„Rumpfmuskeln werden oft nur stiefmütterlich trainiert”
Verletzungen auf dem Court gehören für viele Spieler und Spielerinnen dazu. Welche Blessuren auftreten können und wie man sich gegen sie wappnet, erklärt Johannes Holz, Sportmediziner und Orthopäde im OrthoCentrum in Hamburg.
Interview: Gabriele Hellwig
Herr Holz, was sind die häufigsten Verletzungen bei Tennis-Breitensportlern?
Das Knie ist besonders häufig betroffen. Denn bei den vielen Stopps nach schnellen Bewegungen wird oft das Knie verdreht. Dies stellt eine große Belastung für die Menisken und auch die Kreuzbänder dar. An der Schulter kommt es ebenfalls oft zu Verletzungen. Chronische Überlastung und muskuläre Ungleichgewichte, die sogenannten „Dysbalancen“, sind hier die häufigsten Ursachen bei Tennisspielern.
Durch ständige Ausholbewegungen wird die vordere Schultergelenkkapsel, die normalerweise den Oberarmkopf optimal in der Gelenkpfanne hält, immer wieder aufgedehnt. Dadurch verschiebt sich der Oberarmkopf immer mehr nach oben. Es entsteht eine Enge im Schultergelenk, die man als „Impingement-Syndrom“ bezeichnet. Das englische Verb „to impinge“ bedeutet so viel wie auftreffen oder zusammenstoßen. Diese Enge führt dann oft zu einer schmerzhaften Schleimbeutelentzündung, „Bursitis“ genannt. Nicht selten leiden Tennisspieler unter Rückenproblemen, da sie beim Aufschlag oft sehr stark nach hinten ins Hohlkreuz gehen. Die Wirbelsäule nutzt sich ab, es kann zu Bandscheibenvorfällen kommen.
„Funktionelles Training hat sich bewährt“
Wie verhält man sich am besten, wenn man von einer dieser Verletzungen betroffen ist?
Zunächst ist eine genaue Diagnose beim Orthopäden wichtig. Nur der Arzt kann beurteilen, welche Strukturen betroffen und in welchem Umfang diese verletzt sind. Es wird immer versucht, möglichst schonend zu behandeln, damit der Tennisspieler schnell wieder fit ist. Das bedeutet beispielsweise für Verletzungen am Kreuzband: Ist es nur angerissen und seine Gewebehülle intakt, erhält der Patient für einige Wochen eine Schiene und gezielte Physiotherapie. Unterstützende Injektionsserien mit einem speziellen Plasma sind ebenfalls möglich.
Bei einem kompletten Kreuzbandriss empfiehlt sich meistens eine Operation, da sonst die Gefahr einer dauerhaften Instabilität des Knies besteht. In der OP kann das Kreuzband in zehn Prozent der Fälle erhalten werden, zu 90 Prozent wird es durch ein Sehnentransplantat arthroskopisch ersetzt. Bei Schulter- und Rückenproblemen bieten wir spezielle sportmedizinische Programme in unserer Praxis an. Vor allem funktionelles Training hat sich bewährt, um muskuläre Dysbalancen zu beseitigen. Nicht selten werden vor allem die Schulter- und Rumpfmuskeln stiefmütterlich trainiert.
„Wichtig ist, sich gut aufzuwärmen“
Wie viel Aufwand ist für eine gute Prophylaxe nötig – gerade im höheren Alter?
Unabhängig vom Alter ist eine gute Verletzungsvorbeugung immer möglich und aus meiner Sicht auch nicht zu aufwendig. Wichtig ist, sich vor dem Spiel gut aufzuwärmen und zu dehnen sowie stets ausgewogen zu trainieren. Eine ständige Überlastung und ein einseitiges Training sollte vermieden werden. Eine saubere Spieltechnik ist ebenfalls wichtig. Gegebenenfalls sollte man einen Trainer bitten, sich die richtige Technik noch einmal erklären und diese bei einem Match überprüfen zu lassen. Empfehlenswert ist regelmäßiges Ausdauertraining, etwa zwei- oder dreimal pro Woche 30 Minuten Laufen. Sehr wichtig: Krafttraining für die Rumpf- und Bauchmuskeln. Nicht vergessen sollte man regelmäßige Pausen, damit sich der Körper erholen kann.
„Ein Besuch beim Orthopäden lohnt sich“
Im Breitensport greifen auch Tennisspieler zu Schmerzmitteln, wenn sie Probleme haben. Was halten Sie davon?
Schmerz ist immer ein Warnsignal des Körpers, das man ernst nehmen sollte. Auch beim Sport warnt der Schmerz vor Überlastung und möglichen Verletzungen. Der Gebrauch von Schmerzmitteln beim Sport kann Überlastungssymptome überdecken. Wer trotz Schmerzen trainiert, riskiert größere Schäden an seinen Sehnen und Gelenken. Das bedeutet: Wer Schmerzen beim Sport hat, sollte sie nicht in Eigenregie therapieren, sondern sich medizinischen Rat holen. Schmerzmittel bekämpfen ohnehin nicht die Ursachen der Beschwerden. Schon bei leichten Schmerzen in Muskeln oder Gelenken, vor allem, wenn diese wiederholt beim Tennis auftreten, lohnt ein Besuch beim Orthopäden. Gerade im Anfangsstadium können wir Sportlern in der Regel sehr schnell und zielführend helfen.
Was raten Sie Spielern, die von einer akuten Verletzung wie etwa dem Umknicken des Fußknöchels betroffen sind?
Die Therapie sollte zeitnah nach dem PECH-Schema erfolgen. P bedeutet Pause: Sofort den betroffenen Knöchel ruhigstellen. E steht für Eis: Die Kälte verengt die Blutgefäße und vermindert Blutungen und Schwellungen. C heißt Kompression: Ein leicht komprimierender Verband schützt und stützt die verletzten Strukturen. H steht für Hochlagerung: Durch Hochlagern wird die Blutzufuhr verringert. Das reduziert Schwellung und Schmerzen.
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