Aufschlag von John Isner: Von gaaaanz oben
Der Aufschlag von John Isner ist eine Macht: Im Durchschnitt serviert er 16 Asse pro Match. Natürlich kommt ihm dabei seine Größe von 2,08 Metern zu Gute. Aber Isner hat auch seine Technik erstklassig seinem Körper angepasst, findet unser Experte Patrick Mouratoglou.
Fotos: Manuela Davies
Die sechs wichtigsten Punkte bei John Isners Aufschlag:
1.) Fast kein Ballwurf mehr, eher eine „Ballablage“
Isner ist mit seiner Aufschlagbewegung soweit, dass er sein rechtes, hinteres Bein an das vordere Standbein zieht, während er den Ball mit seinem gestreckten Wurfarm nach oben führt. Wobei „Ballwurf“ fast der falsche Ausdruck ist: Er legt den Ball dort ab, wo er ihn später treffen will. Gleichzeitig ist der rechte Schlagarm noch weit unten, die Aufwärtsbewegung beginnt gerade erst. Diese Verzögerung ist auffällig. Isner muss seine Zuschlagphase dadurch schnell abspulen. Folge: mehr Power!
2.) Gebeugte Knie für mehr Sprungkraft
Beide Füße stehen eng nebeneinander und Isner geht erstaunlich tief in die Knie. Das zeigt: Er sammelt in dieser Phase Sprungkraft, um sich später mit beiden Beinen vom Boden abzustoßen. Isner verlässt sich also nicht nur auf seine imposante Körpergröße. Er will das Optimum aus seinem Aufschlag herausholen, indem er den späteren Treffpunkt soweit nach oben verlagert, wie es nur geht. Der Ball ist in der Zwischenzeit an seinem höchsten Punkt angekommen, der Schläger lässt Isner jetzt in den Rücken fallen.
3.) Leichte Schräglage für besseren Treffpunkt
Die Energie wird entladen und Isner katapultiert sich nach oben. Füße, Beine, Oberkörper: Alles ist voll gestreckt. Der linke Arm schnellt – als Gegenbewegung zum aufsteigenden Körper – nach unten, den Schläger lässt Isner nun in den Rücken fallen. Hüfte und rechte Schulter, die er zuvor leicht eingedreht hatte, rotieren zurück. Isners Sprung geht auch nach vorne (leichte „Schräglage“ auf dem Foto). Das dient dazu, einen noch besseren Treffpunkt für sein Hammerservice anzusteuern.
4.) Verlagerung nach vorn für flache Aufschläge
Noch immer über den Boden schwebend fällt Isners Oberkörper vor dem Treffpunkt auffallend nach vorne. Das ist nicht optimal, in voller Streckung den Ball zu treffen, wäre besser. Aber Isner hat durch die Verlagerung nach vorne einen Vorteil: Er kann nun, bedingt durch die Höhe des Treffpunkts, einfacher flach und gerade servieren. Zum Vergleich: Isner trifft seine Geschosse in Höhen von weit über drei Metern. Durchschnittsprofis (1,85 m Körpergröße) kommen etwa auf 2,80 Meter „Abschusshöhe“.
5.) Natürliche Pronation für Extra-Power
In der Ausschwungphase wird deutlich, wie stark die „Pronation“ (also die Drehung von Handgelenk und Unterarm) beim US-Amerikaner ist. Achten Sie auf seine Handinnenfläche! Die zeigt nun nach außen. Die Pronation tritt natürlich auf, wenn der Schlagarm frei durchschwingt und nicht verkrampft. Sie gibt dem Ball noch Extra-Power mit auf den Weg. Viele Clubspieler unterschätzen den Effekt und brechen den Ausschwung zu früh ab. Dadurch geht die letzte Zugkraft verloren.
6.) Im Gleichgewicht durch das rechte Bein
Isners Geschoss ist längst unterwegs, als er auf dem linken Bein landet und sich durch das weit nach hinten gestreckte rechte Bein im Gleichgewicht hält. Beim Gegner schlagen nun Aufschläge ein, die für jeden Profi schwer zu returnieren sind. Denn: Isner kann durch seine Größe und Technik Zielflächen im T-Feld anvisieren, die „normale“ Spieler niemals treffen könnten. Hinzukommt, dass der Absprung seiner Aufschläge (gerade beim Kick!) extrem hoch ist.
Unser Experte: Patrick Mouratoglou
Gründer und Chefcoach der Mouratoglou Tennis Academy bei Paris. Er arbeitete früher unter anderem mit Marcos Baghdatis und Grigor Dimitrov. Heute betreut er vor allem Serena Williams und Stefanos Tsitsipas. Weitere Infos: www.mouratoglou.com. Erreichbar unter: experte@tennismagazin.de
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