Medizin-Ratgeber: Wenn beim Tennismatch die Achillessehne schmerzt
Erst sind die Schmerzen nur sporadisch, später dauerhaft: Tennisspieler haben oft Probleme mit der Achillessehne. Damit die Sehne nicht reißt, ist eine zügige Therapie wichtig
Text: Gabriele Hellwig
In Anlehnung an die Sage von Achilles, einem Helden der griechischen Mythologie, ist der Name Achillessehne entstanden. Achilles galt als unverwundbar, da er als Kind in den Fluss Styx getaucht worden war. Nur an der Ferse, an der ihn seine Mutter dabei hielt, blieb er verwundbar. Ein Pfeil in diese Ferse tötete ihn schließlich.
Die Achillessehne ist bei einem Durchmesser von bis zu einem Zentimeter und einer Länge von etwa zehn Zentimetern die kräftigste Sehne im Körper des Menschen, aber gleichzeitig auch die am stärksten beanspruchte. Aufgabe der Achillessehne ist es, die Kraft der Wadenmuskulatur bei jedem Schritt auf das Fersenbein zu übertragen, damit der Fuß abrollen kann. Ermöglicht wird dies durch Kollagenfasern, die wie Sprungfedern wirken, da sie große Mengen an Energie speichern und wieder abgeben können.
„Vor allem das ständige Stop-and-Go beim Tennis stellt eine große Belastung für die Achillessehne dar“, sagt Raul Borgmann, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie aus der Privatpraxis Orthopassion in Freiburg. Kein Wunder also, dass Schmerzen an der Achillessehne, medizinisch Achillodynie („dynie“ = Schmerz) genannt, zu den häufigsten Beschwerden von Tennisspielern zählen.
Chronische Überlastung zählt zu den Hauptursachen für Probleme mit der Achillessehne. Mitunter ist der Trainingsumfang oder die Trainingsintensität zu hoch. Ferner können sich falsche Schuhe oder eine falsche Technik negativ auf die Achillessehne auswirken. Der Hallenuntergrund spielt ebenfalls eine Rolle, wie Borgmann sagt: „Auf dem Sandplatz besteht tendenziell eine geringere Gefahr, die Achillessehne zu überlasten, als in der Halle. Das liegt daran, dass man auf dem Sand immer ein bisschen rutscht und damit auch die Kräfte verringert, die auf die Achillessehne einwirken. In der Halle ist der Bodenkontakt stärker und dieses Abstoppen noch dynamischer.“
Achillessehne: Muskuläre Dysbalancen verschlimmern das Problem
Muskuläre Verkürzungen oder Dysbalancen können die Belastung für die Achillessehne enorm verstärken. „So kann beispielsweise eine muskuläre Dysbalance in der Beckenmuskulatur das Becken ein bisschen verdrehen. Dies führt wiederum zu einer funktionellen Beinlängendifferenz und damit zu einer asymmetrischen Belastung der Achillessehne“, erläutert Borgmann. Fußfehlstellungen wie ein Knickfuß können ebenfalls die Beschwerden verschlimmern: Die Beinachse wird dadurch verändert und damit die Achillessehnenbelastung.
Bei Überlastung oder Fehlbelastung verliert die Achillessehne durch Gewebsumbauten an Elastizität. Die Faserstruktur verändert sich, die Sehne degeneriert. Denn der Körper schafft es auf Dauer nicht, die Achillessehne immer wieder zu regenerieren. In der Folge kommt es zu einer Entzündung und Verdickung der Sehne. Borgmann: „Der Körper merkt, dass da etwas nicht in Ordnung ist und will die Heilung damit unterstützen, dass er Gefäße in die Sehne einsprießen lässt. Dies ist aber kontraproduktiv, weil damit noch mehr Druck in der Sehne entsteht.“
Gute Übung für die Achillessehne
Bewährt haben sich exzentrische Muskelübungen. Dabei stellt man sich mit einem Bein auf eine Treppenstufe und hebt sich hoch in die Zehenspitzenposition, die kurz gehalten wird. Der Fußballen befindet sich direkt an der Kante der Treppenstufe. Das Standbein ist gestreckt. Langsam senkt man nun die Ferse ab – unterhalb des Treppenstufenniveaus. Diese Position wird ebenfalls kurz gehalten, dann mit beiden Beinen wieder zurück in die Ausgangsstellung hochdrücken. Dann das andere Bein. Beginnen Sie auf jeden Fall im schmerzfreien Übungsumfang und steigern Sie dann langsam. Ziel wären jeweils 90-120 Wiederholungen über den Tag verteilt.
Typische Symptome sind dann Schmerzen: Erst tut die Achillessehne nur ab und zu weh, vor allem morgens nach dem Aufstehen – meist im mittleren Drittel, aber auch Reizungen direkt am Ansatz der Sehne am Fersenbein sind möglich. Später klagen Tennisspieler insbesondere beim intensiven Training über Beschwerden. „Eine Verhärtung der unteren Wadenpartie ist oft ein weiteres Zeichen für eine Achillessehnenentzündung“, weiß Borgmann. Wird die Entzündung chronisch, können Dauerschmerzen entstehen.
