Naturdarm, Multis und Polys: Saitenwahl im Tennis
Trainer sind erste Ansprechpartner ihrer Kunden bei Fragen zur Ausrüstung. Was sie über das Thema Besaitungen wissen sollten.
Tennissaiten sind mindestens genauso wichtig für das eigene Spiel wie der Schläger. Dennoch wird ihnen meistens weniger Aufmerksamkeit geschenkt, was für sich genommen schon ziemlich erstaunlich ist. Denn: Womit kommt der Ball beim Schlagen in Berührung? Richtig, mit der Saite – und hoffentlich möglichst selten direkt mit dem Rahmen. Wer die richtige Saite spielt, spielt besser. Das wichtigste Credo dabei: Die Saite muss zum eigenen Spielstil und zum Schläger passen. Dann kann man sein Tennis optimieren. Trainern kommt dabei eine wichtige Funktion zu. Schließlich wenden sich Kunden häufig an ihren Vereinscoach, wenn sie Fragen zu ihrer Ausrüstung haben.
Alte Besaitungen können zu Arm- und Schulterproblemen führen
Mark Holldorf, der in Deutschland und Österreich für den französischen Tennis-Vollausstatter Tecnifibre als Marken-Manager tätig ist und schon selbst zahlreichen Profiturnieren den offiziellen Bespannservice geleitet hat, empfiehlt insbesondere Trainern von Kindern darauf zu achten, dass nicht nur der Schläger zum Junior passt – sondern auch die Saite. „Damit ist auch eine gesundheitliche Verantwortung verbunden“, gibt Holldorf zu Bedenken. Kleinere Kinder mit veralteten, starren Saiten spielen zu lassen, trübt nicht nur das Spielerlebnis an sich; es kann auch zu Problemen an Arm oder Schulter führen.
Was Holldorf aufgrund seiner langjährigen Praxiserfahrung festgestellt hat: „Das Wissen rund um das Thema Saiten kann gar nicht groß genug sein – vor allem dann, wenn man eine Art Beraterfunktion für Breiten- und Amateurspieler ausübt.“ Der wichtigste Parameter bei der Wahl der richtigen Saite ist ihre Konstruktionsweise. Saiten lassen sich in drei Hauptkategorien unterteilen: Naturdarm, Multifilament (Multis) und Monofilament (Polys).
Naturdarmsaiten
Zur Herstellung von Naturdarmsaiten („Natural Gut“) werden heutzutage Kuhdärme verwendet. Da die Produktion aufwendig ist, sind Naturdarmsaiten von allen Saitentypen am teuersten. Um die 60 Euro für qualitativ hochwertige Zwölf-Meter-Sets sollte man einplanen – ohne Besaitungslohn allerdings. Dafür bieten diese Saiten aber auch einen überragenden Mix aus Lebendigkeit, Elastizität und Spannungsstabilität. Insbesondere durch ihre hohe Elastizität sind sie sehr armschonend.
Hochwertige Darmsaiten sind nahezu transparent und weisen eine glatte Oberfläche auf. Nachteile: Darmsaiten vertragen Feuchtigkeit schlecht und ihre Haltbarkeit ist eher gering. Experte Holldorf empfiehlt für diesen Bereich die „X-One Biphase“ von Tecnifibre, die nur halb so teuer wie eine Naturdarmsaite ist, aber nahezu gleiche Spieleigenschaften und fast identisches Spielgefühl liefert. „Sie ist so nah dran an einer Naturdarmsaite wie keine andere Synthetiksaite“, versichert Holldorf.
Multifilamentsaiten
Multifilament-Saiten, kurz „Multis“, werden in komplexen Produktionsverfahren aus vielen (daher „multi“), oftmals mehr als tausend einzelnen feinen Fasern (Filamenten) hergestellt, um eine Funktionalität nach Vorbild des menschlichen Muskels zu schaffen. Die Fasern werden mit Harzen verbunden und es kommen unterschiedliche Beschichtungen zum Einsatz, die Abrieb-festigkeit, Reibungsverhalten und Elastizität bestimmen. Die zeitintensive Entwicklung und Produktion dieser Saiten erklärt die höheren Preise gegenüber anderen Kunststoffsaiten (20 bis 30 Euro pro Set). Durch die Materialien und Konstruktionsarten wird eine Elastizität und Lebendigkeit erzielt, die nahe an das heranreicht, was Naturdarmsaiten bieten. Armprobleme können vermieden, bzw. reduziert werden.
Die im Inneren der Saite liegenden Fasern werden von vielen Herstellern oft durch eine widerstandsfähige Ummantelung geschützt. Wenn allerdings der Mantel durchscheuert, neigen derartige Multis schnell zum direkten Reißen. „Der Topseller TGV von Tecnifibre hat bei den Multis längst Standards gesetzt“, sagt Holldorf. Die TGV besteht zu 45 Prozent aus Polyurethan, was als äußerst schockdämpfend gilt und im Gegensatz zu den Konstruktionen anderer Anbieter ist jede einzelne Faser imprägniert, um die ideale Interaktion der Materialkomponenten für die maximale Leistungsentfaltung sicherzustellen.
Monofilamentsaiten
Aus nur einem Strang (monofil) wird diese Saitenart gefertigt, die man im Allgemeinen als „Polys“ (Abkürzung von Polyestersaiten) bezeichnet. Sie sind witterungsbeständig, lange haltbar und recht günstig (schon ab zehn Euro pro Set). Dadurch ist dieser Saitentyp in den vergangenen Jahren populär geworden. Allerdings: Aufgrund geringer Elastizität wird ein großer Teil des Aufprallschocks beim Schlag auf den Arm übertragen. Mittlerweile sind die Polys jedoch keine starren Drähte mehr. Softpolys oder Co-Polys sind elastischer als reine Polys. Die Bandbreite der Starrheit ist bei den Polys riesig, da es etliche Beimischungen gibt, die das Material weicher machen.
Poly ist nicht gleich Poly! „Mit der Razor Soft hat Tecnifibre in diesem Saitensegment eine neue Gattung geschaffen, weil sie unter Spannung auf dem besaiteten Schläger deutlich weniger steif für eine Poly ist, gleichzeitig aber eine hohe Kontrolle bietet und armschonend ist“, erklärt Holldorf. Der Clou: Tecnifibre hat es geschafft, die Kunststoffarten Polyester und Polyurethan (in Form von „PU-Additiven“) in der Razor Soft zu verschmelzen. Eigentlich stoßen sich beide Stoffe ab. Entstanden ist eine Poly, die eine große Zielgruppe anspricht: vom Jugendlichen bis zum Profi. Holldorf: „Wer als Trainer diese Saite empfiehlt, kann kaum etwas falsch machen.“