Wimbledon – das Turnier der Deutschen
2000er Jahre in Wimbledon: Ein Popp-Star und ein Grashüpfer
Alexander Popp
(Einzelviertelfinale 2000, 2003)
Und plötzlich macht es „popp“! Alexander Popp, Zwei-Meter-Mann aus Mannheim, spielte während seiner Karriere genau zweimal richtig gut: 2000 und 2003 in Wimbledon, beide Male erreichte er völlig überraschend das Viertelfinale. 2000 rutscht er als 104. der Weltrangliste gerade noch ins Hauptfeld, zur Qualifikation wäre er nicht angetreten, zu krank fühlte er sich. Dann bezwang er: Roland Agenor (nach 0:6 im ersten Satz), Michael Chang (8:6 im fünften Satz!), Gustavo Kuerten und Marc Rosset – was für ein Lauf! „Ich habe Spieler geschlagen, die ich nur aus dem Fernsehen kannte“, bekannte er.
Weil seine Mutter Jennifer aus der Nähe von Birmingham stammt und Popp auch einen englischen Pass besitzt, drehte die britische Presse durch. Die schönsten Wortkreationen waren: „Popp-Star“, „Poppeye“ oder auch „Brit Popp“. Angeblich bemühte sich der englische Verband, Popp zu einem Nationenwechsel zu drängen – es war die Zeit vor Andy Murray! Gegen Pat Rafter folgte das zügige Aus: 3:6, 2:6, 6:7.
Drei Jahre später wiederholte sich das „Wunder von Wimbledon“. Popp gelangte nur durch eine geschützte Ranglistenposition aufgrund etlicher Verletzungen ins Hauptfeld, besiegte unter anderem Top Ten-Spieler Jiri Novak und traf im Viertelfinale wieder auf einen Australier: Mark Philippoussis. Es wurde eine Zwei-Tages-Schlacht: Popp gewann die ersten beide Sätze, Philippoussis glich aus, der fünfte Satz ging in die Verlängerung – mit dem besseren Ende für den Aussie, 8:6. „Was willste machen, wenn dir einer mit 200 Stundenkilometern den zweiten Aufschlag auf die Linie setzt“, lamentierte Popp. Danach verschwand er so schnell, wie er aufgetaucht war. 2011 schloss „der Lange“ ein Pharmaziestudium in Berlin ab und arbeitet seitdem in der pharmazeutischen Industrie.
Florian Mayer
(Einzelviertelfinale 2004, 2012)
Sie tauften ihn den Grashüpfer: Florian Mayer verzückte 2004 die breite Tennis-Öffentlichkeit mit seiner eingesprungenen Rückhand und rückte bis ins Viertelfinale vor. Mayer, damals 20, „verfügt zwar nicht über die mitleidlose Effektivität wie Becker und Graf“, dichtete damals die Times, „aber wenigstens spielt er nicht, als wäre er in Weltschmerz mariniert.“
Mayer blieb cool – egal, wem er gegenüberstand. Und dabei spielte er erst das zweite Rasenturnier seiner Karriere. Das erste absolvierte er kurz vor Wimbledon in Halle. Gegen Sebastien Grosjean im Viertelfinale hatte er Chancen, 4:0 im ersten Satz in Führung zu gehen – danach verlor er seinen Rhythmus, 5:7, 4:6, 2:6.
Acht Jahre später: Mayer, längst etabliert im deutschen Davis Cup-Team und in den Top 50 der Weltrangliste, machte es noch einmal – sein zweites Viertelfinale in Wimbledon. Er zeigte dabei großen Kampfgeist, als er etwa gegen den Polen Jerzy Janowicz zwei Matchbälle abwehrte. Und gegen Richard Gasquet rief er eine seiner besten Leistungen überhaupt ab. Erst gegen den übermächtigen Novak Djokovic war Endstation.
In Wimbledon muss man mit „Flo, dem Grashüpfer“ eben immer rechnen. Bei keinem anderen Major springt er so hoch und weit. Dass er über ein Gespür für Gras verfügt, bewies er 2016 beim Rasenturnier Halle, als er den größten Triumph seiner Laufbahn feierte und im Endspiel Alexander Zverev bezwang.
