Emotionen im Tennis steuern – wenn es darauf ankommt
In Drucksituationen gelassen bleiben, das wünscht sich jeder. Das Konzept Ready2perform hilft, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und mit Gefühlen richtig umzugehen.
Was haben die Kompetenzen Selbstvertrauen, Ruhe bewahren, mit Fehlern umgehen können, Konzentration aufrechterhalten, „panische“ Gedanken beherrschen und realistische Erwartungen gemeinsam? Sie sind nicht genetisch bedingt. Das ist wichtig, denn es bedeutet, man kann an der Situation etwas ändern, diese Kompetenzen sind erlernbar. Viele Menschen wünschen sich diese Fertigkeiten in für sie wichtigen Momenten, da sie dabei helfen, die eigene Leistung in Drucksituationen abzurufen. Dazu gehört auch und vor allem das Tennismatch, wo einige wenige Punkte über Sieg oder Niederlage entscheiden können.
Stress bedeutet nicht zwangsläufig Druck
Doch diese Kompetenzen sind nicht nur bei sportlichen Herausforderungen wünschenswert. Sie sind auch nützlich für Schulprüfungen, Klausuren an der Uni, im Theater auf der Bühne oder in Berufen im Krankenhaus, bei der Polizei oder Feuerwehr. Immer dort, wo winzige Nuancen über das Ergebnis entscheiden können. Diese wichtigen Momente setzen unter Druck, testen die Fähigkeit, das Beste zu geben, erzeugen möglicherweise Stress. Doch was genau unterscheidet Druck von Stress?
Stress durchdringt den modernen Alltag dann, wenn die Anforderungen verfügbare Ressourcen übersteigen. Ein Meeting, das sich in die Länge zieht, eine lange Liste nicht aufgearbeiteter E-Mails, drohende Fristen oder im Sport, wenn eine zeitliche Begrenzung beispielsweise im Spiel ansteht, können zu einer beträchtlichen Belastung führen. Aber dieser Stress bedeutet nicht zwangsläufig Druck.
Auch Coco Gauff, US Open-Siegerin 2023, weiß um die Macht der Gedanken. Schon mit 13 Jahren fühlte sie den Druck, gewinnen zu müssen.Bild: Imago
Druck ist eine Situation, in der das Ergebnis der Leistung gravierende Folgen hat. Es ist nicht nur die bloße Anforderung, sondern die Wichtigkeit des Ergebnisses, die den Druck ausmacht. Hier steht im Wortsinne viel auf dem Spiel. Sei es das Ausscheiden in der ersten Runde beim Turnier in Übersee, Schmähkommentare auf Social Media, weil das Spiel knapp aus der Hand gegeben wurde, oder die vertane Chance, mit dem Sieg im Tiebreak erstmalig ins Halbfinale einziehen zu können – und das Gehalt für den Monat verdient zu haben. Selbst das verlorene Medenspiel in der untersten Freizeitklasse kann so sehr schmerzen, dass der Verlierer nicht einmal mehr zum gemeinsamen Essen bleiben mag.
Wie man lernt, unter Druck das Potenzial abzurufen
Das Problem in Drucksituationen ist zumeist nicht das mangelnde sportliche Können, also Tennistechnik oder -taktik, um die Situation erfolgreich zu bewältigen. Vielmehr mangelt es daran, unter Druck das vorhandene Potenzial abrufen zu können. Genau das aber unterscheidet die großen Spieler von den guten. Nadal, Federer, Williams und immer noch Djokovic konnten und können gerade dann mit Druck beeindruckend gut umgehen, wenn erhöhter Puls, Gedankenrasen und Unsicherheit die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Wie aber lässt sich das erlernen, wenn Selbstvertrauen und Co. eben nicht genetisch bedingt sind?
