15 gehört sie zum Porsche Junior Team. Als tennis MAGAZIN im Oktober 2018 einen Lehrgang im Leistungszentrum in Stuttgart-Stammheim besucht, trainiert auch Noma dort. „Sie bringt alle Voraussetzungen für eine Karriere mit“, urteilte Damentennis-Chefin Barbara Rittner, die den Lehrgang leitete, damals.
Noma Noha Akugue wird zum Mentalitätsmonster
Und heute? Anruf bei Rittner eine Woche nach der Hamburger Erfolgstory. Wie sieht sie die Entwicklung? „Noma hat ihre Chancen genutzt. Sie hat viele enge Matches gewonnen, sie wird gerade zum Mentalitätsmonster“, sagt Rittner. Sie sei viel professioneller geworden. „Ihr Spiel ist erwachsener, nicht mehr so vogelwild.“ Rittner ist sich sicher: „Vor einem halben Jahr wäre das Finale in Hamburg 0:6, 1:6 ausgegangen. Jetzt ist sie drangeblieben und sie hätte es im zweiten Satz auch drehen können.“
Was ihr Spiel speziell macht: „Die Athletik und die schnelle Hand. Mit Vor- und Rückhand kann sie unglaublich schnell spielen. Manchmal wartet sie noch zu lang auf die Bälle, aber wenn sie den Treffpunkt noch weiter nach vorne verlagert, kann sie mit ihrer Athletik richtig gefährlich werden“, sagt Rittner.
Sie erinnert sich an ein Match beim ITF-Turnier in Altenkirchen im Februar. In der ersten Runde fegte Noma, die damals auf Platz 228 rangiert, die mehr als 100 Plätze besser platzierte Eva Lys mit 6:1, 6:1 vom Platz. Das Match sah auch Andrea Petkovic in ihrer Rolle als Mentorin für das deutsche Damentennis. „Petko“, berichtet Rittner, habe geschwärmt: „Die hat ja jetzt schon Top Ten-Niveau.“
Professionell aufgestellt
In Hamburg saßen Rittner und Petkovic bei allen Matches von Noma am Platz. Rittner in ihrer Rolle als Head of Women‘s Tennis, Petkovic als DTB-Mentorin. Es gab noch eine dritte ständige Beobachterin: Nomas Managerin Nadine Raidt von der Emotion Group, die unter anderem die Turniere in Stuttgart, Berlin und Mallorca veranstaltet.
Das Projekt Noma mag in Hamburg seinen bisherigen Höhepunkt erreicht haben, hinter den Kulissen läuft es schon längst auf Hochtouren. Gesteuert wird es seit rund zwei Jahren von Emotion. Als Sponsor konnte der Matratzenhersteller bett1 gewonnen werden. Dazu wurde ein Team um Cheftrainer Benjamin Ebrahimzadeh aufgebaut. In dessen Akademie in Wiesbaden trainierte Noma noch vor ein paar Monaten. Travelling Coach, Fitnesstrainer, Physiotherapeuten – das ganze Paket eines Topprofis, bei denen im Idealfall alle Räder ineinander greifen. Seit Februar arbeitet sie mit einem Sportpsychologen, der ihr Ruhe vermittelt.
„Am Anfang war es nicht ganz einfach. Noma war neun Monate verletzt“, sagt Raidt. Eine Schulterverletzung hatte das junge Projekt gebremst. Aber dank des österreichischen Athletikcoaches Klaus Luisser habe man das Problem in den Griff bekommen.
Noma Noha Akugue: Mit Vertrauen im Team zum Erfolg
Anschließend folgte „in den letzten eineinhalb Jahren unglaublich gute Arbeit“, wie Raidt es formuliert. Zur Finalteilnahme in Hamburg sagt sie: „Wir wussten alle um das unglaubliche Potenzial von Noma. Sie ist eine wahnsinnig fleißige Spielerin, die akribisch in allen Bereichen gearbeitet hat. Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis alles auf dem Platz zusammenkommt und so eine Leistung möglich ist.“
Unterhält man sich länger mit Raidt, die selbst als Juniorin Leistungstennis gespielt hat, wird klar, wie Noma, über die Barbara Rittner sagt, sie sei „ein sehr spezieller Typ“, tickt. Wie sensibel die Betreuung ist, weil alles passen muss, damit die Spielerin ihr bestes Tennis abrufen kann. „Am Ende geht es darum, ein Vertrauensteam aufzubauen, in dem sich Noma wohlfühlt“, sagt Raidt. Dann komme „so ein Ergebnis“ zustande. „Dass es hier in Hamburg mit einer Wildcard beim ersten Hauptfeldstart bei einem WTA-Turnier passiert, ist unglaublich.“
Die Frage ist, wie die Wohlfühloase für Noma Noha Akugue künftig aussieht. Als Dominic Thiem im April Ebrahimzadeh verpflichtete, war klar, dass der deutsch-iranische Spitzencoach nicht mehr für Noma zur Verfügung steht.
Barbara Rittner: „An einem guten Tag spielt sie Top 50-Niveau“
Die Trainersuche läuft, aber das Umfeld sieht das entspannt, lässt sich Zeit, weil – genau – Vertrauen in die richtige Wahl entscheidend ist. In Hamburg kümmerten sich Rittner und Petkovic um die sportlichen Belange. Bei der Qualifikation für die US Open wird Noma nur von Rittner betreut, weil Petkovic für den US-Sender Tennis Channel im Einsatz ist. Es ist ohnehin eine Interimslösung. Das ist allen Beteiligten klar, genauso wie der Fakt, dass auch wieder Rückschläge kommen werden.
Warum Raidt als eine der engsten Vertrauten Nomas glaubt, dass sie es ganz nach oben schaffen kann: „Weil sie die Herausforderung annimmt, weil sie sich nie beschwert. Noma weiß, dass die Tour ihr Alltag ist und sie mag das. Sie braucht viele Matches, deshalb hat sie in diesem Jahr schon so viel Turniere gespielt.“ Bis Hamburg waren es 19. Manchmal war es die Ochsentour, etwa in Kasachstan oder Tunesien.
Das Pokerface von Naomi Osaka
Dass noch viel Luft nach oben ist – etwa beim Aufschlag – weiß das Team. „An einem guten Tag spielt sie Top 50-Niveau, aber an einem schlechten kann sie gegen viele verlieren“, sagt Rittner. Diese Diskrepanz gelte es zu eliminieren.
Die letzte Frage führt noch einmal in den Strandkorb in Hamburg. So sympathisch sich Noma im persönlichen Gespräch gibt, auf dem Platz zeigt sie kaum eine Regung. Pokerface nennt sie das. Warum das so ist? „Ich mag das. Ich habe es mir bei Naomi Osaka abgeguckt.“ Es wird interessant sein zu sehen, ob die neue deutsche Hoffnung in ähnliche Sphären vordringen kann wie die frühere Nummer eins.
Vita Noma Noha Akugue
Die gebürtige Reinbekerin (bei Hamburg), 19, begann als Dreijährige beim TSV Glinde (Schleswig-Holstein) mit Kindergartentennis. Schon früh wurde die Linkshänderin vom DTB in unterschiedlichen Kadern gefördert. Mit 17 gewann sie bei den Damen überraschend die Deutschen Meisterschaften. Die Finalteilnahme beim WTA-Turnier in Hamburg war das bislang beste Ergebnis für die Tochter eines ehemaligen Boxers aus Nigeria. Weltrangliste: Platz 152, Karrierepreisgeld: knapp 150.000 Dollar.