Achillessehne: Haltungs- und Bewegungsanalyse empfehlenswert
Im Rahmen einer körperlichen Untersuchung überprüft der Orthopäde, ob Fußfehlstellungen oder muskuläre Dysbalancen für die Beschwerden verantwortlich sind. „Wir führen eine Haltungs- und Bewegungsanalyse in unserem High Performance Lab durch“, sagt Borgmann. Eine Ultraschalluntersuchung sowie eine Kernspintomografie schließen sich ebenfalls oft an.
Als erste Behandlungsmaßnahme empfiehlt Borgmann bei Problemen mit der Achillessehne die Stoßwellentherapie: „Mit der Stoßwelle kann die Achillessehne durchgearbeitet werden. Dadurch verbessert sich nicht nur die Durchblutung, es werden auch entzündungshemmende Stoffe freigesetzt und sogar das Einwandern von Stammzellen angeregt.“ Zusätzlich kommt die hochenergetische Elektromagnetische Transduktion-Therapie (EMTT) zum Einsatz, da diese den Zellstoffwechsel verbessert, die Schmerzen reduziert und die Entzündung dämpft. Bewährt hat sich bei Achillessehnenproblemen ebenfalls die Behandlung mit Eigenblut, auch PRP-Therapie genannt. Bei PRP („Platelet Rich Plasma“) handelt es sich um körpereigene Wachstumsfaktoren, die aufbereitet werden. Die PRP-Therapie unterstützt die körpereigene Heilung. Wichtig ist auch gezielte Physiotherapie. Dazu gehören vor allem das sogenannte exzentrische Training sowie ein dosiertes Dehnen der rückwärtigen Beinkette bis in den unteren Rücken.
Wenn man die Beschwerden nicht mit den konservativen Therapien in den Griff bekommt, ist das neue minimal-invasive Tenex-Verfahren eine Option. Dafür ist nur eine lokale Betäubung notwendig. „Beim Tenex-Verfahren wird das degenerierte Sehnengewebe vorsichtig mit Ultraschallenergie entfernt. Die neu eingesprossenen Blutgefäße können beim selben Eingriff verödet werden. Dadurch wird der Druck auf die Achillessehne reduziert“, erklärt Borgmann.
Achillessehne: Wer zu lange wartet, riskiert einen Riss
Wartet der Patient bei einer Achillessehnenentzündung zu lange mit einer Behandlung, degeneriert die Sehne immer mehr. Die Widerstandsfähigkeit des Sehnengewebes ist irgendwann so herabgesetzt, dass dann oft eine normale Bewegung oder Bagatellbelastung reicht – und die Sehne reißt.
Bei Teilrissen ist eine intensive konservative Therapie immer empfehlenswert. Die Sehne wächst dann wieder zusammen. Ist die Achillessehne komplett gerissen, ist auch nicht immer gleich eine Operation notwendig, wie Borgmann erläutert: „Im Ultraschall sieht man, ob die Sehnenstümpfe sich berühren, wenn man den Fuß in eine Spitzfußstellung bringen würde. Ist dies der Fall, kann auf jeden Fall konservativ mit einer regenerativen Komplextherapie und einem Therapieschuh behandelt werden.“ Das Training sollte erst wieder aufgenommen werden, wenn der Tennisspieler schmerzfrei ist und sich die Sehnenstruktur im Ultraschall wieder normalisiert hat.
Vorbeugen ist möglich:
● Nicht überlasten. Der Trainingsplan sollte vom Umfang und der Intensität wirklich individuell zu dem jeweiligen Spieler passen. Am besten vom Orthopäden und Tennistrainer beraten lassen.
● Erholungsphasen einplanen. Körperliche Regeneration ist genauso wichtig wie der Trainingsplan. Nur wer Erholungsphasen einplant, bleibt langfristig leistungsfähig.
● Gut aufwärmen. Vor dem Training immer gut aufwärmen. Leichtes Dehnen ist ebenfalls empfehlenswert.
● Richtige Schuhe. Gut passende Sportschuhe sind enorm wichtig, um Überlastungsschäden vorzubeugen. Am besten in einem Sportfachgeschäft beraten lassen. Wer Fußfehlstellungen hat, sollte sich Sporteinlagen anpassen lassen. Inzwischen gibt es spezielle Einlagen für einzelne Sportarten, auch fürs Tennis.
● Optimale Spieltechnik. Mit dem Trainer am besten regelmäßig die Technik kontrollieren und optimieren.
● Eventuelle Dysbalancen beseitigen. Eine Haltungs- und Bewegungsanalyse empfiehlt sich für die meisten Sportler auch vorbeugend. So können eventuelle Dysbalancen erkannt und mit speziellen Übungen wegtrainiert werden.
Unser Experte: Dr. Raul Borgmann
Dr. Raul Borgmann ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und Diplom-Osteopath. Der Gründer der Privatpraxis Orthopassion in Freiburg hat sich spezialisiert auf regenerative Orthopädie, Osteopathie und Bewegungsmedizin „Regenerieren statt operieren“, lautet das Praxis-Motto. Dr. Borgmann behandelt viele Sportler, darunter auch Tennisspieler auf Bundesliga-Niveau. Weitere Infos unter: www.orthopassion.de