Zur Veranschaulichung hilft an dieser Stelle das Bild des Fahrradfahrens. Um erfolgreich in Druck- und Leistungssituationen voranzukommen, sind zwei intakte und gut „aufgepumpte“ Reifen erforderlich. Der hintere Reifen, das „Antriebs“-Rad, symbolisiert die Vorbereitung und das trainierte Können, in diesem Fall Tennistechnik, -taktik und Athletik. Der vordere Reifen, das „Lenk“-Rad, hingegen steht für die Fertigkeiten und Kompetenzen, um dieses Wissen und Können auch unter Druck effektiv einsetzen zu können.
Wenn Menschen in Drucksituationen „struggeln“ und große Aufregung zeigen, kommt oftmals der Rat von Außenstehenden, dass man sich einfach nur gut vorbereiten müsse, sich also auf das Hinterrad konzentrieren solle. Ein durchaus guter Hinweis. Denn eine gute Vorbereitung fördert das Selbstvertrauen für eine Situation. Leider sind viele Menschen mit Leistungs- oder Prüfungsangst zugleich Perfektionisten und im „Antriebs“-Rad, dem Hinterrad, sowieso sehr gut ausgebildet. Der Tipp „Üben, üben, üben“ greift bei ihnen zu kurz. Stattdessen sollte der Fokus besser auf einem anderen Aspekt, dem „Lenk“-Rad“ und seinem Content liegen.
Wie geht man mit unangenehmen Gedanken und Gefühlen um?
Kommen also Ratschläge zum Vorderrad, gehen sie meist nicht über Binsen wie „Du musst einfach nur ruhig bleiben“, „Du musst an dich glauben“ oder „Du musst dich einfach nur konzentrieren“ hinaus. Bei Rückfragen, wie das gehen soll, fehlen zumeist konkrete Hilfestellungen durch die Tippgeber. Dabei sind es genau diese Kompetenzen, die das Vorderrad ausmachen. Wie also kann man gezielt Selbstbewusstsein für eine Leistungssituation aufbauen? Welches Ziel ist hilfreich für eine Leistungssituation? Wie konzentriert man sich auch in schwierigen Situationen? Und: Wie geht man mit unangenehmen Gedanken und Gefühlen in den Situationen um? Diese Fragen gilt es zu beantworten, damit man in Drucksituationen das Beste geben kann.
Experten vertreten die Einstellung, dass es nicht immer das Ziel sein sollte, Angst oder Unsicherheit beispielsweise durch Entspannungstechniken zu bekämpfen. Denn sobald man in der komplizierten Situation ist, springt der Kopf wieder aufs Neue an. Die Erklärung: Mit der Vermittlung von Entspannungstechniken, entsteht das Bild im Kopf, dass die aufgekommenen Gefühle nicht da sein sollten, um leistungsfähig zu sein. Diese Sichtweise kann zu weiterem Stress führen, wenn sich keine Entspannung durch die verwendeten Techniken einstellt. Das ist individuell zu entscheiden.
Vielmehr geht es darum, mit den Gedanken und Gefühlen sinnvoll umzugehen und Wissen darüber zu erlangen, wie der Kopf in Drucksituation agiert. Um dieses Wissen zu erlangen, kann man sich externe Hilfe holen. In einer Welt, in der Druck und Leistung ständig präsent sind, gilt es, die notwendigen Fertigkeiten zu erlernen, um in anspruchsvollen Situationen souverän zu agieren. Denn letztlich entscheidet nicht nur das Wissen, sondern die Abrufkompetenz über den Erfolg in Drucksituationen.
Infos Reday2perform
Die Performance- und Sportpsychologen Dr. Sebastian Altfeld und Christian Luthardt haben ein Konzept zum Erlernen von Kompetenzen in Drucksituationen entwickelt. Der Online-Kurs integriert modernste Forschung aus der Sportpsychologie, kognitiven Verhaltenstherapie und achtsamkeitsbasierten Ansätzen von Spitzensportlern und High Performern sowie umfassenden Übungsmaterialien. Der Kurs ist deutschlandweit der einzige, der als Präventionskurs durch die Krankenkassen zertifiziert ist. Das bedeutet, dass die Kosten durch die Krankenkassen übernommen werden können. Mehr Informationen zum Kurs unter www.ready2perform.de.