Große Finalanalyse: Warum Angelique Kerber den Titel holte
Wie Angelique Kerber ihren ersten Grand Slam-Titel gewann und Serena Williams im Endspiel von Melbourne besiegte. Eine taktische Analyse in zehn Punkten.
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— tennis MAGAZIN (@tennismagazin) January 30, 2016
Man muss sich erst einmal beruhigen. Durchatmen. Den nötigen Abstand finden, von all den Nachrichten, Fotos und Geschichten, die seit dem verwandelten Matchball von Angelique Kerber wie ein Wolkenbruch in die Timelines von Twitter und Facebook prasseln. Und dann analysieren – wie konnte die Deutsche im Endspiel die Weltranglistenerste bezwingen? Was waren die Schlüsselmomente der Partie? Welche Faktoren haben darüber entschieden, dass sich Kerber nun tatsächlich Grand Slam-Siegerin nennen darf?
Faktor 1: Der starke Beginn
So abgedroschen es klingt: Der Start in ein Match ist insbesondere für eine Final-Debütantin überlebenswichtig. Ein schneller Rückstand hätte Kerber ihre Hoffnung auf eine Minimalchance womöglich zerschlagen. Der erste Spielgewinn, das anschließende Break der Deutschen zur 2:1-Führung sowie der folgende Aufschlaggewinn zum 3:1 im ersten Durchgang, haben der 28-Jährigen die Ehrfurcht vor der 21-maligen Grand Slam-Siegerin Williams genommen. Zum anderen hat die Amerikanerin sofort eines gespürt: ihre Verwundbarkeit an diesem Tag.
Faktor 2: Die kurzen Rallys
Die Taktik, die Kerber mit ihrem Coach Torben Beltz ausgetüftelt hatte, wurde von Beginn an deutlich: Möglichst dicht an der Linie stehen, nicht zurückdrängen lassen und Williams in längere Rallys verwickeln. Denn: In kurzen Ballwechseln ist die Amerikanerin normalerweise kaum zu bezwingen. Craig O’Shannessy, Analytiker auf der Tour und bei den Australian Open im Dauereinsatz –, veröffentlichte nach dem Match eine interessante Statistik: Bis zum Finale hatte Williams eine Bilanz von 295:178 in Ballwechseln, die maximal vier Schläge lang waren – ein Plus von 117, Bestwert. Beeindruckend: Am Ende ihres 6:4, 3:6, 6:4-Triumphs hatte Kerber dieses Duell der kurzen Ballwechsel mit 60:52 für sich entschieden – definitiv ein entscheidender Schlüssel zum Sieg. Ein Beleg für die außerordentliche Stärke von Kerber an diesem Tag, aber auch für das fehleranfällige Spiel von Williams.
Faktor 3: Die langen Rallys
Kerber setzte ihren Matchplan nahezu perfekt um. Ebenfalls eine Statistik von O’Shannessy: Die Deutsche zwang Williams insgesamt in 22 Rallys, die länger als neun Schläge waren. In diesen Duellen gelang es ihr, Williams aus der eigenen Komfortzone zu treiben – entweder mit extremen flachen Winkelschlägen oder mit langen, schnellen Bällen durch die Mitte auf den Körper der Amerikanerin. Bis ins Endspiel musste Williams gerade einmal 25 solcher langen Ballwechsel bestreiten – in sechs Matches!