Rainer Schüttler
(Einzelhalbfinale 2008)
Eigentlich hatte Rainer Schüttler seinen Karriere-Höhepunkt schon erlebt: 2003 stand er im Finale der Australian Open, das er gegen Andre Agassi verlor. Am Ende des Jahres war er sogar beim Masters in Houston dabei. Und dann das: fünf Jahre nach Melbourne kämpfte sich der 32-Jährige bis in Halbfinale von Wimbledon vor – das hatte seit Michael Stich 1997 kein Deutscher mehr geschafft.
Schüttler stand auf Ranglistenplatz 94 und besiegte Profis wie James Blake und Janko Tipsarevic. Im Viertelfinale traf er dann auf Arnaud Clement, der mit Rang 145 noch schlechter platziert war. Plötzlich war Schüttler Favorit. Es entwickelte sich ein Drama über zwei Tage inklusive Dunkelheit und Regenpausen. Nach 5:12 Stunden hatte der Deutsche gewonnen: 6:3, 5:7, 7:6, 6:7, 8:6. Das Geheimnis seines Erfolgs? „Zum Frühstück gibt es deutsches Brot“, witzelte Schüttler. Gegen Rafael Nadal im Hablfinale half aber auch das Vollkornbrot nicht mehr: Schüttler verlor 1:6, 6:7, 4:6.
Tommy Haas
(Einzelhalbfinale 2009)
„Wimbledon war nie gut zu mir“, hatte Tommy Haas einmal gesagt. 2005 trat er beim Einspielen in der ersten Runde auf einen Ball, knickte um und musste aufgeben, bevor das Match überhaupt begonnen hatte. 2007, Haas stand im Achtelfinale gegen Roger Federer, stoppte ihn eine Bauchmuskelzerrung. Die Zeit, so schien es, lief ihm davon, um wenigstens einmal im Londoner Südwesten weit zu kommen.
Dann kam es 2009 zum Drittrundenmatch gegen Marin Cilic. Es war ein stetiges Hin und Her, das beim Stand von 6:6 im fünften Satz wegen Dunkelheit auf den nächsten Tag verlegt werden musste. Bis dahin hatten beide Akteure schon jeweils zwei Matchbälle vergeben. Als es weiterging, gewann Haas 10:8 im entscheidenden Durchgang. Plötzlich hatte er ein Gespür für Gras. Schnell war ein neuer Spitzname für ihn gefunden: „Tommy Graas“. Und die Bild schlagzeilte: „Einfach grassartig“.
Denn es ging noch weiter: Der 31-Jährige schlug auch noch Novak Djokovic, der damals sein Spiel noch nicht optimal dem Rasen angepasst hatte. Vor dem Halbfinale gegen Roger Federer frohlockte Haas-Coach Högstedt: „Er kann frei aufspielen, denn er hat schon Großes erreicht!“ Dennoch verlor Haas 6:7, 5:7, 3:6. Trotz der Pleite: Am Ende war Wimbledon doch einmal gut zu ihm.
Anna-Lena Grönefeld
(Mixedtitel 2009)
Via Facebook hatte sich Anna-Lena Grönefeld 2009 zum Mixed mit Mark Knowles verabredet. Der Mann von den Bahamas sollte sich als erstklassiger Partner herausstellen: Gemeinsam holten sie den Titel. Grönefeld war erst die zweite Deutsche, die den Mixedpott in Wimbledon gewann. Die erste war (nein, nicht Steffi Graf!) Hilde Krahwinkel 1933.
Grönefeld bloggte damals auf tennismagazin.de und schrieb nach dem Triumph mit einem imaginären Augenzwinkern: „Wir feierten auf dem Platz mit Bacardi – so heißt ein Freund von Mark.“ Später wurde beim Champions-Dinner aber auch mit echten Drinks angestoßen. Damals hatte sie noch die vage Hoffnung, auch einmal Wimbledonsiegerin im Einzel zu werden. 2011 entschied sie sich aber dafür, nur noch Doppel zu spielen – eine gute Entscheidung. 2014 kam der zweite Grand Slam-Titel im Mixed hinzu: Mit Jean-Julien Rojer gewann sie die French Open.